OÖ. Heimatblätter 1992, 46. Jahrgang, Heft 2

wende geworden, eine Lektüre, die es hinsichtlich aktueller Spannung und Schwung mit jeder gut redigierten Monatszeitschrift, an stichhaltiger Ergebnisfülle mit jeder fundierten wissenschaftli chen Abhandlung aufnehmen kann. Grund dafür ist der Umstand, daß 15 Fachreferenten über ihre langjährigen Spezialforschungen in knappster Form berichten. Worum es geht, skizziert György Györffy auf Seite 41: „Das mittlere Donaubecken kann zu den meistbewegten Gebieten des antiken und mittelalterlichen Europa gezählt werden. Es lag auf dem Weg der Völkerwanderungen und war dabei eine Vermittlungsstation materieller und geistiger Kulturgüter zwischen Westen und Osten, Norden und Süden. Dank seiner mannig faltigen geographischen Struktur konnten hier verschiedene Lebensweisen führende Völker eine Heimat finden, Ackerbauer ebenso wie Viehzüch ter der Steppen. Es entstand immer von neuem eine Symbiose zwischen den Zuwanderern ..." Dieses für Gesamteuropa bedeutungsvolle Wechselgeschiebe von Franken, Awaren, Bulga ren, Mährern, Ungarn und vielen anderen ist glei chermaßen der gemeinsame Nenner für die 15 Einzelarbeiten dieses Bandes, die von Fachleuten beigesteuert wurden, die in verschiedenen Front abschnitten der Gegenwartsforschung stehen. Da bei ist hervorzuheben, daß jeder von ihnen sich bemüht, trotz engster Konzentration seine Er kenntnisse bis in Nebendetails auszubreiten. Da bei kommen nicht nur frappierende Gesamt schauergebnisse ans Tageslicht, sondern vor allem und gleichsam in Nebensätzen als Randergeb nisse Tatsachen, die reihum die gesamte Kulturge schichte Europas in diesem bewegten Zeitalter ve hementer Völkerwanderung - als Vorbereitung späterer Gemeinschaftsbildungen - entscheidend befruchten. Von ostfränkischen Herrschaftskrei sen (Siegfried Haider: Zum Problem karolingischer Pfalzen in Oberösterreich - Fritz Felgen hauer: Ausgrabungen im Bereich des karolingischen Königshofes zu Attersee) bis zur staatlichen Entwicklung Bayerns (György Györffy: Der Do nauraum zwischen Bayern, Mähren und Ungarn im 10. Jahrhundert - Wilhelm Störmer: Ostfränki sche Herrschaftskrise und Herausforderung durch die Ungarn) und der Landnahme der Un garn (Heinrich Koller: Quellenlage und Stand der Forschung zur Landnahme der Ungarn aus der Sicht des Abendlandes - Lubomir E. Havlik: Mähren und die Ungarn am Ende des 9. und am Anfang des 10. Jahrhunderts) ist in diesen zu schriftlichen Elaboraten gereiften Vorträgen alles vertreten. Wenn es gestattet ist, beispielsweise aus der Fülle der überraschenden Einzelheiten eine her auszugreifen, so möchte ich darauf hinweisen, daß viele von uns die Balatongegend als Erho lungsgebiet schätzen. Aber Robert Müller (Ethni sche Verhältnisse in der Umgebung von Keszthely und Zalavär im 9. bis 10. Jahrhundert) weist nach, daß die Gegend um Keszthely dazumal ein tonan gebender und bewegter Siedlungsbereich war, der gleichermaßen ein Spiegelbild des angegebenen Großraumes genannt werden kann. Spricht man doch sogar von Keszthelyer Kultur (Seite 164). Sollte man als Heilquellenfanatiker von Heviz sich Zeit nehmen, im benachbarten Keszthely die Aus grabungsstätten von Fenepuszta und Zalavär, mit einem entsprechenden Balatonreiseführer in der Hand, aufzusuchen, so wird man bald enttäuscht Abstand nehmen von weiteren derartigen Exkur sionen, erstens weil solche Landschaftsführer der artige Kapitel recht oberflächlich vortragen und zweitens, weil man an Ort und Stelle vor einigen verwahrlosten und nichtssagenden Steinresten steht, die seit ihrer Einrichtung von niemandem weiter gepflegt und von den Einheimischen ver nachlässigt wurden. Fremdenverkehrsstellen sind eben an anderen Aspekten interessiert. Wie blü hen aber gerade solch einmalige Fundstellen auf, wenn sich ihrer Forscher annehmen, wie sie in die sem vierten Band des Österreichischen Arbeits kreises für Stadtgeschichtsforschung zu Wort kommen. Plötzlich zeigen Fenepuszta und Zalavär und andere Plätze in ihrer Umgebung in voller Tragweite die Ereignisse vergangener Jahrhun derte auf, den verworrenen, stets sich ändernden Ablauf einer Europa und Asien umfassenden Völ kerentwicklung. Wo viele andere sonst dienliche Quellen die Geschichtsforschung im Stich lassen, läßt die Puzzlearbeit der Archäologen überra schende Rückschlüsse zu. Was dieser in Linz ge druckte Band bietet, sind Ergebnisse jüngster mühsamer Arbeit am Objekt; für gewöhnlich nur einem kleinen Kreis von Fachleuten zugänglich; in diesem Fall durch geschickte Symposienregie all gemein zugänglich gemacht, dazu noch allge meinverständlich ausgebreitet. Es gibt in diesem von Katzinger und Marckhgott redigierten Band sogar Themenkreise von politischer Gegenwarts aktualität. Gerade wir in Österreich verfolgen mit Spannung den Gegensatz zwischen Tschechen und Slowaken und die dabei jeweils vorgebrach ten Argumente. Wer historische Klarheit in dieser

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