OÖ. Heimatblätter 1992, 46. Jahrgang, Heft 1

„Russenzeit" und USIA Im Frühjahr 1945 besetzten sowjetische Truppen das Mühlviertel. Vom April 1946 bis zum Abschluß des Staats Vertrages 1955 blieb die Papierfabrik im USIAKonzern® unter sowjetischer Verwaltung. Grund für die Beschlagnahme war die deutsche Staatsangehörigkeit von Dr. Reinhold. Während ab 1945 persönliche Erinnerungen früherer Mitarbeiter der Fabrik die schriftlichen Dokumente ergänzen, verschwanden während der fremden Verwal tung alle Archivunterlagen. Wahrscheinlich wurden sie an die USIA-Zentrale Wien weitergereicht und wanderten von dort in die UdSSR. Der erste sowjetische Generaldirektor, Kapitän Lugawoj, übernahm im April 1946 die Leitung der Firma.* Deutsche Angestellte arbeiteten als Dolmetscher zwi schen sowjetischer Geschäftsleitung und einheimischer Belegschaft. Uberdurch schnittlich viel Holz ließ die Besatzung aus den Waldungen der Fabrik schlagen. Es wurde nicht am Ort verarbeitet, sondern per Schiff abtransportiert Die großen Lie ferungen an Papier und Fertigerzeugnissen, die in die UdSSR gingen, wurden über die USIA abgerechnet. Die sowjetische Direktion veranlaßte verschiedene Investitionen in den Bereichen Bauten und Technik. Sie waren bei weitem nicht ausreichend, um die zwangsläufigen Versäumnisse der Kriegszeit und Nachkriegszeit auszugleichen oder gar die Vorsprünge anderer österreichischer Papierhersteller einzuholen. So belasteten die teilweise sehr rückständige technische Ausstattung und veraltete Bauten, aber auch erhebliche Schulden das Unternehmen, als es 1955 von der sowjetischen Verwaltung in die Treuhänderschaft des österreichischen Staates gegeben wurde. Zeman berichtet:® „Rotweißrote Fahnen und die Betriebsblaskapelle begrüßten die Herren der öffentlichen Verwaltung (...). In einer kurzen Feierstunde wurde dann der Betrieb vom letzten russischen Generaldirektor Kaschunin an die (...) Herren der österreichischen Regierung (leider aber mit bedeutenden Schulden) übergeben. Hiermit ist die nun fast einhundert Jahre alte Fabrik nach fast zehnjähri ger Beschlagnahme wieder frei und österreichisch geworden." Reinhold-Söhne Nach der Rückgabe der Papierfabrik im Jahr 1955 an den österreichischen Staat betrieben die Söhne des Eigentümers Dr. Peter Reinhold erfolgreich die Rück gabe an ihre Familie. Der Senior verstarb am 1. April 1955 in Italien auf der Insel Capri. Erben waren seine Söhne Lukas Qahrgang 1918) und Dr. Peter Reinhold Qahrgang 1928). ® USIA oder USIWA = Abkürzung für Uprawlenije Sowjetskowo Imushtschestwa w Awstrü = Verwal tung des sowjetischen Besitzes in Österreich, ca. 300 Industriebetriebe. Elfriede Wakolbinger, Obermühl, erinnert sich, daß es in neun Jahren insgesamt sechs Generaldirek toren gab: Lugawoj, Sosnowzew, Ossipow, Tarassow, Klutschew, Kaschunin. ' Hinweis Ing. Julius Frey, Obermühl, Betriebsingenieur der Papierfabrik. ' Zeman, S. 232.

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