OÖ. Heimatblätter 1992, 46. Jahrgang, Heft 2

„Johann-Strauß-Bücher"® - stammt das Bonmot: Es geht in Wien sehr selten um die Sache und fast immer über die Person.^ Dieser Satz - mag er auch in einem anderen Zusam menhang gefallen sein - charakterisiert treffend die Handlungsschemen eines im Zeichen des „Walzer-Feuilletonismus" produzierten Bücherbergs. Diesem Uberange bot an musikalischer Belletristik hat sich in unserem Jahrhundert das „Wiener Musiksachbuch" hinzugesellt; verständlich, daß der Informationswert proportional zur Flut der Veröffentlichungen abnimmt und der Leser die aus dem gegenwärtigen Stand der Forschung resultierenden Erkenntnisse nur mehr in „homöopathischen" Dosen verabreicht bekommt. Auch für die ernsthafte Wissenschaft wird es immer schwieriger, die Spreu vom Weizen zu trennen, und es mag zu diesem Dilemma Max Schönherr zu Wort kommen. Bereits 1954 weist er anläßlich eines Nachworts auf die bedenkliche Situation hin: Die mannigfachen, bereits vorhandenen Biographien fan den nur insofern Berücksichtigung, als sie sich auf Tatsachen stützend Letztlich ist auch die sparsame und betont selektive Berücksichtigung allfälliger Quellen zu bedauern, wobei vergleichende Studien bislang kaum stattgefunden haben. Wenden wir uns nunmehr den „Linzer Tänzen" zu, so können wir feststellen, daß diese eindeuhgen Abkömmlinge des oberösterreichischen Landlers etwa ab 1800 bis nach der Jahrhundertwende förmlich als ein klingendes Markenzeichen der sogenannten „Linzer Geiger" gegolten haben. Als solche bezeichneten sich damals alle instrumentalen Volksmusikensembles Wiens, und schließlich wurden auch ihre Kapellmeister als „Linzer Geiger" tituliert, selbst wenn sie Einheimische waren. Kein Geringerer als Johann Schrammel hat ihnen und der Musikgattung mit seiner 1888 publizierten Sammlung Alte oesterreichische Volksmelodien ein Denkmal gesetzt. Sein Vorwort unter dem Titel Der Wiener Tanz stellt eine der raren Quellen für das dama lige Bewußtsein Wiens um seine engen musikalisch-verwandtschaftlichen Bande ins oberösterreichische Voralpenland dar. Schrammeis lapidare Feststellung der Wiener Tanz hat seinen Ursprung im Ländler^ wirkt umso überzeugender, als er sie durch die fol genden historischen Details untermauert und ergänzt: Die Leute tanzten zu dieser Musik und nach und nach wurde er edler [der Ländler], nämlich es wurde später nicht nur getanzt, son dern, wenn eine Nummer abgetanzt war, so winkte der Tänzer in der Hand eine Flasche Wein, und am Arme sein Dirndl (Tänzerin) den Musikanten ab, dies sollte das Zeichen sein, dass er nun der Musik etwas vorsingen werde, was man ihm nachspielen musste, wozu er dann weiter tanzte. Spä ter wurde die Musik-Capelle zum Tische gerufen, und was der Gast vorsang, wurde ihm begleitet und nachgespielt.'^ Lämmer veredelte diese Musik und nannte sie Deutsche. Strauss und Lanner ' Siehe Gottfried Heindl, Die Welt in der Nuß, Wien 1972, 5. 289. ' Norbert Rubey, In memoriam Hans Weigel, in: Die Fledermaus, Mitteilungen des Wiener Instituts für Strauß-Forschung, Nr, 3/91, Tutzing 1991, S. 6. ' Max Schönherr - Karl Reinöhl, Johann Strauß Vater. Ein Werkverzeichnis, 1. Bd., London 1954, S. 354. ® Johann Schrammel, „Alte oesterreichische Volksmelodien (Aus der Zeit der Jahre 1800-1860)", Wien 1888, S. 3. ' Auf diese Praxis zwischen Gästen und Instrumentalisten geht offenbar das spätere Natursängerwesen auf kommerzieller Basis der Schrammel-Ära zurück. Vgl. Carl Lorens, „Der Natursänger!", Extrablatt, 7. Juli 1895.

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