OÖ. Heimatblätter 1992, 46. Jahrgang, Heft 1

Rings um diesen See, vorzüglich gegen Bayern ab, liegen schwere Wälder, manche nie besuchte einsame Talkrümme samt ihren Bächlein zwischen den breiten Rücken führend, manche Felsenwand schiebend mit den tausend an der Sonne glän zenden Flittern, und manche Waldwiese dem Tagesglanze unterbreitend einen schimmernden Versammlungssaal des mannigfachsten Wildes." Karl Lugmayer analysiert nun diesen Abschnitt aus dem „Hochwald" und bringt dabei in knapper Form die Grundzüge seiner Philosophie der Person zum Ausdruck:" „Wir schätzen an diesem Stück die unglaubliche Bildsamkeit, die Einfühlungs kraft, die Ausgeglichenheit, den wunderbaren sprachlichen Wellengang. Wer selbst jenen Plöckensteinersee gesehen hat, muß zugeben, daß der Gefühlsgehalt, den Stifter aus der Betrachtung herausholt, derselbe ist, den wir empfinden, oder aber: Daß uns die Schilderung Stifters dazu anleitet, uns diesen Gefühlsgehalt bewußt zu machen. Wer ihn noch nicht gesehen hat, bei dem wächst die Sehnsucht nach ihm. Insofern kann man Stifter wohl den Entdecker des Böhmerwaldes nennen. Er hatte große Erfolge etwa um 1840 und 1850, geriet dann in Vergessenheit und wurde erst durch Nietz sche für die Gegenwart wieder entdeckt: Wir können uns nicht erinnern, daß Grillparzer sich mit ihm beschäftigt hätte. Kaum je erscheint ein Dichter sosehr als Aus druck der Landschaft wie Stifter. Seit Jahrzehnten dürfte es nicht viele Besucher des Böhmerwaldes, im besonderen der Dreiländerecke am Dreisesselberg und Plöckenstein geben, die nicht an Stifter denken, wenn sie jene dunklen Wälder durchwan dern, auch wenn sie nicht durch den einfachen Obelisk an ihn gemahnt würden, der ihm auf jenem mächhgen Granitgiebel errichtet wurde. Gerade diese Schilderung zeigt aber auch die Aufgabe, die gesellschaftliche Funkhon, des Dichters. Ihm gelingt es, Vorstellungsreihen aus dem Unterbewußtsein voll ins Bewußtsein zu bringen, im Gegensatz zum dichterisch nicht Begabten, bei dem sich aus den Wahrnehmungen wohl ebenfalls Erinnerungsvorstellungen im Unterbewußt sein ablagern, ohne aber jene mächhge Verknüpfung zu erhalten, die nun ins Ober bewußtsein drängt und hier vom Geist geordnet wird. Der Dichter leistet diese Ord nung an unser Statt, nimmt uns eine Arbeit ab, die wir nicht zustandebringen, weil es uns an dieser Begabung fehlt, an diesem Reichtum von Vorstellungen einerseits und der Schmiegsamkeit der Vorstellungsverbindungen andererseits. Er vermehrt also nicht nur unsere Vorstellungswelt, er ordnet sie auch für uns und in uns. Versuchen wir, festzustellen, in welcher Weise er diese Ordnung vornimmt, welche Mittel des Ordnens er anwendet. Es ist vor allem das Mittel der betonten Wiederholung, der wiederholten Wiedergabe eines und desselben Gedankens durch verschiedene Bilder. Es werden nicht die Ausdrücke wiederholt, sondern es wird eine Vorstellung, eine Gefühlslage, eine Stimmung durch immer neue Bilder, durch immer neue Wortfügungen immer schärfer umrissen. Karl Lugmayer, Rede und Schrift. Wien 1953, S. 133-137.

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