Der Sprachatlas von Oberösterreich für Oberösterreich Von Hermann Scheuringer - ein Sprachatlas W as macht die Identität einer Re gion aus? Ist es die Landschaft, die Wirt schaftsform, sind es die Menschen, die dort leben? Identität ist keine statistische Größe, sie ist nicht berechenbar wie „Wirtschaftseckdaten" und nicht auflist bar wie historische Jahreszahlen. Zu allererst ist sie etwas Menschliches, resultierend aus dem komplexen Zusam menspiel vieler Faktoren. Einer dieser Faktoren ist die Region, aus der man stammt und in der die meisten auch ihr Leben lang bleiben. Jene, die weggehen, tragen Ausdrucksformen ihrer Heimat meist ein Leben lang mit sich. Diese äußern sich in vielerlei Form, z.B. wie man sich im Alltag benimmt, was man gerne ißt usw. Zu den „höchst markier ten", d.h. regionale Herkunft und auch Zuordnungsbarkeit ganz besonders stark prägenden kulturellen Ausdrucks formen eines Menschen gehört die Spra che. Es hängt dann von der Persönlich keit jedes einzelnen ab, inwieweit er fähig oder willens ist, sich in fremder Umge bung sprachlich anzupassen, doch den meisten hängt ihr Leben lang zumindest „ein leichter Akzent" an. Je weiter man weggeht, desto weiter wird auch die regionale Identifikation der Herkunfts region. Der Ischler in Gösau ist einfach ein Ischler, der Ischler in Linz kommt aus dem Salzkammergut, der Ischler in Wien ist ein Oberösterreicher, der Ischler in Frankfurt ist ein Österreicher, der Ischler in Berlin ist ein „Bayer oder Österreicher" usw. - dies alles in einer möglichen Ein schätzung durch die Leute in der neuen Heimat. Jene Mehrheit der Bevölkerung, die - zumindest hierzulande - die engere Heimat nicht auf Dauer oder für längere Zeit verläßt, ist der Träger der regionalen Sprachformen und der Garant für deren Überleben. Weil Sprache so alltäglich ist, wird ihre Bedeutung für die Identität einer Region und auch der in dieser lebenden Menschen allzuleicht überse hen. Oft ist es erst der drohende Verlust der eigenen Sprache, der ihre Wertschät zung zu befördern vermag. Man verglei che nur das Elsaß angesichts der drohen den Französisierung oder auch Südtirol angesichts der - mittlerweile gebannten - Gefahr der Italianisierung. Was für unterschiedliche Sprachen gilt, kann auch auf Regionen innerhalb einer Spra che umgelegt werden. In vereinfachter Weise und das obige Beispiel wieder auf nehmend: Ein Ischler, der nicht ischlerisch spricht, ist zumindest in einem wichtigen Bereich seines Lebens kein Ischler mehr. Hier kann natürlich nicht von Kollektivzwang die Rede sein. Jener, der seine Regionalidenhtät weiter be greift, wird oder will dann eben auch wei ter reichende, meist „Umgangssprache" genannte Ebenen von Sprache verwen den, die dann oft nur mehr wenige Züge kleinerer Regionen an sich haben. Die Grundlage aller noch irgendwie Regionalität beinhaltenden Formen von Spra che sind aber die lokalen Dialekte. Ohne
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2