OÖ. Heimatblätter 1992, 46. Jahrgang, Heft 1

sehen Arbeitervereins. Die Geistlichen der Gemeinden Kirchberg und Niederkappel verbündeten sich, um gemeinsam mit der Fabrikleitung die Arbeiter der Papier fabrik gegen den Einfluß sozialdemokratischen Gedankengutes aus den nahen Indu striestädten Linz und Steyr zu immunisieren. Meldungen über die Versammlungen der folgenden Jahre ähneln sich. Feindbilder blieben „Socibuben und mauschelnde Juden". Abwechselnd oder gemeinsam betreuten die Geistlichen der Gemeinden Kirchberg und Niederkappel die Zusammenkünfte. Zum Schutzpatron wurde der hl. Joseph gewählt, obwohl sich zwei berufsspezifische Heilige^' anboten: Papierfabrikanten, Pappenmacher - Johannes Evangelist, Papiermüller - Johannes von Gott. Vielleicht war der Grund, daß der hl. Joseph durcli seinen Umgang mit dem Rohstoff Holz bei den Papierma chern zur Wahl als Schutzpatron führte. Außerdem gilt der hl. Joseph als Helfer in allen Nöten. Nach einem Jahr zählte der KAV 70 Mitglieder, das Lehnersche Gasthaus war zu klein geworden. Es gab eine „reiche Bücherei" und eine „annehmbare Gassabarschaft", um kranke Mitglieder aus der Vereinskasse zu unterstützen. Eine „edle Familie in der Ferne" spendete eine Fahne. Bei der Weihe am 30. Juni 1901 dankte man den „edelsinnigen Fahneneltern". Um möglichst vielen Gästen die Teilnahme an dieser Feier möglich zu machen, erhielten katholische Ver eine 50 Prozent Fahrpreisermäßigung in der II. Klasse des Postschiffes. Es erschienen 17 Vereine mit Fahnen in dem aufs „Schönste und Lieblichste" geschmückten Ober mühl. Die Feldmesse fand bei „herrlichstem" Wetter statt, und abends „sorgte die löbliche Fabrikdirection für prachtvolles Feuerwerk auf der Mühlbrücke". Die Fahne wurde Identifikationsobjekt des KAV, man scharte sich um sie. An Kaisers Geburts tag veranstaltete der KAV einen Ausflug nach Neufelden. Die Fabrik hatte „1 Gala wagen und 1 Mannschaftswagen" bereitgestellt. Mit der Bahn traf die Familie Scherzi, Stifter der Fahne, ein, „was die Arbeiter mit unbeschreiblicher Freude erfüllte". Ein Arbeiter sprach den „geziemenden" Dank aus. Im Oktober war man sich bei der Versammlung (19. Oktober 1901) einig; Zweck des Vereins ist es, das Glück der Arbeiter zu begründen. Am 1. Februar 1902 fand die jährliche Generalversammlung statt. Die „Mühlviertier Nachrichten" berichteten, daß sich in der Kasse 50 Kronen befinden und in der Sterbeumlage 130 Kronen. Der Beitrag wurde von 24 auf 20 Heller herab gesetzt und die Krankenunterstützung von 60 Heller auf eine Krone erhöht. Man plante, wenn möglich, eine Arbeitslosenunterstützung einzuführen. Die beiden Geistlichen, die den KAV nie ohne ihren Rat ließen, Pfarrer Sigl und Kooperator Gruber, wurden Ehrenmitglieder, und außerdem sandte man Grüße an den kürzlich gegründeten KAV Neufelden. So bildete der Katholische Arbeiterverein im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts ein wackeres Bollwerk gegen die „rothe Wahrheit" und „socialdemokratische Umtriebe". Kerler, S. 264.

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