Weitere 35 Jahre vergingen bis zur nächsten Beschleunigung der Geschäfts nachrichten. Chefsekretärin Elfriede Wakolbinger erinnert sich: „Damals mußte ich dem Direktor oft drei bis vier dicke Mappen mit der Tagespost zur Unterschrift vor legen. Als im Frühjahr 1956 endlich der Fernschreiber kam, war es damit zum Glück vorbei. Die meisten Nachrichten haben wir sofort per Telex getippt und mußten keine langen förmlichen Briefe mehr schreiben." Seit 1989 hat Telefax, der Fernkopierer, Telex, den Fernschreiber, arbeitslos gemacht. Er wurde per 31. August 1990 abgemeldet, jetzt wird nur noch gefaxt. Produkte Die Schleiferei, mit der die Firma G. G. Müller ihre Tätigkeit 1869 begann, erzeugte Holzschliff. Holzfachmann Müller wußte, daß die Weiterverarbeitung die ses Stoffes mehr Gewinn abwirft als der Verkauf. In der 1873 errichteten Papierfa brik stellte er zuerst Braunpappe her, ebenso braunes Packpapier. Dazu kamen bald Schreib- und Zeichenpapiere, die in ihrer Qualität dem früher handgeschöpften Büt tenpapier entsprochen haben sollen. Diese hochwertigen Papiersorten entstanden aus gebleichten Rohstoffen und wurden in großer Auswahl produziert. Es war wohl nach dem Ersten Weltkrieg, als die Herstellung von Zeitungsrotationspapier begonnen wurde. Obwohl das Produkt schon in den dreißiger Jahren durch den Preiskampf unrentabel war, fertigte das Werk Rotationspapier noch bis 1960. In der Zeit des letzten Krieges stellte Dr. Reinhold neue Erzeugnisse vor: far bige Schreib- und Druckpapiere, auch für Plakate und Briefumschläge geeignet. Außerdem wurde die Fertigung von Zellulosepackpapier und Zellbastpapier aufge nommen. Ferner begann er mit der Verarbeitung von Papier, um Schulhefte herzu stellen. In der Notzeit nach Kriegsende bestanden Pläne, die Produktion auf andere Erzeugnisse auszuweiten. Im Oktober 1946 beantragte die Firma bei der Bezirks hauptmannschaft, Backpulver herstellen zu dürfen: „...die Erzeugung dieses Arti kels ist sehr einfach: es wird Dinatriumphosphat fein gemahlen, mit Kartoffelstärke mehl und Speisesoda gemischt und von Hand aus verpackt..." Der Bezirk zeigte sich nicht sehr angetan von diesem Plan, noch weniger davon, Knochenöl und Kno chenleim herzustellen. Er untersagte das Vorhaben unter Hinweis auf krankheitsübertragende Fliegen. Backpulver wurde trotzdem hergestellt, auch Kinderbaukä sten, Holzkohle und Ziegel im „trockenem Jahr" 1947, als es bis November keine Wasserenergie gab. Die sowjetische Verwaltung schaffte Maschinen für die Herstellung von liniertem und kariertem Papier an, um daraus Schulhefte in großem Umfang herzu stellen. Bis zu 70 Frauen waren damit beschäftigt, zeitweise monatlich eine Million Hefte für die Sowjetunion zu erzeugen. Eine Frau durfte also nicht viel mehr als 70 Sekunden benötigen, um ein Schulheft herzustellen.
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