Von den Linzer Tänzen zum Wiener Walzer Landler - Deutsche - Harbe Tanz Von Wolfram Tuschner Die innige Verwandtschaft des Landlers mit allen Formen der wienerischen Volksmusik ist im Bewußtsein der Bevölkerung kaum verankert. Gerade seitens der „Berufenen" (Liebhaber, Ausübende, Forscher) wird der unterschiedlichen Musik gattung nicht selten ein unerklärliches Ausmaß an Aversion entgegengebracht, und ich konnte mehr als einmal beobachten, daß oberösterreichische Volksmusikfreunde Wiener Musik subjektiv als „aufdringlich", „schmierig" und „rührselig" empfinden, während das Wiener Lager die Vorfahren seiner Lieder und Tänze für „naiv", „plump" oder gar „primitiv" hält. Auslösendes Moment derlei Ressenäments und Vorurteile mag die Familienähnlichkeit sein, welche, einmal unbewußt wahrgenom men, oftmals ein Gefühl der Peinlichkeit freisetzt. Derartige Phänomene sind uns auch sonst nicht fremd; man denke nur an konträre politische oder religiöse Rich tungen, die sich umso vehementer befehden, desto mehr Gemeinsames in ihren Ideologien zutage tritt. Selbstverständlich blieb die Walzerforschung von kontroversiellen Einflüssen nicht unberührt, und wenn die bedeutendste Musik-Enzyklopädie des deutschsprachigen Raumes noch in ihrer jüngsten Ausgabe vermerkt: Der Ursprung des Walzers liegt noch stärker im dunklen, als es für gewöhnlich hei den bekanntesten Tänzen der Fall isG so ist das Informationsdefizit zwischen Oberösterreich und Wien an diesem gegenwärtigen Status nicht ganz unbeteiligt. Demgemäß weist die einschlägige Literatur prägnante landesspezifische Gharakteristika auf. So betritt der Musikwissenschaftler beim Studium obderennsischer Publikationen vorwiegend volkskundliches Terrain. Die Freude über eine Fülle wertvoller Forschungsergebnisse wird jedoch durch die Tatsache getrübt, daß er sich durch ein Beiwerk tendenziöser Phrasen hindurchzulesen hat. Beispielsweise beschließt der große Hans Gommenda seinen übrigens grandiosen Aufsatz „Der Landla" (1923) mit dem eindringlichen Appell: Es ist ja eine selbstverständliche Ehren pflicht jeder Heimatforschung, sich freizuhalten von Beschränktheit und Verbohrtheit [sie!] und bei aller liebevollen Versenkung in die Verhältnisse des teuren Fleckchens Erde, das wir Heimat nennen, doch offen und frei den Blick hinausschweifen zu lassen, hinaus über die Heimatgaue ins große, deutsche Vaterland} Auch seine Mitteilung, daß der 77 Jahre alte Pg. [= Parteigenosse] Felix Redhammer [...], während er zum Landlaspiel anstimmte, einem Herzschlag erlegen ist,^ entbehrt zwar jeder musikologischen Relevanz, führt uns aber dafür folgende Spezifität restriktiver Regime vor Augen: ein bezeichnendes Interesse am Brauch tum, das heißt, an der gemeinschaftlichen Freizeitgestaltung des einfachen Volkes. ' Mosco Carner, Etymologie und Herkunft des Walzers, in; MGG, Bd. 14, Kassel 1989, Sp. 223. ^ Hans Gommenda, Der Landla, in: Heimatgaue, 4. Jg., Linz 1923, S. 168. ' Hans Gommenda, Die Gebrauchsschriften der alten Landlageiger, in: Zeitschrift für Volkskunde, 48. Jg., Bd. 10, Heft 2, Berlin 1939, S. 182.
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