OÖ. Heimatblätter 1991, 45. Jahrgang, Heft 4

ungern das schützende Linnen vona Neugeborenen hochhebt, um dadurch den zur Verehrung in die Knie gesunkenen Hirten einen Blick auf den Mensch gewordenen Messias zu gewähren. Das Hauptgeschehen wurde in den Mittelpunkt gerückt, hin terlegt von einer Architekturfolie, die in der Finsternis der Heiligen Nacht jedoch nur schwach sichtbar wird. Keine künstliche Lichtquelle, sondern das Kind selbst scheint Helligkeit in diese kümmerliche Herberge zu bringen - gemäß den Johannes-Worten: .. .in ihm war das Lehen, und das Lehen war das Licht der hÄenschen. Und das Licht scheint in der Finsternis... (Johannes 1,1-11). In ihren mystischen Visionen hatte auch die hl. Bri gitta von Schweden (1303-1373) ein „strahlendes Jesuskind" geschaut.® Den ebenfalls von dumpfer Neugierde erfaßten und links ins Geschehen drängenden Ochsen kann der hl. Josef (?) gerade noch rechtzeitig besänftigen. Er krault ihm die Stirn und unterstreicht damit sehr subtil die von feierlich-stiller Andacht erfüllte Weihnachtsszene. Dieser Josef mit dem Rind gleicht in seiner Dar stellung jedoch eher dem Evangelisten Lukas mit dem Stier als dem Nährvater und Protagonisten dieser Anbetung. Da wir aber gerade aus dem Lukas-Evangelium die für die bildliche Umsetzung der Geburt Christi entscheidenden Impulse erhalten (Lukas 2, 1-20), ist die Anspielung auf diesen wichtigen „biblischen Informanten" möglicherweise von Bloemaert ursprünglich auch beabsichtigt gewesen. Die mit ausgebreiteten Armen wiedergegebene Hirbn rechts, hinter der - in Begleitung eines Hundes - ein Mädchen keck hervorguckt, erweitert das Geschehen der Heiligen Nacht deutlich ins Erzählerische. Hirtinnen hatte schon Peter Paul Rubens (1577-1640) prominent ins Geschehen der Christnacht zu integrieren ver standen. Wer die weiblichen Volkstypen aus der oberösterreichischen Krippenland schaft kennt, fühlt sich dabei allerdings auch an die beliebte Gruppe „Muatta, laß mi a mitgehn" erinnert. Da sowohl die babylonische als auch die bhurbnische Sibylle die GeburtChrisb voraussagten,'ließe sich eine inhaltlicheKlärungder weiblichenFigur aber selbst auf dieser Bedeutungsebene erzielen.^" Der bei Bolswert direkt in die Szene ragende Engelsreigen wurde von Fuchs derart fragmenbert, daß das Bild mit seinem oberen Abschluß auch in das spitzbogige Sbchkappen-Wandsegment eingepaßt werden konnte. Dadurch wurde der bgurale Bestandteil jedoch kaum beeinträchbgt. Lediglich die Draperien der flankie renden Engel und zwei Puttenköpfe wurden dem gobsierenden Format geopfert. Hat also der Kopist Fuchs die Grundidee Bloemaerts in diesem Teil des Bil des wortwörtlich beschnitten, so wurde sie im Bildvordergrund durch sbllebenhafte Details gleichzeibg erweitert. In einer exponatarbg aufgestellten Zinn- oder Silber schüssel, die zur Betrachterseite deutlich angehoben wirkt, erblicken wir Weintrau- ® Hanna Egger, Weihnachtsbilder im Wandel der Zeit. Wien und München 1978, S. 90. ' Reinhold Sautner, Lexikon der Mythologie, Salzburg 1984, S. 265, und Hiltgart L. Keller, Reclams Lexi kon der Heiligen und der biblischen Gestalten, 6. Auflage, Stuttgart 1987, S. 109. Prophetische Figuren ins Weihnachtsbild einzuflechten ist durchaus kein Novum, wie uns das Beispiel der Anbetung der Hirten von Hugo van der Goes lehrt (Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kultur besitz, Gemäldegalerie). Auf dieser Tafel wird die Anbetungsszene von Isaias und Ezechiel flankiert, die ja vor allen anderen die Geburt Christi voraussagten. Vgl. dazu: Egger, op. cit., S. 116.

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