Es ist wiederum schwer zu sagen, wie Stifter im nächsten Satz zu seiner so unnachahmlichen Ausdrucksweise kommt; Ob die Gedanken, die ins Gemüt sin ken, aus dem Fall einer Tannenfrucht stammen, oder ob ihn die Gedanken auf den Fall bringen. Wie dem immer sei: Der Fall der Tannenfrucht, der kurze Schrei des Gei ers, die durch das Gemüt sinkenden Gedanken bilden zusammen wieder jene wun derbare seelisch-biologische Einheit, die uns als Erscheinung zu einem Teil der gro ßen Erscheinungswelt macht, die aber gleichzeitig diese ganze Erscheinungswelt als eine Erkenntnisordnung darstellt, die von unserem Ich gebildet wurde. Denn der Dichter ist es ja, der diese Gesamtheit erkenntnismäßig zusammenordnet, der aus den vielen Einzelvorstellungen eine Einheit schafft, sie als solche aus dem steten, ununterbrochenen Erscheinungsband des Weltalls heraushebt. Der Ausdruck von den Gedanken, die durch das Gemüt sinken, verdiente eine län gere Durchforschung, eine eingehendere Untersuchung in fiinsicht auf die seeli schen Erscheinungen, die ihm zugrunde liegen. Es handelt sich um Vorstellungen, die aus Eigenimpuls aus dem Unterbewußtsein ins Oberbewußtsein steigen, und zwar in einer gewissen Wahrnehmbarkeit, von uns gleichsam beobachtet, weil die große Ruhe der Umgebung uns davor bewahrt, unsere Aufmerksamkeit zu zersplit tern. Wir können daher in solchen Augenblicken oder Stunden gleichsam jede Vor stellungskette als unbeteiligter Beobachter in uns oder vor uns ablaufen lassen und auf die nächste warten. Oder auch: Die große Ruhe, die uns umgibt, die Einheitlich keit der Gesichtswahrnehmungen, wenn unser Auge auf die Gleichförmigkeit des Seespiegels oder auf die grauen Wandflächen und grünen Föhrenflächen gerichtet ist, das Fehlen deutlicher Gehörwahrnehmungen, das Fehlen vor allem auch eines Gesprächsteilnehmers, der unsere eigene Vorstellungskette immer wieder zerreißt, das alles versetzt uns eben in jenen Zustand einer besonderen Beschaulichkeit, der es uns erlaubt, uns ganz besonders mit unseren eigenen seelischen Erscheinungen zu beschäftigen. Im nächsten, kurzen Abschnitt führt diese Rückführung der äußeren Erschei nungen auf unser eigenes seelisches Leben zu einer weiteren Steigerung. Die Natur wird hier geradezu ein Körperteil von uns, eine seelisch-biologische Fortsetzung unser selbst, ein Auge mit Stirn und Brauen, mit Wimpern und Tränen. Dieser Vergleich bildet die fiöchstleistung jener Zusammenfassung von Außenwelt und Innenwelt, die der Geist, das Ich, die Person des Dichters zuwege brachte, die völlige Einverleibung dieses Stückes Außenwelt in unser Bewußtsein. Und damit nimmt der Dichter von dieser seiner Höchstleistung Abschied, gleichsam wie ein Kind, das aus seinem Spielzeug die höchste Lustwirkung heraus geholt hat und es nun abseits legt. Im nächsten Absatz geht er zur Beschreibung der weiteren Umgehung über, mit einer leisen Fortführung der Vermenschlichung: Die Wälder führen Talkrümmen, schieben Felsenwände, unterbreiten Waldwiesen."
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