OÖ. Heimatblätter 1991, 45. Jahrgang, Heft 4

Unsere Schule, die Lehrer und die Schüler im totalen Krieg Notunterricht und SchUierbetreuung - Um den Aufstieg in die nächste Klasse - Versäumtes ist später nachzuholen Wenn untertags Jungen und Mädel einzeln uder in Gruppen "tauf der Straße gehen und marschieren, denken manche, die vor Jahren oder gar Jahrzehnten scljon die Schulbank drückten und für die damals ein oder zwei Tage Hitzeferien ein oft ersehntes, aber selten ein tretendes-Ereignis bedeuteten: „Wie sich doch die Zeiten geändert haben, jetzt braucht die Jugend überhaupt nicht zur Schule gehen!" Weil sie aber im späteren Leben erkannt haben, wie notwendig und heilsam jener Zwang und die strenge Zucht waren, mischt sich in solche Gedanken auch Sorge um die heutige Jugend. Gewiß, dieser außerordentliche, zeit bedingte Zustand bärge eine große Gefahr in sich, würden die Jungen und Mädel nun ohne Lenkung und Betreuung sich selbst überlassen. Doch dies ist keineswegs der Fall. Zwar wurde mit 1. Februar für den Gau Oberdonau die vorübergehende Schließung aller Schulen, mit Ausnahme zweier Internate, angeordnet, weil die Gebäude zu anderen Zwecken, vorwiegend zur Aufnahme von Flüchtlingen, bereitgestellt werden mußten. Indes hat sich auf dem Lande schon nach kurzer Zeit die Möglichkeit ergeben, den Schulunterricht -wieder aufzunehmen, teil weise sogar im ganzen Umfang, teilweise in Form von Notunterricht, der sich auf einige Stunden täglich beschränkt. Wo auch das nicht durchzuführen war, wurde eine Art Schülerbetreuung in die Wege gelgitet. so zum Beispiel, daß sich an bestimmten Tagen in einer größeren Bauernstube die Schulpflichti."en der Umgebung zusammenfinden, der Lehrer ins Haus kommt und dort Unterricljt hält. Bemerkenswert dabei ist, daß der Wunsch nach Wiederaufnahme des Schulbetriebes nicht nur von seilen der öffentlichen Stellen und der Elternschaft groß ist, sondern daß auch beim Großteil der Schüler selbst, nachdem der erste Freiheitsrausch vorüber war, durch spon tan gemachte Hausaufgaben das Bedürfnis nach geregeltem Unterricht ersichtlich wurde. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß auf dem Lande mindestens die Hälfte aller Schüler wieder unterrichtsmäßig erfaßt sind, in vielen Gemeinden ist der Hundertsatz noch weitaus höher. Solche ^Schüler, die ein gültiges Zeugnis^ über das erste Halbjahr besitzen und an einem" regelmäßigen und genügend langen No-^unterricht teilnehmen, erhalten auch ein Jahres abschlußzeugnis. Bei fallweisem Notunterricht werden den Teilnehmern Besuchsbescheini gungen aus.eestellt, die im Herbst zum Auf steigen in die nächsthöhere Klasse berechtigen, Oberdonau-Zeitung, 19. 4. 1945 doch muß dann der Stoff der versäumten, so wohl wie der laufenden Schulstufe bewäUigt und darüber Prüfungen abgelegt werden. Diese Regelung würde in dem Bewußtsein getroffen, daß man andernfalls wohl die Zeugnisse, aber nicht die Kenntnisse schenken könnte. Während also auf dem Lande der wichtigste Schultyp, die Vo'ksschule, nach bester Mö.glichkeit weitergeführt wird, ist in den Städten und besonders in der Gauhauptstadt die Lage weniger günstig. H'er sind nur fünf Volks und. Hauptschulen in Betrieb da zu den übri"en Schwierigkeiten noch die Schäden durch den feindlichen Luftteri-or kommen. Dafür ist aber in der Stadt die Erfassung der Jugend lichen,' die ab 10. Lebensjahr von der HitlerJugend für vei'schiedene Kriegseinsätze ver wendet werden, stärker und leichter zu orga nisieren, während auf dem Lande die Mithilfe im elterlichen Hause mehr in den Vordergrund tritt. Hier wie dort aber ist die Betreuung der Jugend zwischen der Schulbehörde und der HJ.-Führung so abgesprochen, daß der Tag des Jungen und Mädels wirklich ausgefüllt ist. Bei den Berufs- und Fachschülern, die nur zum kleinsten Teil und nur in Spezialberufen ihre Schulen weiter besuchen, ist der Einsatz natur gegeben. Die Lehrlinge werden den Meistern und Betrieben zur Verfügung gestellt und er halten in größeren Werksbetrieben neben der praktischen weiter auch eine theoretisch-unter richtliche Behelfsfortbildung. Die durch den stark verkürzten Unter richtsbetrieb frei werdenden Lehrkräfte — Oberdonau hat einen Stand von 6000 Lehr personen, davon 70 v, H. weiblichen, die durch schon pensionierte Kräfte ergänzt wurden. — sind mit gutem Erfolg bei Ämtern und Parteisteilen, im Post- und Telephondienst und in der Wirtschaft eingesetzt. Sicherlich macht sich manchmal das Fehlen der kundigen Hand des geschulten Erziehers bei den heranwachsenden jungen Menschen bemerkbar, aber hier muß nun. dafür das Elternhaus einsprin.gen. Vertrat früher viel fach der Lehrer erzieherisch auch Vater- und Mutterstelle bei den Kindern, so sollten nun eben die Eltern ein wenig die Lehrerstelle ein nehmen; vor allem Rechen- und Schreib übungen sind da bestens zu empfehlen. Die Zehn- bis Vierzehnjährigen, die heute viel lebensreifer als frühere Generationen sind, weil sie schon viel stärker im Leben stehen und an dem .großen Zeitgeschehen teilnehmen, werden, so iäßt sich mit Recht annehmen, .gerade deshalb später mit dem entsprechenden Ernst nachholen, was sie im Dienst für die unmittelbare Gegemvart auf Kosten ihrer eigenen Lebenszukunft versäumen mußten.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2