OÖ. Heimatblätter 1992, 46. Jahrgang, Heft 1

Erst Karl Nemeth bekam das Werk wieder in den Griff und steuerte es ohne größeren Schaden durch die Weltwirtschaftskrise von 1929/30. Nemeth hat 1928^'' eine Geschichte der Fabrik geschrieben. Das Manuskript wurde nie gedruckt und ist verschollen. Er leitete das Werk 17 Jahre, von 1924 bis 1941. Im letzten Jahr seiner Tätigkeit lernte ihn Elfriede Wakolbinger kennen. Sie trat als kaufmännischer Lehr ling ein und erinnert sich, daß sie „einen heiligen Respekt" vor ihm hatte. Viel mehr wissen wir nicht über Karl Nemeth. Er muß ein tüchtiger „Manager" gewesen sein, denn zur Leitung der Fabrik gehörte die Fähigkeit, mit dem Eigentümer Länderbank und ihren Direktoren umgehen zu können. Nemeth verdankt das Werk die großen Käufe von Grundstücken und Wasserrechten in den zwanziger Jahren und die bedeutenden Investitionen an Bauten und technischen Einrichtungen. Unter seiner Leitung erreichte das Werk seine größte Ausdehnung. Der Käufer des Werkes im Jahr 1941, Dr. Peter Reinhold, wirkte stets „sehr distanziert" und kam nur selten nach Obermühl, obwohl er im nahen Rannariedl bis Kriegsende wohnte. Reinhold war 1920 und 1924/26 sächsischer Finanzminister gewesen, 1926/27 deutscher Finanzminister in einer der häufig wechselnden Reichs regierungen. Im Jahr 1933 ging er in die Privatwirtschaft. Reinhold gehörte eine der ältesten deutschen Papierfabriken, Cröllwitz bei Halle in Sachsen. Er mußte sie 1940 schließen. Zum Ausgleich kaufte er die Papierfabrik Obermühl und nannte sie „Papier fabrik Cröllwitz-Obermühl Ges. m. b. H.". Der Kaufpreis betrug 600.000 Reichsmark. Kurz darauf erwarb Reinhold die Burg Rannariedl mit 600 Hektar Forst- und Landwirtschaft und machte sie neben Berlin-Dahlem zu seinem Wohnsitz. Reinhold besaß außerdem vier Papierfabriken im Erzgebirge und war an schlesischen Kohle gruben beteiligt. Der Erbe von Dr. Reinhold, sein Sohn Lukas, zeigte nach Erinnerungen noch lebender Mitarbeiter ein von Unsicherheit geprägtes Verhalten. Die Fabrik betrat er so gut wie nie, sondern war fast ausschließlich in der Verwaltung anzutreffen. Er lei tete das Werk mit einem Generaldirektor und zwei Direktoren sowie über zwanzig Angestellten. Seine Witwe erinnert sich: „Er war zu gut für die Leute, die ihn umga ben." Nach nur fünf Jahren endete seine Tätigkeit bereits 1962 mit einem Ausgleich des Unternehmens, dem zwei Jahre später der Konkurs folgte. Danach führte eine Pachtgesellschaft das Werk weiter. Für kurze Zeit wurde Karl Nemeth noch einmal zum Direktor ernannt. Der nächste Direktor, Dr. Helmut Wegscheider, verfaßte 1966 eine Jubiläumsschrift zum 100jährigen Bestehen des Werkes. Aber die Jahreszahl 1866 als Beginn des Unternehmens kann nirgendwo urkundlich belegt werden. Entweder wäre 1865 zu nennen, als C. G. Müller Pürnstein und die Waldungen kaufte, oder 1869, als die A-Schleiferei den Betrieb eröffne te.^^ Für das Jubiläum einer Fabrik scheint das Jahr des Betriebsbeginns sachlich gerechtfertigt. Zeman, S. 229. Siehe Grundbuch, Gerichtsbezirk Lembach, Katastralgemeinde Niederkappel, Eintragung vom 5. Jänner 1869 betr. Papierstoffabrik Nr. 23, Wohnhaus Nr. 24, Postzahl 1, Katasterzahl 129/2 Bauareal.

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