OÖ. Heimatblätter 1991, 45. Jahrgang, Heft 3

Stadtbaukunst am Beispiel Linz Von Stefan Lueginger Städtetourismus ist ein neues Schlagwort geworden. Jedes Jahr pilgern viele Tausende Menschen jeden Alters und Standes in die alten Städte und Stadtzentren Europas. Dies geschieht so gründlich, daß sich einige Städte überlegen, ihre Tore zu schließen und nur mehr zeitlich und zahlenmäßig begrenzte Besichtigungen zuzu lassen. Stadtrevitalisierung, Altstadterhaltung sind auch zu Modeströmungen hochstilisiert worden. Alles, was an Fassaden älter als 50 oder 60 Jahre ist und „irgendwie verschnörkelt" aussieht, steht unter Denkmal- oder Ensembleschutz, wird vorne als Haut stehen gelassen und hinten rücksichtslos entkernt. Neubauten in Lücken werden fast nur mehr dann genehmigt, wenn sie wenigstens eine NeoGründerzeitfassade - mit Beton- und Kunststoffapplikationen - aufweisen. Und doch ist den alten Städten, Stadtkernen etwas eigen, was sie unabhän gig von formalen Modeströmungen und politischen Kurzzeitbekenntnissen macht. Nach fast hundert Jahren wissenschaftlicher Abstinenz beim Thema Stadtbaukunst beginnt wieder die intensive Erforschung von Stadt und Stadtstrukturen, geschieht Besinnung, erleben wir die Auseinandersetzung und die Suche nach neuen Pla nungskonzepten. Vor einigen Jahren schon wurde ich von einer Gruppe italienischer Touristen - profunden Fachleuten, wie sich später herausstellen sollte - aus einem abendlich grübelnden Heimweg aufgeschreckt und mit vielen Fragen konfrontiert. Die Beantwortung der Fragen mündete in einen umfassenden, aber zwei fellos persönlich geprägten Stadtrundgang. Und dann die Überraschung: Als Linzer ist man gewohnt, hinter den berühmten Städten zurückzustehen, als „kleinkariert", nebelig, umweltbelastete Wirtschaftsmetropole apostrophiert, an einer selten blauen Donau liegend. Die Gruppe aus Italien, Fachleute, wie schon erwähnt, kam bewußt nach Linz, hier stimmten in der Altstadt, im Kernbereich noch (!) Form und Inhalt überein. Gewiß, Salzburgs Altstadt ist größer, Rothenburg romantischer usw., aber die har monische Folge der Straßenräume und Plätze, die abgestimmten Flächen und Kuba turen, die formale Vielfalt in konsequenter Geschlossenheit, das wäre in Linz besich tigungswert. Mag sein, daß der Biergarten in Klosterhof die Erinnerung an Brüche, an Negatives etwas verschleiert hatte, daß die Gäste höflich zum Einheimischen sein wollten. Aber prinzipiell war die Diagnose gerechtfertigt. Im Folgenden werden anhand einiger Beispiele Einblicke in Qualitäten der Stadtgestaltung, in die Stadtbaukunst gegeben. Im Zuge von Jubiläumsfeiern ist es angebracht, ein wenig tiefer unter die übliche Oberfläche zu dringen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2