OÖ. Heimatblätter 1992, 46. Jahrgang, Heft 1

OBEROSTERREICHISCHE 46. Jahrgang Herausgegeben vom Institut für Volkskultur Heft 1 Helga Litschel Bauern - Unser Leben, unsere Zukunft / Zur oö. Landesausstellung 1992 3 Charlotte Dürnberger Bevölkerungsentwicklung im Bezirk Rohrbach 8 Friedrich Bertlwieser Agrarstrukturwandel im oberen Mühlviertel 20 Kurt Cerwenka Das Hungerjahr 1919 34 Fritz lAfinkler Die Entwicklung des interkulturellen Zusammenlebens an der böhmischen Grenze im Bezirk Rohrbach 41 Rupert Gottfried Frieberger O. Praem. Die Musikpflege im Praemonstratenser-Chorherrenstift von 1946 bis 1969 Ein Beitrag zur Musik- und Liturgiegeschichte der Abtei 60 Franz Lugmayer Karl Lugmayer über Adalbert Stifter Von Schwarzenberg zum Plöckensteiner See 90 Hans Falkenberg Papierfabrik Obermühl Industriekultur im Mühlviertel - Unternehmensgeschichte, Technik, Menschen 99 Günther Kleinhanns Burgruine Haichenbach - Entstehen und Bestehen eines Kulturdenkmals 143 Buchbesprechungen

Medieninhaber: Land Oberösterreich Herausgeber: Institut für Volkskultur Leiter: .W Hofrat Dr. Dietmar Assmann Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexem plare) und Bestellungen sind zu richten an den Schriftleiter der OÖ. Heimatblätter: Dr. Alexander Jalkotzy, Institut für Volkskultur, 4020 Linz, Spittelwiese 4 (Kulturabteilung der oö. Landesregierung, Tel. 0 73 2/2720-0) Jahresabonnement (4 Hefte) S 190,- (inkl. 10% MwSt.) Hersteller: Druckerei Rudolf Trauner Ges.m.b.H., 4020 Linz, Köglstraße 14 Grafische Gestaltung: Mag. art. Herwig Berger, Rosenstraße 14, 4040 Linz Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich Alle Rechte vorbehalten Für unverlangt eingesandte Manuskripte über nimmt die Schriftleitung keine Haftung ISBN 3-85393-059-1 Mitarbeiter: Kurt Cerwenka, Jägerzeile 6, 4210 Gallneukirchen Dr. Friedrich Bertlwieser, Bründlberg 5, 4170 Haslach TAR Charlotte Dürnberger, Abt. Statistischer Dienst, Kärntnerstraße 16, 4020 Linz Hans Falkenberg, Wacholderweg 8, DW-8540 Schwabach Dr. Rupert Gottfried Frieberger, O. Praem., Stift Schlägt, 4160 Aigen i. Mühlkreis Dipl.-Ing. Günther Kleinhanns, Teistlergutstraße 20, 4040 Linz Prof. Helga Litschel, Kulturabteilung, Spittelwiese 4, 4020 Linz OSR Franz Lugmayer, Konsulent der oö. Landesregierung, 4463 Großraming 142 BSI Prof. Fritz Winkler, Konsulent der oö. Landesregierung, 4191 Schönegg 4 Ausschnitt aus der Kartenbeilage (1826) zum Band „Der Mühlkreis" - Geschichte, Geographie und Stabstik des Erzherzogtums Osterreich ob der Enns von Benedikt Pillwein.

Bauern - Unser Leben, unsere Zukunft Zur oberösterreichischen Landesausstellung 1992 Von Helga Litschel D ie oberösterreichische Landesausstellung des Jahres 1992 findet im obe ren Mühlviertel, in Schlägl statt, das durch sein Stift der Praemonstratenser Chor herren, die „Weißen Herren", weitum bekannt ist. Mit dem Stift ist die Landesaus stellung allerdings hauptsächlich dadurch verbunden, daß in seinen Räumen eine exquisite und vornehm gestaltete Darstellung über das Wesen und Wirken der Abtei eingerichtet ist, die die Landesausstellung begleitet und mit deren Eintritts karte kostenlos besichtigt werden kann. Die eigentliche Landesausstellung steht unter dem Titel „Bauern - Unser Leben, unsere Zukunft" und paßt schon dem Thema nach vorzüglich in den ehema ligen Stiftsmeierhof, dem Kloster gegenüber gelegen. Der mächtige Bau wurde in monate-, ja fast jahrelanger Arbeit von Grund auf saniert, bis er sowohl für die Aus stellung als auch für eine sinnvolle spätere Nutzung als optimal gelten konnte. Die Landesbaudirektion hat diese Aufgabe mit gewohnter Gründlichkeit und mit dem schon seit Jahren bewiesenen Einfühlungsvermögen gelöst. Das machte es dem Ausstellungsarchitekten Hans Hoffer, Wien, - den Ober österreichern durch seine Gestaltung der Steyrer Landesausstellung „Arbeit - Mensch - Maschine" im Wehrgraben sowie durch die Inszenierung der Oper „Salome" im Linzer Brucknerhaus noch in bester Erinnerung - leicht, seine originel len Ideen in die Tat umzusetzen. Das Konzept für die Inhalte der Ausstellung erarbeitete Univ.-Prof. Dr. Karl Brunner vom Institut für österreichische Geschichtsforschung - ein geborener Mühlviertier, der sich immer noch eng mit den Wurzeln seines Herkommens ver bunden fühlt - mit seinem Team von überaus engagierten Mitarbeitern. Daraus resultiert nun eine Schau, wie sie an- und aufregender kaum vorstellbar ist und die Bauern wie Städter gleichermaßen anspricht und Besucher jeden Standes und Alters zum Nachdenken zwingt. Übereinstimmend mit dem Untertitel „Unser Leben, unsere Zukunft" steht der Mensch im Mittelpunkt allen Geschehens. Das führt zu den Fragen: „Woher kom men wir?", „Wohin gehen wir?". Was hier so einfach ausgedrückt wird, entpuppt sich bei näherem Betrachten als ungemein komplexes Problem. Schon im ersten Raum wird der Besucher in den Ablauf der Natur eingebunden: Wo verläuft der richtige Weg? Wie findet der Mensch aus den „Sackgassen" seines Irrens? Wie empfinden

wir Raum und Zeit? Vieles vollzieht sich für unsere Vorstellungskraft zu langsam oder zu schnell, erscheint uns zu nah oder zu fern, als daß wir die Naturvorgänge richtig zu erfassen vermögen. Zeitraffer und Zeitlupe sollen uns helfen, den Ablauf von Naturvorgängen besser zu verstehen. Damit sind wir beim Thema des ersten Ausstellungsraumes: Wovon lebt der Mensch? Ausgehend vom Bibelwort „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein", sind hier Texte und Porträts einander gegenübergestellt, die auf die Vorurteile der Men schen anspielen. Daneben findet sich die Menge dessen, was eine Person im Laufe eines Monats konsumiert, szenarisch arrangiert. Daß es sich dabei nicht nur um „Über-Lebens-Mittel" handelt, macht ein anschließender Raum mit zwölf Schütt kegeln deutlich. Die nächsten Zimmer und Kammern bringen uns das bäuerliche Leben in Raum und Zeit nahe. Die Kammern der Wöchnerin und der Dienstboten, die Austragsstube und eine Stube mit Aufbahrungsszene versinnbildlichen das Lebensalter von der Geburt bis zum Tod; Werkstatt, Spinnstube, Speiskammer und Küche machen die Arbeit von Mann und Frau für den gesamten Hausstand deutlich. Dieser Geschlossenheit des bäuerlichen Lebenskreises wird der Besucher jedoch abrupt entrissen, wenn er im anschließenden „Labyrinth des Lebens" mit der Tatsache konfrontiert wird, daß der Bauer als Teil der Schöpfung in diese eingebun den und ihr ausgeliefert ist. Das Individuum findet sich inmitten von „Plagen", seien es die des Alten Testaments, des Mittelalters oder unserer technisch-chemisch orien tierten Zeit. Als Reaktion suchten und suchen wir nach Schuldigen: Hexen, Juden, Kapitalismus, Industrie... In der Folge erlangt der Betrachter - aufgerüttelt durch die Fragen und Pro bleme, denen er sich gegenübergestellt sah - Kenntnis von den Kreisläufen in der Natur. Durch Zylinder und Verbindungsgänge geleitet, taucht er gleichsam in die ihn umgebende Natur ein und erfährt hautnah die Vernetzung von Luft, Wasser, Boden und Energie. Auch die Kreisläufe der Sozialgeschichte sind zentrales Anliegen der ober österreichischen Landesausstellung „Bauern - Unser Leben, unsere Zukunft". Es werden die Prinzipien des Zusammenlebens auf der Grundlage agrarischer Produk tion durch die Zeiten von der Urgeschichte bis zur Gegenwart dargestellt. Der Besu cher kann sich mit den verschiedenen Formen der Nahrungsbeschaffung vom neolithischen Sammler und Jäger über die Anfänge von Bodenbearbeitung und Vieh zucht bis herauf in unsere Tage mit den Problemen der jeweiligen Gesellschafts struktur vertraut machen. Als besonderer Anziehungspunkt gelten eine begehbare Hütte aus der Jungsteinzeit und die Dokumentation einer archäologischen Grabung. Der größte Ausstellungsraum ist die mächtige Scheune des ehemaligen Stiftsmeierhofes. Sie nimmt eine ganze Seite des Gevierts ein. Ihr Dachgebälk - her vorragend restauriert - gibt ihr eine unnachahmliche Atmosphäre, und ihre Breite sowie die riesigen Scheunentore bieten reichlich Platz für große Objekte wie Trakto ren, Dreschmaschinen und andere land- und forstwirtschaftliche Geräte, vom Beginn der Technisierung in der Landwirtschaft bis zum heutigen Stand mit Aus-

^ Ehemaliger Stiftsmeierhof in -} Schlägt (Ausstellungsgehäude). n Foto: Gerhard Aigner blicken in die Zukunft. Dazu dient auch eine Großbildprojektionsfläche, auf der aktuelle Daten von einer Satellitenübertragung mit eingeblendeten Bildern zum Thema aufscheinen. Als Kontrast bieten sich Ausblicke durch die geöffneten Scheu nentore auf die Landschaft des nordöstlichen Mühlviertels an. Dann geht es ins Freie: Auf einem weiten Gelände erlebt der Besucher „das Land" hautnah. Die ver schiedensten Biotope, alte und neue Anbauweisen laden ein zum Spüren, Riechen, Betasten und selbst Handanlegen. Um Landschaft geht es auch in der weiteren Folge, allerdings um Landschaft in der Kunst. Hier kommt der Liebhaber schöner Zeichnungen und Gemälde voll und ganz auf seine Rechnung. Unter den vier Hauptthemen „Der Traum vom Para dies", „Gezähmte Natur", „Eine Kunstgattung emanzipiert sich" und „Zwischen Anklage und Verklärung" entwickelt sich die ganze Palette dieser meist unterbewer teten Kunstgattung. Der Bogen spannt sich hiebei von Werken aus der Gotik und Renaissance über die Meister des Barock, über Ferdinand Georg Waldmüller, Johann Baptist Reiter und Adalbert Stifter bis zu Künstlern unseres Jahrhunderts,

■s liM; Pftil Freigelände mit neolilhischem Flechtzaun. Foto: Gerhard Aigner unter denen Albin Egger-Lienz, Gustav Klimt und Franz von Zülow nicht fehlen, bis zu Meistern der Gegenwart wie Ernst Weiler, Arik Brauer und Johann Jascha. Aufge lockert wird die Kunstsammlung durch passende Zitate und Musik von Vivaldi, Händel und Joseph Haydn. Nach einem Gang durch eine „Bauernbibliothek" holen Gegenwart und Zukunft den Besucher wieder ein: Bestehende und mögliche Konflikte, die aus ihnen erwachsenden Mechanismen und Lösungsvorschläge bestimmen das Thema. Es werden Bewirtschaftungs- und Sozialformen aufgezeigt und die damit zusam menhängenden politischen Entscheidungen. Historische Beispiele von Konflikten und deren Lösungen dienen als Muster für das Bewältigen gegenwärtiger Krisen. Der Besucher wird zum kritischen Denken angeregt, wozu er in der Thematik „Auf brüche und Grenzen" reichlich Gelegenheit hat. Denn ist er erst einmal durch die „Schleuse" der Entscheidung gegangen, merkt er, daß bestimmte Folgen daraus unabwendbar sind. Hier erweist sich, ob er in Richtung „glückliches Schwein" oder „Turbokuh" unterwegs war. Folgerichtig endet der Gang durch die Ausstellung in einem Raum, der dem Interessierten Gelegenheit gibt, seine eigenen Erfahrungen und Meinungen zum Ausdruck zu bringen. Harmonischer Ausklang: In einem der Schau angeschlossenen Wirtshaus ist für das leibliche Wohl gesorgt und für angeregte Diskussion in gemütlicher Umge bung.

Apropos Umgebung: Die Landschaft des oberen Mühlviertels und seine Menschen sind - wenn man will - in die Ausstellung integriert. Dafür sorgen nicht nur das Freigelände und ein im Hof des Vierkanters untergebrachter „Bauernmarkt", in dem Bioprodukte feilgeboten werden, dafür sorgen auch diverse „Außenstellen" mit naturbelassenen Biotopen, Wander- und Radwege und „Erlebnisstraßen" zu Bauernhöfen mit biologischer Landwirtschaft, zu Betrieben, in denen nach altherge brachter Sitte Handwerk ausgeübt wird, zu Kunst- und Kulturdenkmälern, zu Museen und ähnlichem.

Bevölkerungsentwicklung im Bezirk Rohrbach Von Charlotte Dürnberger Zum Zeitpunkt der ersten Volkszählung im Jahr 1869 hatte der Bezirk Rohr bach bereits 56.555' Einwohner. Das war ein Stand, der der gegenwärtigen Einwoh nerzahl bereits sehr nahe kam (1991: 57.164^ Einwohner). Bis 1880 stieg die Zahl noch etwas an (1880: 56.672 Einwohner), sank dann aber, bis 1923 mit 50.174 Ein wohnern der bisherige Tiefststand erreicht war. Von 1910 bis 1961 schwankte die Einwohnerzahl zwischen 50.000 und 52.000. In den nächsten 30 Jahren erhöhte sich die Einwohnerzahl Rohrbachs um ein Zehntel bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Tab. 1: Einwohner im Bezirk Rohrbach von 1869 bis 1991 Jahr Einwohner Jahr Einwohner 1869 56.555 1939 50.336 1880 56.672 1951 51.189 1890 54.824 1961 52.006 1900 52.882 1971 53.294 1910 51.853 1981 54.938 1923 50.174 1991' 57.164 1934 51.270 1991" 56.226 Vorläufiges Ergebnis der Volkszählung 1991 * OROK-Bevölkerungsprognose Abb. 1: Bevölkerungsentwicklung im Bezirk Rohrbach von 1869 bis 1991 ^ Berechnet auf den heutigen Gebietsstand. ^ Vorläufiges Ergebnis der Volkszählung 1991.

Altersstruktur der Bevölkerung im Bezirk Rohrbach Nachstehende Bevölkerungspyramiden zeigen deutlich die Veränderung der Altersstruktur im Bezirk Rohrbach. Frauen 600 400 200 0 200 400 600 600 400 200 Abb. 2: Altersstruktur der Bevölkerung im Bezirk Rohrbach 1880,1951,1981,1991

Geschlechterproportion Obwohl bekanntlich stets mehr Knaben als Mädchen zur Welt kommen, ist der Anteil der männlichen Personen an der Gesamtzahl der Bevölkerung immer etwas geringer als der der weiblichen Personen. Ursachen dafür sind einerseits die höhere Sterblichkeit im Säuglingsalter und die geringere Lebenserwartung, anderer seits eventuelle Kriegseinflüsse und erhöhte Unfallgefahr beim männlichen Geschlecht. Besonders dezimiert wurde die männliche Bevölkerung auch im Bezirk Rohrbach durch die Einwirkungen des Zweiten Weltkrieges. Bei der Volkszählung 1951 betrug der Anteil der männlichen Bevölkerung nur 47,2 Prozent. Dieses Miß verhältnis wurde von Volkszählung zu Volkszählung geringer. Schon 1981 war das Verhältnis männlich zu weiblich 49 zu 51 Prozent. Nach Absterben der vom Krieg betroffenen Generationen wird das zahlenmäßige Verhältnis der Geschlechter wie der ausgeglichen sein. Entwicklung der wichtigsten Altersgruppen Wie überall in Osterreich und in allen anderen hochindustrialisierten Län dern ist auch im Bezirk Rohrbach die Altersstruktur der Bevölkerung einer starken Wandlung unterworfen. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen hat bereits seit 1981 stark abgenommen, und dieser Trend wird auch weiterhin anhalten. Die Zahl der über 60jährigen wird hingegen laufend zunehmen. Im Bezirk Rohrbach sollte diese Veränderung jedoch nicht so einschneidend sein wie im oberösterreichischen Durchschnitt. Die Gruppe der unter 20jährigen war praktisch hundert Jahre lang (18801981) mit ihrem Bevölkerungsanteil ziemlich konstant (36-38 %). Nur bei der Volks zählung 1971 ergab sich ein Anteil von 42,4 Prozent. Mit 22.595 Personen dieses Alters wurde damals sogar die Zahl von 1880 (21.763 Kinder und Jugendliche) über troffen. Grund für dieses Phänomen waren die hohen Geburtenraten der sechziger Jahre. Zwischen 1981 und 1991 ergab sich erstmals ein merkbarer Rückgang. Gegenwärtig beträgt der Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Gesamtbevöl kerung im Bezirk Rohrbach nur mehr 30,3 Prozent (17.054 Personen). Eine völlig andere Entwicklung nahm die Bevölkerungsgruppe der über 60jährigen. Solange vergleichbare Volkszählungsergebnisse vorliegen, nahm die Zahl der alten Menschen zu. Im Jahr 1880 betrug ihr Anteil noch 11,9 Prozent (1880: 6.761 Personen), gegenwärtig sind es 16,9 Prozent (1991: 9.500 Personen) bei einer Bevölkerungszahl, die ziemlich genau der von 1880 entspricht. Die Zahl der 20- bis 59jährigen, also die große Gruppe der Personen, von der man in hohem Maße Berufstätigkeit erwarten darf, war 1880 um 3.000 höher als 1951 (1951: 25.183 Personen). Die Abnahme in der Gruppe der Erwerbsfähigen hielt noch zwanzig Jahre lang an, bis 1971 mit 21.731 Personen die absolute Talsohle erreicht war, und das bei einer außergewöhnlich hohen Zahl von Kindern und Jugendlichen. Viele Arbeitsuchende wanderten in den Jahren des großen Wirt-

Schaftsaufschwunges besonders aus den Grenzgemeinden ab. Allein zwischen 1966 und 1971 zogen 2.300 Berufstätige weg aus dem Bezirk. Langsam erholte sich die Zahl der Erwerbsfähigen wieder und war im Jahr 1981 bereits höher als 1951. Da nun die starken sechziger Jahre ins Erwerbsalter kamen, nahm diese Altersgruppe bis 1991 sehr stark zu (1981/91: +14,8%). Tab. 2: Entwicklung ausgewählter Altersgruppen im Be zirk Rohrbach 1880 und von 1951 bis 1991 0-19 20-59 60 u. m. insgesamt Jahre Jahre Jahre lahr abs. in % abs. in o/o abs. in o/o abs. in0/0 1880 21.763 38,4 28.148 49,7 6.761 11,9 56.672 100 1951 18.531 36,2 25.225 49,3 7.433 14,5 51.189 100 1961 19.731 37,9 24.160 46,5 8.115 15,6 52.006 100 1971 22.595 42,4 21.731 40,8 8.968 16,8 53.294 100 1981 20.609 37,5 25.839 47,0 8.490 15,5 54.938 100 1991" 17.054 30,3 29.672 52,8 9.500 16,9 56.222 100 * ÖROK-Prognose Erwerbsfähigkeit heißt aber noch nicht Erwerbstätigkeit. Dies galt aber in früheren Jahren noch viel stärker als gegenwärtig und in der Zukunft. Einerseits wird die Berufstätigkeit der Frauen noch zunehmen, andererseits wird es noch häufi gere und längere Studienzeiten bei den jungen Erwachsenen geben als heute. Trotz dem wird es immer die Gruppe der 20- bis 59jährigen sein, die die flauptlast für die soziale Sicherheit zu tragen hat. Wie groß die Belastung der Erwerbsfähigen durch die zu erhaltenden Kin der, Jugendlichen und alten Menschen ist, kann einigermaßen durch eine Maßzahl ausgedrückt werden, die angibt, wie viele Personen der genannten Altersgruppen auf je 100 Personen im Alter von 20 bis 59 Jahre kommen (Kinder-/Jugend- und Altenbelastungsquoten = Gesamtbelastungsquote). Dadurch, daß die unter 20jährigen immer weniger werden, die alten Men schen zwar zunehmen, aber auch die Erwerbsfähigen schon seit 1981 sehr stark zugenommen haben und zu erwarten ist, daß dies noch weiterhin der Fall sein wird, hält sich die Gesamtbelastung in Grenzen. Seit 1971, wo die Gesamtbelastung bei der bisher niedrigsten Zahl der Erwerbsfähigen mit 145,3 Kindern, Jugendlichen und alten Menschen pro 100 Erwerbsfähigen am höchsten war, ist diese im Fallen. Gegenwärtig kommen insge samt 89,5 zu erhaltende Personen auf 100 Erwerbsfähige.

Tab. 3: Kinder-Zjugend- und Altenbelastungsquoten im Bezirk Rohrbach 1880 und von 1951 bis 1991 Jahr 0- bis 19jährige 60- u. Mehrjährige Auf 100 Erwerbsfähige fallen ,, , .... . 0-bis 19jährige u. s 60-u. Mehrjährige ,,, ...f. 60- u. Mehrjährige Abb. 3: Entwicklung der wichtigsten Altersgruppen im Bezirk Rohrbach von 1951 bis 1991 Ursachen für die Bevölkerungsveränderung Die zahlenmäßige Bevölkerungsveränderung wird hervorgerufen durch die natürliche Bevölkerungsbewegung (Geburten, Sterbefälle) und die Wanderung. Wie überall wurde auch im Bezirk Rohrbach die Geburtenzahl pro Jahr - von Schwankungen abgesehen - seit den sechziger Jahren immer niedriger. Die höchste Geburtenzahl wurde im Jahr 1963 registriert (1.379 Geburten). Im Jahr 1990 machte diese Zahl nur mehr knapp 60 Prozent (824 Geburten) des damaligen Wertes Die Zahl der jährlichen Sterbefälle nahm infolge der verbesserten medizini schen Möglichkeiten laufend ab. Starben 1951 noch 602 Personen, so waren es 1990 nur noch 481.

Tab. 4: Geburten und Sterbefälle im Be zirk Rohrbach von 1951 bis 1990 Geburten Sterbefälle 1951 1.129 602 1961 1.342 544 1971 994 589 1981 851 516 1990 824 481 Geburten überschuß Der zweite Grund für die Veränderung der Bevölkerung, die Wanderung, hatte und hat noch immer eine starke Bedeutung für den Bezirk Rohrbach, denn zahlreiche kleine Gemeinden liegen an einer Grenze, die jahrzehntelang undurchläs sig war. Eine besonders starke Abwanderung war zwischen 1951 und 1971 zu beob achten. In diesem Zeitraum wanderten 10.610 Personen, hauptsächlich junge Arbeitsuchende aus dem Bezirk, zumeist in den oberösterreichischen Zentralraum. Der Wanderungsverlust machte damals von Volkszählung zu Volkszählung (1951/61 und 1961/71) je ungefähr ein Zehntel der Rohrbacher Gesamtbevölkerung aus. Daß die Bevölkerungszahl des Bezirkes trotzdem wuchs, war dem damals sehr hohen Geburtenüberschuß zu verdanken (1951/71: -bl2.715 mehr Geburten als Sterbefälle). Nach 1971 ging der Geburtenüberschuß sehr stark zurück (1971/81: 1-2.941 mehr Geburten als Sterbefälle), aber auch die Abwanderung. Der Wande rungsverlust betrug zwischen 1971 und 1981 nur mehr 1.297 Personen. Auch zwischen 1981 und 1991 war die Wanderungsbilanz noch negativ (1981/91: —1.244 Personen), der Geburtenüberschuß jedoch um fast 1.200 Personen höher als ein Jahrzehnt zuvor. Die Bevölkerung Rohrbachs nahm daher im vergan genen Jahrzehnt um gut vier Prozent zu. Tab. 5: Veränderung der Einwohnerzahlen im Bezirk Rohrbach durch Geburtenund Wanderungsbilanz von 1951 bis 1991 Veränderung gegenüber der jeweils vorangegangenen Volkszählung durch Geburten- Wanderungsinsgesamt ... , ° bilanz bilanz Einwohner abs. in o/o abs. in o/o abs. in o/o 51.189 _ - _ - - - 52.006 817 1,60 6.356 12,42 -5.539 -10,82 53.294 1.288 2,48 6.359 12,23 -5.071 - 9,75 54.938 1.644 3,08 2.941 5,51 -1.297 - 2,43 57.164 2.226 4,05 3.470 6,32 -1.244 - 2,25

Bevölkeningsentwicklimg in den Gemeinden Bis auf neun (= 21,4 %) hatten alle anderen Gemeinden des Bezirkes Rohr bach zwischen 1981 und 1991 eine Bevölkerungszunahme zu verzeichnen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen war dies allein auf den Geburtenüberschuß zurück zuführen. Nur acht Gemeinden wiesen mehr Zu- als Abwanderungen auf. Besonders hervorzuheben sei die Gemeinde St. Martin i. M. mit einer Bevöl kerungszunahme von einem Fünftel (+545 Personen) gegenüber 1981. Hier ist der Zuwachs etwa zu gleichen Teilen auf den Geburtenüberschuß (+280 Personen) und die Zuwanderung (+265 Personen) zurückzuführen. Als Gründe für den starken Wanderungsgewinn werden neben der geographischen Lage die Errichtung neuer umfangreicher Wohnanlagen und Betriebsneugründungen bzw. -Vergrößerungen genannt. Es folgen die Bezirkshauptstadt Rohrbach mit einer Bevölkerungszunahme um 286 Personen (+15,3 %) - ebenfalls je zur Hälfte durch Geburtenüberschuß und Zuwanderung bedingt - und Lembach mit 222 Personen (+16,7 %). Lembach hat die starke Zunahme einem Altenheimneubau und einer starken Ausländerbeschäf tigung zu verdanken und weniger einem Geburtenüberschuß. . SCHWARZE 2 Abb. 4: Veränderung der Einwohnerzahl in den Gemeinden 1981/91 insgesamt ®.iyLBACH^ WA W T nImiLEPSC^V^WtEPPIW ■' V n|0ir~ , , - .-v , L EERSE.R, ?HPP»'.k~ ' ' ' \ * I LICHTENA iX; ' V " \'^AGLACH#?9AnESI^|.,p£|,j£Q . 'jSARLEnr^FnHREAlH ' SriNM ' ~'i 'S irti' +;v.'iv.in=-| rPMRF ^'^^Ä.iTZLEn.ljB KIRCHEERJ ■ mehr ala 8 X Wandgruriasvarlust ^ S bis 0 X Windarmgävar luct S bis 6 S WavidaruiTiäavar lus-t □ unvararidarl El bis 6 S li|.5fldBruTig3aawiTifl ^ 5 bis 0 ü Uindariivigsgeujl-nn ■ itishr ala S X Wandarungsgawa inn

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SCHWARZE f:vi:■^:^■;vmAFFER^ LLRICHSB AI&EN I. OULEACH ÖS ilERSC^&iilrDDTi^^^^^^^ ^v::W:y;'m'SvXX-m\™wn ü I? : DBERKAPP; Vi^^^^^ATZESEER« 3CHÖENE5 5ARLEINSkRDHRBACH SANKT ST:::;-::./ .*« yKVWwmtt-1 rer/' aai/ t a NEUSTIFjISvlß HDaaicH|M PEli^^te'^ r -ri r Ti j' l^MBACH^^^EUFELEEi^^^jSi^y J3 S:-:-;:-^ :!äiÄ_TFNFEL •^S^V^ZfNIEEERKA,® HDFKI RVh fltenfel ???:?: ^ ' ' ' ' ■F ?JiSKLEINZEL! Wißh SANKT VE INIEBERWA' KIRCHEE^ SANKT MAj H itiähr ala S % Abriahm« ^ S bis B K AbTibhriiA ^ b i 5 6 X Abinihina □ unvarliiaart Ei! b i ! 6 X Zuiii&hffla ^ a bis i '.4 Zui^ahn-ia ■ mehr ala 3 X ZuTiahma Abb. 6: Veränderung der Einwohnerzahl in den Gemeinden 1981/91 durch Wande rungsbilanz Wie in den vorangegangenen Jahrzehnten vollzog sich auch zwischen 1981 und 1991 die stärkste Abwanderung in den Grenzgemeinden, und da besonders in den Gemeinden mit weniger als 1.000 Einwohnern. Bis auf wenige Ausnahmen war die Abwanderung in den kleinsten Gemeinden im Verhältnis zu ihrer Einwohner zahl am größten. Einen Wanderungsgewinn wiesen neben Rohrbach besonders einige Gemeinden des Mühltales auf.

Veränderung der Einwohnerzahlen in den Gemeinden des Bezirkes Rohr bach durch Geburten- und Wanderungsbilanz zwischen 1981 und 1991 insgesamt Veränderung durch I Geburten- | Bilanz Wanderungs bilanz Gemeinde Einwohner abs. in % abs. in % abs. in o/o 1981 1991 Afiesl 420 420 0 0,0 40 9,5 — 40 - 9,5 Ahorn 484 507 23 4,8 24 5,0 - 1 - 0,2 Aigen 1.802 1.826 24 1,3 31 1,7 - 7 - 0,4 Altenfelden 2.021 2.125 104 5,1 175 8,7 — 71 - 3,5 Arnreit 1.032 1.057 25 2,4 87 8,4 — 62 - 6,0 Atzesberg 503 538 35 7,0 57 11,3 - 22 - 4,4 Auberg 556 626 70 12,6 46 8,3 24 4,3 Berg b, Rohrbach 2.531 2.710 179 7,1 223 8,8 — 44 - 1,7 Haslach a. d. Mühl 2.649 2.563 - 86 - 3,2 - 164 - 6,2 78 2,9 Helfenberg 1.141 1.148 7 0,6 62 5,4 - 55 - 4,8 Hörbich 450 436 - 14 - 3,1 39 8,7 — 53 -11,8 Hofkirchen 1.415 1.440 25 1,8 105 7,4 — 80 - 5,7 Julbach 1.681 1.682 1 0,1 106 6,3 - 105 - 6,2 Kirchberg o.d.D. 1.115 1.109 6 - 0,5 79 7,1 - 85 - 7,6 Klaffer 1.299 1.309 10 0,8 87 6,7 — 77 - 5,9 Kleinzell 1.391 1.388 - 3 - 0,2 - 141 -10,1 138 9,9 Kollerschlag 1.432 1.431 - 1 - 0,1 131 9,1 - 132 - 9,2 Lembach 1.330 1.552 222 16,7 67 5,0 155 11,7 Lichtenau 616 583 - 33 - 5,4 55 8,9 — 88 -14,3 Nebelberg 613 642 29 4,7 74 12,1 - 45 - 7,3 Neufelden 1.161 1.252 91 7,8 68 5,9 23 2,0 Niederkappel 1.100 1.115 15 1,4 76 6,9 - 61 - 5,5 Niederwaldkirchen 1.612 1.768 156 9,7 143 8,9 13 0,8 Oberkappel 824 790 - 34 - 4,1 45 5,5 - 79 - 9,6 Gepping 1.448 1.476 28 1,9 100 6,9 — 72 - 5,0 Peilstein 1.656 1.679 23 1,4 132 8,0 — 109 - 6,6 Pfarrkirchen 1.517 1.513 - 4 - 0,3 99 6,5 — 103 - 6,8 Putzleinsdorf 1.567 1.628 61 3,9 138 8,8 - 77 - 4,9 Neustift 1.405 1.476 71 5,1 148 10,5 — 77 - 5,5 Rohrbach 1.874 2.160 286 15,3 140 7,5 146 7,8 St. Johann a. Wbg. 950 941 9 - 0,9 51 5,4 - 60 - 6,3 St. Martin i. M. 2.725 3.270 545 20,0 280 10,3 265 9,7 St. Oswald b.H. 531 577 46 8,7 54 10,2 — 8 - 1,5 St. Peter a. Wbg. 1.583 1.635 52 3,3 114 7,2 - 62 - 3,9 St. Stefan a.W 853 863 10 1,2 62 7,3 — 52 - 6,1 St. Ulrich 585 577 - 8 - 1,4 55 9,4 — 63 -10,8 St. Veit 1.054 1.092 38 3,6 57 5,4 — 19 - 1,8 Sarleinsbach 2.207 2.350 143 6,5 232 10,5 - 89 - 4,0 Schlägl 1.431 1.473 42 2,9 91 6,4 - 49 - 3,4 Schönegg 516 560 44 8,5 44 8,5 0 0,0 Schwarzenberg 754 752 - 2 - 0,3 12 1,6 — 14 - 1,9 Ulrichsberg 3.104 3.125 21 0,7 146 4,7 — 125 - 4,0 Bezirk insgesamt 54.938 57.164 2.226 4,1 3.470 6,3 -1.,244 - 2,3

Ausblick Laut ÖROK-Prognose wird um das Jahr 2000 die Einwohnerzahl im Bezirk Rohrbach mit 57.500 Personen ihre Spitze erreichen. Anschließend wird die Zahl wieder zurückgehen und im Jahr 2031 etwa auf dem Niveau von 1900 sein bzw. etwas höher liegen als 1961 (2031: 52.700 Einwohner). Abb. 7: Bevölkerungsentwicklung im Bezirk Rohrbach von 1869 bis 2031 OROK—Prognose Was die altersmäßige Zusammensetzung der Bevölkerung betrifft, so wird angenommen, daß die Zahl der unter 20jährigen laufend zurückgehen und im Jahr 2031 nur mehr einen Anteil von einem Fünftel an der Gesamtzahl haben wird (2031: ca. 10.600 unter 20jährige). Die Gruppe der 20- bis 59jährigen wird in den nächsten zwanzig Jahren noch ansteigen und im Jahr 2011 mit rund 31.500 Personen einen Bevölkerungsanteil von 55 Prozent haben. In den folgenden Jahrzehnten wird die Tab. 7: Voraussichtliche Entwicklung der Einwohnerzahl nach ausgewählten Altersgruppen im Bezirk Rohrbach von 1991* bis 2031* 0- bis 19jähnge 20- bis 59jährige 60- und Mehrjährige insgesamt abs. inC 1991" 17.054 30,3 29.672 52,8 9.500 16,9 56.226 100 2001' 16.199 28,2 30.521 53,1 10.744 18,7 2011' 14.111 24,8 31.494 55,3 11.323 19,9 2021' 11.904 21,5 29.597 53,5 13.818 25,0 2031' 10.585 20,1 25.242 47,9 16.881 32,0 * ÖROK-Prognose 57.464 100 56.928 100 55.319 100 52.708 100

Gruppe der Erwerbsfähigen wieder schrumpfen, bis im Jahr 2031 wieder fast der Stand von 1951 erreicht sein wird. Die über 60jährigen Personen werden laufend mehr. Bis 2031 wird ihr Bevölkerungsanteil beinahe ein Drittel ausmachen (2031: ca. 16.900 über 60jährige). Abb. 8: Entwicklung der wichtigsten Altersgruppen im Bezirk Rohrbach von 1951 bis 2031 250-, -- 1 -| T 1 I I I 60 u.m. 1951 = 100 ÖROK-Prognose .Jahre 1951 1961 1971 1981 1991 2001 2011 2021 2031 Jahr Die ÖROK-Prognoserechnung basiert auf der Volkszählung 1981 und wurde zu einem Zeitpunkt erstellt, zu dem die umfassenden Änderungen in den Oststaaten noch nicht einmal ihren Anfang genommen haben. Die Bevölkerungs veränderung durch Zuwanderung ist also ein nicht voraussehbarer Unsicherheitsfaktor. Daß die Bevölkerungsvorausschätzungen zu niedrig angesetzt sind, ist anzu nehmen. Schon die Einwohnerzahl für 1991 wurde für Rohrbach mit rund 56.200 Personen um fast 1.000 zu niedrig angegeben gegenüber dem vorläufigen Volkszäh lungswert. Abb. 9: Altersstruktur der Bevölkerung im Bezirk Rohrbach 1991, 2011, 2031 1991 2011 2031

Agrarstrukturwandel im oberen Mühlviertel Von Friedrich Bertlwieser Naturräumliche und entwicklungsgeschichtliche Aspekte Das obere Mühlviertel (Bezirk Rohrbach)^ ist ein bäuerlich geprägter Wirt schaftsraum. Die Landwirtschaft war stets für viele Menschen mangels industriell gewerblicher Arbeitsplätze die wichtigste Lebensgrundlage.^ Dieser Landesteil ist weiters ein Wirtschaftsraum, von dem ein Nichtmühlviertler zunächst oft den Ein druck gewinnt, daß es sich um einen gesamtwirtschaftlich „rückständigen" Raum handelt, welcher noch eine halbwegs ursprüngliche Agrarlandschaft und bäuerliche Idylle aufweisen könne. Dennoch muß gesagt werden, daß es nach dem Zweiten Weltkrieg auch hier zu großen Umwälzungen in der Landwirtschaft kam. Die Bilder von unzähligen im leichten Wind wogenden Kornfeldern, blühenden Flachskultu ren, gemächlich dahinziehenden Ochsen- und Pferdegespannen sowie strohgedeck ten Bauernhöfen gehören längst der Vergangenheit an. Der agrarische Strukturwandel war seit Mitte der fünfziger Jahre, dem Zeit punkt des Abzugs der russischen Besatzungsmacht, sehr groß. Ein wesentlicher Unterschied zu anderen, „höherentwickelten" Agrarräumen im Alpenvorland besteht allerdings darin, daß der Strukturwandel im oberen Mühlviertel bei einem tieferen Niveau ansetzen mußte, so daß die großen Veränderungen, welche in den letzten 35 Jahren stattfanden, bei alleiniger Betrachtung der heutigen Situation nicht richtig bewußt werden. Ein Beispiel für das verschiedene Ausgangsniveau ist, daß in den fünfziger Jahren in diesem Landstrich der Anbau von Weizen und Mais prak tisch noch unbekannt war. Aber auch die Mechanisierung setzte hierzulande erst Ende der fünfziger Jahre ein, gegenüber dem Alpenvorland mindestens ein Jahr zehnt verspätet. Dementsprechend groß war dann der Aufholprozeß. Ein fJauptgrund für die geringeren agrarischen Erträge in diesem Raum liegt in den natürlichen Ungunstfaktoren des oberen Mühlviertels. Die Böden sind karg, kalkarm und steinig, und die Bauern mußten seit eh und je mit viel Fleiß und Aus dauer dem Boden das Nötigste abringen. Zudem ist das Klima rauh und windig („Böhmwind") und ermöglicht nur die Reife bodenständiger Getreidearten und Ackerfrüchte. Die Getreideernte verzögert sich fast um einen Monat gegenüber dem Alpenvorland.^ Darüber hinaus wirkt sich auch das Gelände als zusätzliche ' Der Begriff „oberes Mühlviertel" und „Bezirk Rohrbach" sind im großen und ganzen deckungsgleich. ^ Dieser Beitrag hat folgende Arbeit zur Grundlage: Bertlwieser, F. (1988): Agrarstrukturwandel im oberen Mühlviertel. Diss. Univ. Innsbruck, 310 S., bzw. Bertlwieser, F. (1989): Agrarstrukturwandel im oberen Mühlviertel, Kurzfassung. In: Rohrbacher Notizen, Nr. 67 (Nov. 1989). ^ Werneck, H. L. (1960): Atlas von Oberösterreich. Naturgesetzliche Einheiten des Pflanzenbaues (Bl. 23) bzw. Phänologie (Bl. 42).

Erschwernis aus. Vor allem die Gemeinden des Passauer Waldes (Ameisbergrükkens), Böhmerwaldes, Sternwaldes, Linzer Waldes (rund um den Wimberg bzw. Hansberg) und des Zwischenmühlrückens weisen aufgrund der stärkeren Hang neigung und der größeren Höhenlage noch extremere naturräumliche und agrarwirtschaftliche Gegebenheiten auf als etwa die südlichen Gemeinden des Bezirkes.^ Neben diesen natürlichen Faktoren stempelte auch die Grenzlage das obere Mühlviertel zu einem wirtschaftlichen Fassivraum. Der Bezirk Rohrbach ist von drei Seiten entweder durch natürliche Grenzen (Donau im Süden, Böhmerwald im Nor den) oder Staatsgrenzen eingeengt (Bayern im Westen, CSFR im Norden/Nord osten). Handel und Verkehr mußten sich somit zwangsläufig einseitig Richtung Süd osten, d. h. Linzer Zentralraum, ausrichten. Vor allem die jahrzehntelange Lage am Eisernen Vorhang bedeutete für den Bezirk Rohrbach und besonders für die grenznahen Gemeinden des Bezirkes eine empfindliche gesamtwirtschaftliche und verkehrsmäßige Isolierung. Die Verflech tungen zwischen den Mühlviertlern und den Böhmerwäldlern jenseits der Grenze waren bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sehr groß gewesen und fanden dann mit der Vertreibung der Böhmerwäldler, der Verwüstung ihrer Heimat und der Errichtung des Eisernen Vorhanges ein jähes Ende. Trotz der Beseitigung des Eiser nen Vorhanges dürfte sich hier auch in nächster Zukunft noch nicht allzu viel ändern, da es zwischen dem Bezirk Rohrbach und Südböhmen noch keinen Grenz übergang gibt. Abwanderung - Pendelwanderung - Nebenerwerb Große Umwälzungen fanden vor allem in soziologischer Hinsicht statt. Obwohl der Bezirk Rohrbach in den Nachkriegsjahrzehnten die höchsten Gebur tenraten von ganz Oberösterreich hatte, nahm sich das Bevölkerungswachstum auf grund der starken Abwanderung relativ bescheiden aus. Von dieser starken Abwan derung (Landflucht) war auch die landwirtschaftliche Bevölkerung des Bezirkes betroffen. Zuerst verließen die familienfremden Arbeitskräfte (Dienstboten) den Hof, in späterer Folge auch Söhne und Töchter sowie andere mithelfende Familien angehörige des Hofcesitzers. Viele der Abgewanderten zogen in den Linzer Zentral raum, um dort eine Arbeit und eine zweite Heimat zu finden.® In einigen entlegenen Gemeinden des Bezirkes, etwa in Afiesl, Schönegg, Lichtenau oder Schwarzenberg, kam es in diesen Jahrzehnten aufgrund der starken Abwanderung zu bedenklichen Bevölkerungsverlusten. Erst durch das Aufkommen der Pendelwanderung, bedingt durch den Aus bau des Straßennetzes und des Schichtbusverkehrs (vor allem zur VOEST), konnte die Abwanderung eingedämmt werden. Die Möglichkeit der täglichen Pendelwan- ^ Winkler, F. (1967): Der Bezirk Rohrbach. Ein wirtschafts- und heimatkundlicher Atlas. = Humenberger, F. (1972): Bevölkerungsentwicklung und Wanderungsbewegungen im westlichen Mühlviertel. Beiträge zur oö. Statistik, Heft 2; hrsg. vom Amt der oö. Landesregierung; 87 S.

derung in den Linzer Zentralraum führte wiederum zur Umstellung vieler Voller werbsbauern auf Nebenerwerbsbewirtschaftung.^ Trotz der Landflucht in den fünf ziger und sechziger Jahren und der vielfach erfolgten Umstellung auf Nebener werbsbewirtschaftung in den siebziger Jahren war in diesen Jahrzehnten die Agrarquote^ im Bezirk Rohrbach stets die höchste von ganz Oberösterreich. Der hohe Anteil von hauptberuflichen Bauern einerseits und der traditionell hohe Anteil von Nebenerwerbsbauern andererseits darf aber nicht als Widerspruch aufgefaßt werden. Er zeigt vielmehr, daß das obere Mühlviertel bis in die fünfziger Jahre zutiefst bäuerlich geprägt war und es kaum Familien gab (auch nicht in den Märkten), die nicht in irgendeiner Weise mit der Landwirtschaft verbunden waren. Bieute beträgt im Bezirk Rohrbach die Agrarquote 18 Prozent, und sie liegt damit deutlich über dem österreichischen Durchschnitt. Freilich bestehen auch Unter schiede bezüglich der 42 Gemeinden des Bezirkes. In St. Ulrich, Hörbich, Anberg und Arnreit lag 1951 die Agrarquote um 80 bis 90 Prozent, und auch 1981 war sie mit 30 bis 45 Prozent noch sehr hoch. In Atzesberg, Julbach, Nebelberg, Putzleins dorf etc. fiel sie von 80 bis 90 Prozent auf 10 bis 20 Prozent herunter, da in diesen Gemeinden viele ehemalige Vollerwerbsbauern von ihren relativ kleinen Agrarflächen nicht mehr länger leben konnten und zu Nebenerwerbslandwirten wurden. In den gewerblich-industriellen Gemeinden Rohrbach, Haslach und Aigen sank die Agrarquote im gleichen Zeitraum von etwa 25 Prozent auf 5 Prozent.® Auch die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe nahm in den letzten 35 Jah ren deutlich ab (1951: 6.812 Betriebe; 1986: 5.024). Wahrscheinlich dürfte heute die tatsächliche Zahl noch tiefer liegen, weil die Statistik etliche „Scheinbetriebe" mit zählt.' Noch deutlicher waren im angegebenen Zeitraum die Veränderungen bezüglich der Erwerbsart, nämlich die starke Abnahme der Vollerwerbsbetriebe von 4.106 (Jahr 1951) auf 1.445 flahr 1986) sowie die deutliche Zunahme der Nebener werbsbetriebe. Vordergründiges Motiv für die Umstellung auf Nebenerwerbslandwirtschaft waren die geringen landwirtschaftlichen Einkommen, welche in Vollerwerbsbetrie ben aufgrund der schlechten natürlichen und betriebswirtschaftlichen Produktions voraussetzungen (kleine Besitzflächen) erzielt wurden, und die vergleichsweise dazu weit höheren Einkommen der unselbständigen Arbeiter in Industrie und Gewerbe. Viele ehemalige Vollerwerbsbauern konnten einfach von der Landwirtschaft allein nicht mehr leben, zumal auch die Konsumansprüche gestiegen waren. Darüber hin- ^ Kutzenberger, E. (1979): Land- und forstwirtscliaftliche Nebenerwerbsbelriebe in Oberösterreich 1978. Beiträge zur oö. Statistik, H. I. ' Die Agrarquote ist der Prozentanteil der in der Landwirtschaft Hauptbeschäftigten, gemessen an den Gesamtbeschäftigten. " Österr. Statistisches Zentralamt: Ergebnisse der Volkszählung 1951-1981. ' Fliri, F. (1972): Statistik und Diagramm. In: Das Geographische Seminar. Praktische Arbeitsweisen. Braunschweig. Vgl. S. 88 f. bzw. Bach, H. (1977): Die Agrarbetriebsstruktur und ihre Darstellung in der Statistik. S, 21-29.

aus mußten in vielen landwirtschaftlichen Betrieben Investitionen getätigt werden (Maschinen, Stallbau, Wohntraktsanierung), so daß man unbedingt auf ein außer landwirtschaftliches Einkommen angewiesen war und istd" Die Nebenerwerbslandwirtschaft hat aber auch Schattenseiten. Das schwer wiegendste Problem dürfte für die Nebenerwerbsbauern und -bäuerinnen dabei die Gefährdung ihrer Gesundheit darstellen, denn ihre Belastung ist sehr groß. Neben erwerbsbäuerinnen müssen neben fiaushalt und Kindererziehung auch einen Groß teil der Arbeit im landwirtschaftlichen Betrieb leisten. Die Stallarbeit wird dabei fast zur Gänze von der Bäuerin durchgeführt und die Arbeit auf dem Feld etwa zur Hälfte. Auch die Nebenerwerbslandwirte stehen unter einer ähnlich hohen physi schen und psychischen Belastung. Viele von ihnen sind Tagespendler nach Linz, wo sie als Schichtarbeiter in der Großindustrie ihrem Haupterwerb nachgehen. Für die Pendler aus den nördlichen und nordwestlichen Randgemeinden des Bezirkes betra gen allein die täglichen Wegzeiten vier bis fünf Stunden, womit der Nebenerwerbs bauer 13 Stunden vom Hof abwesend ist. Bei einer normalen Arbeitszeit (von mor gens bis abends) hätten somit die Nebenerwerbslandwirte kaum mehr eine Mög lichkeit zur Mithilfe im landwirtschaftlichen Betrieb. Deshalb wird trotz größerer Belastung von vielen die sogenannte „Vierer-Schicht" gewählt, weil, je nach Schicht, immer wieder ein freier Vormittag, ein freier Nachmittag oder nach zehn Tagen zwei freie Ganztage gewährleistet sind. Die landwirtschaftlichen Arbeiten werden viel fach so eingeteilt, daß ein Großteil davon in dieser „Freizeit" erledigt werden kann. Die zweifellos größte Belastung der Nebenerwerbsbauern findet in den Sommer monaten statt, wo die Mehrheit auf eine Gesamtarbeitszeit von 70 bis 80 Stunden pro Woche kommt und einige noch darüber. Außerdem müssen noch die Wegzeiten hinzugerechnet werden. Es kommt öfters vor, daß Nebenerwerbslandwirte, wenn sie morgens von der Nachtschicht zurück kommen, sich nur zwei Stunden Schlaf gön nen, dann mit der Heuernte beginnen und am Abend müde zur nächsten Nacht schicht aufbrechen. Und wenn sie sich nach einer Nachtschicht einen Schlaf bis Mit tag erlauben können, leidet die Qualität des Schlafes oft aufgrund des Lärms inner halb und außerhalb des Hauses, wobei letzterer meist durch das Motorengeräusch von Maschinen verursacht wird. Mit dem nervlichen Zustand vieler Nebenerwerbs bauern ist es deshalb nicht zum besten bestellt. Veränderungen in der Bodennutzung Einen Schwerpunkt des Agrarstrukturwandels bilden die großen Verände rungen in der Bodennutzung. Es kam einerseits zur Aufforstung von vielen Grenzertragsflächen, welche eine maschinelle Bearbeitung nicht oder nur schwer zuließen. Davon betroffen waren vor allem steile Wiesen, Bergmähder, Böschungen, WaldAistleitner, J. (1986): Formen und Auswirkungen des bäuerlichen Nebenerwerbs. Das Mühlviertei als Beispiel. Innsbrucker Geographische Studien, Band 14. Vgl. S. 122f.

wiesen und Hutweiden. Insgesamt nahm in den letzten 35 Jahren die Waldfläche im Bezirk um rund 5.000 ha zu. Andererseits kam es auch zu deutlichen Verschiebungen im Acker-Grün land-Verhältnis. Charakteristisch für die Landwirtschaft des Oberen Mühlviertels war zwar stets die Verbindung von Ackerbau und Grünlandwirtschaft (Vieh haltung). In den späten fünfziger und sechziger Jahren nahm allerdings die Acker fläche auf Bezirksebene deutlich ab (1954: 43 Prozent der landwirtschaftlichen Nutz fläche; 1973-1986: 33 Prozent), und die Grünlandfläche erfuhr eine stärkere Auswei tung (1954: 56 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche; 1973-1986: 66 Prozent). Ab Mitte der siebziger Jahre machen somit die Grünlandflächen das Doppelte der Ackerflächen aus." Auf Gemeindeebene sind die Unterschiede noch krasser. Während der Ackeranteil in den südlichen Gemeinden des Bezirkes heute um 40 Prozent liegt, beträgt er in Schwarzenberg nur mehr 17 Prozent. Als Hauptursache für diesen „Vergrünlandungsprozeß" in den sechziger bis Mitte der siebziger Jahre müssen in erster Linie die ungünstigen natürlichen Bedin gungen für den Ackerbau (bes. Getreidebau) erwähnt werden. Die Bauern hatten all mählich erkannt, daß sie im Getreidebau Nachteile haben und ihr Ertrag niemals an die Erträgein den Gunstregionendes Alpenvorlandsherankommt.Die verbesserten Transportmöglichkeiten ließen zudem einen stärkeren Warenaustausch und damit eine gewisse Spezialisierung sinnvoll erscheinen. Die reine Selbstversorgungswirt schaft begann sich damit langsam aufzulösen. Da von den Höfen viele Arbeitskräfte abgewandert waren, drängten viele Bauern auch aus Gründen der Arbeitszeitersparnis die damals noch arbeitsintensi vere Ackerwirtschaft etwas ins Abseits und stellten auf Gründlandwirtschaft um. Inzwischen müßte man allerdings die Gründlandwirtschaft als arbeitsintensiver bezeichnen, weil sich daran über die Viehhaltung eine zeitaufwendige Hof- und Stallarbeit anschließt, wohingegen die Getreideernte schon voll mechanisiert ist. Und nicht zuletzt trug die Errichtung von leistungsfähigen Molkereien (Rohrbach, Lembach) Anfang der sechziger Jahre ebenfalls zur Vergrünlandung bei, da die neu geschaffene Form der Milchablieferung den Bauern nun eine sichere monatliche Einnahmequelle eröffnete und mehr Echo fand als die vorherige Rahm ablieferung. Und welch ein Gegensatz zur Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, wo die Milchwirtschaft nur eine belanglose Sache war! Ihre Bedeutungslosigkeit läßt sich aus einer Anekdote ersehen, nach der ein Bauer die Tatsache, daß durch Blitzschlag drei seiner Kühe getroffen wurden, mit dem Ausspruch hinnahm: „Gott sei Dank, daß es nicht meine Ochsen sind!'"^ " Osterr. Statistisches Zentraiamt: Bodennutzungserhebungen 1954-1986; eigene Berechnungen. " Rohrbacher Notizen (1979), Nr. 24.

Wandel in der Ackemutzung Innerhalb des Ackerbaues kam es ebenfalls zu großen Umstellungen. Man wandte sich allmählich von der vorher praktizierten „verbesserten Dreifelderwirt schaft" ab und verzichtete immer mehr auf die Einhaltung geeigneter Fruchtfolgen. Erst in jüngster Zeit setzt wieder eine notwendige Rückbesinnung ein. Auch innerhalb des Getreidebaues kam es zu großen Verschiebungen. Frü her galt das obere Mühlviertel als traditionelles Anbaugebiet von Roggen und Hafer, und beide machten in den fünfziger Jahren noch über 95 Prozent des gesam ten Getreidebestandes aus. Ab Beginn der sechziger Jahre wurde, von den südlichen Gemeinden ausgehend, der Anbau von Gerste und Weizen immer mehr verstärkt, so daß Ende der siebziger Jahre Roggen und Hafer kaum mehr 50 Prozent des Getreidebestandes ausmachten. Die Gründe für den drastischen Rückgang des Roggenanbaues ab Mitte der sechziger bis Mitte der achtziger Jahre waren vielgestaltig. Einerseits war es die Tat sache, daß der Verkaufserlös niedriger lag als jener beim Weizen, welcher nun infolge der Verbesserung von Zucht und Düngung auch im oberen Mühlviertel angebaut wurde. Weiters spielte auch die schlechtere Eignung der Roggenbestände und die bessere Eignung der kürzeren Weizenhalme für den ab Mitte der sechziger Jahre aufkommenden Mähdreschereinsatz eine Rolle. Und nicht zuletzt trugen auch Roggenernk in Ottenschlag in den vierziger]ahren („Kornmahd" mit Sense, „Aufliehen" mit Sichel, „Korn mandl").

die veränderten Ernährungsgewohnheiten zum Rückgang des Roggenanbaues bei, weil man anstatt des selbst gebackenen Schwarzbrotes immer mehr auf gekaufte Weizenmehlprodukte umstieg." Erst in allerletzter Zeit setzte wiederum eine Rückbesinnung auf den boden ständigen Roggen ein, und etliche Bauern backen das Brot wieder selbst. Weitere Gründe für den neuerlichen leichten Aufwärtstrend beim Roggenbau liegen in der Anspruchslosigkeit des Roggens bezüglich Düngung und Unkrautbekämpfung, im gestiegenen Strohbedarf infolge vergröf?erter Viehbestände und in der verbesserten Bauweise der Mähdrescher, so dal? nun auch lagegeschädigte Roggenbestände gedroschen werden können. Auch der Jagdverband förderte mit einem Direktzu schuß die Wiederaufnahme des Roggenbaues, da Roggenfelder von den Rehen bevorzugt als Nahrungsquelle und Versteck aufgesucht werden. Der Einbruch beim Haferbau begann mit der Verdrängung des Pferdes als Zugkraft und durch die Konkurrenz der Gerste als Futtermittel. Auch der traditionelle Hackfruchtbau erlebte gewaltige Einbußen. So wurde in den letzten dreißig Jahren die Kartoffel- und Rübenfläche auf etwa ein Drittel der einstigen Fläche reduziert. Ausschlaggebend dafür waren die hohe Arbeitsintensität, welche der Kartoffelanbau erfordert, sowie die starke Verringerung des Schweinebe standes. Ebenso trugen Veränderungen in den Ernährungsgewohnheiten zur Verrin gerung des Kartoffelanbaues bei, da die Kartoffel fälschlicherweise als „Dickmacher" hingestellt wurde und so manche Kartoffelgerichte von den bäuerlichen Tischen ver schwanden. Nicht zuletzt drängte auch das Aufkommen des Silomaisanbaues den Kar toffelanbau etwas zurück. Der Silomaisanbau setzte zu Beginn der siebziger Jahre ein und erlebte ähn lich hohe Steigerungsraten wie ein Jahrzehnt vorher der Weizenanbau. Auch der Silomaisanbau konnte in die höhergelegenen Gemeinden des Bezirkes (über 700 m) auf Grund der klimatischen Ansprüche nicht vordringen. Von den heute agrarpolitisch erwünschten Alternativ- und Sonderkulturen soll besonders der Hopfenbau erwähnt werden, zumal der Bezirk Rohrbach zusam men mit der Südsteiermark das wichtigste Hopfenbaugebiet Österreichs ist. Der Hopfenbau hat im Bezirk Rohrbach schon eine jahrhundertelange Tradition, und im vorigen Jahrhundert erreichte die Hopfenfläche ein Höchstmaß von I.OOO Hektar. Im Raum Rohrbach-Neufelden hatte fast jedes Haus einen Hopfengarten. Unter dem Hitlerregime wurde der Hopfenbau aber verboten, und so mußte man im Jahre 1951 wiederum von vorne beginnen. Inzwischen erreicht die Hopfenfläche über hundert Hektar, wobei die wichtigsten Hopfenbaugemeinden Anberg, Berg, Haslach, St. Ulrich, St. Peter und Atzesberg sind. Von den einst vielen kleinen Brauereien blie ben bis heute jedoch nur mehr zwei bestehen, nämlich Schlägl und Hofstetten. Zukunftsweisend sind auch die agrarpolihsch geförderten Versuche mit Alternativkulturen. Ein Umdenkprozeß mußte zwangsläufig einsetzen, nachdem die ' Bertlwieser, F. (1990): Einleihang in: Mühlviertler Leibspeisen (Hrsg.: Praher u.a.), S. 12-16.

österreichweite Überproduktion bei Getreide und Milch zu einem starken Preisver fall geführt hatte und außerdem die einseitige Bodenauslaugung ökologisch höchst bedenklich geworden war. Aus klimatischen Gründen konnten freilich Olsaaten und Eiweißpflanzen im oberen Mühlviertel nicht so gut Fuß fassen wie in anderen Teilen Oberösterreichs. Bereits über die Grenzen des Landes hinaus bekannt geworden sind aber die Produkte der Bergkräutergenossenschaft Sarleinsbach. Hier werden Heil- und Gewürzpflanzen, z. B. Pfefferminze, Zitronenmelisse und Brennessel, in mühevoller, arbeitsintensiver Handarbeit gebaut. Diese Bergkräuter weisen eine hohe Qualität auf, bedingt durch den Verzicht auf Kunstdünger, Unkrautbekämpfungsmittel und künstliche Aromatisierung. Auch die Alternative „Energiewälder" läßt für die Zukunft hoffen, zumal die Errichtung von Hackschnitzelheizungen und Fernwärmeheizanlagen in letzter Zeit stark propagiert wurde. Beinahe schon in Vergessenheit geraten ist die einst überragende Bedeutung des Flachsanbaues im oberen Mühlviertel. Der Stolz jeder Bäuerin war die Truhe mit dem Haar und der Leinwand, welche in der „Hochstube" aufbewahrt wurde. Vom Anbau des Flachses bis zur gewebten Leinwand war es freilich ein langer und mühe voller Weg. Ein weiteres Produkt, welches der Flachsanbau lieferte, war das Leinöl, das aus dem Leinsamen „ausgeschlagen" wurde. Das Leinöl wurde mit Vorliebe zur Zubereitung von Kartoffelgerichten verwendet. Versuche, den Flachsanbau heute wieder als Alternativproduktion einzuführen, hatten bisher aber kaum Erfolg, da es an sachgemäßer Bearbeitung mangelte. Dies ist ein Beweis dafür, daß die Bauern im Laufe eines Viertel]ahrhunderts einst hochstehende agrar- und kulturtechnische Fer tigkeiten verloren haben. Veränderungen im Viehbestand^^ Die Veränderungen im Viehbestand stehen in direktem Zusammenhang mit dem Wandel in der Boden- und Ackernutzung. Das einschneidendste Merkmal war dabei die Verdrängung der Pferde, Ochsen und Kühe als Zugkraft. Während Mitte der fünfziger Jahre noch 5.000 Zugochsen und 4.000 Pferde gezählt wurden, gab es Mitte der achtziger Jahre nur mehr 600 Pferde, wobei ein großer Teil davon nur Reit pferde sind. Noch in den fünfziger Jahren ließen in der Regel die von einem Bauern bei der Arbeit verwendeten Zugtiere einen Rückschluß auf die Größe eines landwirt schaftlichen Betriebes zu. Nur die größeren Vollerwerbsbauern eines Dorfes verfüg ten über genügend Futter, um damit ein Pferdegespann versorgen zu können. Die mittelgroßen Betriebe (Hofstätter) hielten dagegen nur Ochsen, gelegentlich auch ein einzelnes Pferd. Bei kleineren Landwirten und Häuslern war dagegen nur der Einsatz von Kühen zum Ziehen von Pflug und Wagen üblich. Kein Wunder, daß dar unter die Milchleistung der Kühe erheblich litt! Österr. Statistisches Zentralamt: Ergebnisse der Viehzählung I950-I987.

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