Bereits im ersten Teil der Folgen stellt der ehemalige Student des Rabbinats nicht ohne Stolz fest:'® Daß der Walzer, wie man ihn in Deutschland tanzt, ganz dem Charakter der Nation gemäß ist, mag auch der Enthusiasmus zeigen, mit dem man diesen Tanz in England aufgenom men, [...]" Ungeachtet der überschwenglichen Aufnahme und des großartigen Erfolges, die Strauß (Vater) und seinen Musikern eben in diesem Jahr in Frankreich zuteil geworden sind, spart „Spazier" nicht mit fiohn und Spott über den Pariser „Quadril len-König" Musard und das französische Tanzpublikum: Wir Österreicher sind vielleicht das fantasievollste deutsche Volk, [...] Dieses Volk muß somit auch ein ausgezeichnetes Talent für Musik, die sinnlichste unter den Künsten, besitzen. Tau sende Melodien finden wir hei diesem Volke, täglich kann man neue hören, in den Straßen, auf den Spaziergängen, den öffentlichen Plätzen. Strauß braucht nicht, wie Musard, die Opern zu plün dern, oder zu warten, bis ein großer Componist ein geniales Werk, die Frucht seines Fleißes und schlafloser Nächte, publicirte. Paris hat kein passendes Local für die Walzer [...] Dieser Mangel ist viel schuld daran, daß der Walzer in Frankreich ausgerottet ist. Dem Tänzergeht es nur zu oft wie der Erde, mit ihrer doppelten Bewegung um sich selbst und um die Sonne. Er dreht sich unaufhörlich um sich und um den kleinen Saal, in dessen Mitte er sich bewegt, und muß sich sehr in Acht nehmen, daß er nicht die anderen Tänzer stößt. Keine seiner Bewegungen ist ihm freigegeben, und so ist es kein Wunder, wenn die französischen Walzertänzer den Puppen auf einer Drehorgel gleichen.^° Um einiges unverschämter agiert Franz Schuselka als zuständiger Journalist für das Wiener Raritäten-Cabinet mit humoristischer Beleuchtung, ebenfalls in der Theater zeitung: Ferner haben die Franzosen beim ersten Anblick die geheime Ursache aufgefunden, warum der deutsche Strauß so feurige und geistreiche Fantasien habe. Weil er nämlich kein so pausbackiges Mondgesicht hat, wie die Deutschen gewöhnlich^ Mehr als überheblich meint der Publizist sogleich darauf: Die Wiener brauchen nicht die Bestätigung der Ausländer, daß Strauß in seinem Fach genial, einzig und unerreicht dastehe. Sie kennen und verstehen ihn am besten, denn die holden Blu men seines Talentes sind empor geblühet aus dem warmen Herzen des Wiener Eebens.^^ Die Einbindung des Walzers in das Zeremoniell des Wiener Hofes als gesell schaftliches Repäsentationsinstrument und die Berufung von „Hofball-Musikdirek toren" haben mit dem Auftreten der genialen Musikerpersönlichkeiten Lanner und Auch im Biedermeier grassierte Judenfeindlichkeit in den verschiedensten Spielarten, allerdings war der rassische Antisemitismus noch unbekannt. Siehe Wolfram Tuschner, Die Karikatur des Wiener Biedermeier am Beispiel Hans-Jörgel, in: Karikaturen des Wiener Biedermeier, Ausstellungskatalog, Wels 1990, S. 16. R. O. Spazier, Strauß und der deutsche Walzer, in: Allgemeine Theaterzeitung und Originalblatt für Kunst, Literatur, Musik, Mode und geselliges Leben, hrsg. v. Adolf Bäuerle, 31. Jg., Nr. 31, Wien 1838, S. 129. ^ R. O. Spazier, a.a.O., Nr. 35, S. 145f. " R. O. Spazier, a.a.O., Nr. 12, S. 45. " R. O. Spazier, a.a.O.
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