OÖ. Heimatblätter 1991, 45. Jahrgang, Heft 2

auch durch die Unsicherheit Bruckners, der Rat und Kritik bei Fachleuten und Vertrauten suchte, gingen die beiden bei ihrer Arbeit - guten Gewis sens - allmählich immer eigenmächtiger ans Werk. Dabei tritt auch so manches nicht unbedeutende Moment der schwierigen Künstlerpersönlichkeit Bruckners hervor. Sind die Eingriffe und Veränderungen, die Josef und Franz Schalk an Werken Bruckners - manchmal auch ohne Wissen des Meisters - vor nahmen, die gewünschte einfühlende Verbes serung von Praktikern zur publikumswirksameren Gestaltung oder eine grobe Verletzung, ja Miß achtung der künstlerischen Absichten des Kom ponisten und eine unentschuldbare Verfälschung des Originals? Als die Internationale BrucknerGesellschaft und die österreichische National bibliothek um 1930 begannen, eine kritische Ge samtausgabe der Werke Bruckners herauszu geben, kamen erstmals die schwerwiegenden Unterschiede der Fassungen Schalks und Bruckners zutage. Dies hatte eine generelle Ab lehnung der Bearbeitungen Schalks zur Folge, ob wohl sich Franz Schalk bemühte, seine Versionen als vom Meister als Endfassungen anerkannte zu rechtfertigen. An dieser geheimnis- und gerüch teumwitterten, skandalverdächHgen Problematik waren zwei anerkannte Musiker - besonders Franz Schalk als erfolgreicher Operndirektor und Star dirigent - beteiligt. Grund genug sich heute in die ser Frage um eine Klärung zu bemühen. Das vorliegende Buch beruht auf einem rei chen, bis jetzt nicht benutzten Quellenbestand (den die Witwe nach Franz Schalk der Musik sammlung der ÖNB übergeben hat), sodaß das bis heute geläufige, teilweise durch die gängigen Kli schees verzerrte Verständnis des Verhältnisses zwischen Bruckner und den beiden Schalks eine sachliche, wissenschaftlich fundierte Beurteilung erfahren konnte. Dies gelingt dem Autor durch die detaillierte Auswertung des Briefwechsels und durch die Gegenüberstellung mit dem „alten" und „neuen" Brucknerschrifttum, das er aus unerklärli chen Gründen jedoch nur bis 1983 berücksichtigt. Dabei erstellte er auch erstmals Biographien der Jugendjahre der beiden Schalks. Im Bemühen um ein objektives Urteil der Ziele und Rechtfertigung der Bearbeitertätigkeit befaßt er sich lobenswerter weise auch mit Mentalität und Geschmack des Konzertpublikums und der Musiker in Wien zu Bruckners Zeiten, vor allem im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Symphonien Bruckners, die ja eine völlig ungewohnte Kost waren. Leibnitz ist hier zweifelsohne eine bedeutende Klarstellung um das Werk Bruckners in einer fesselnden Dar stellung gelungen. Die maschinschriftliche Wie dergabe (mit einigen Tippfehlern), die ganz im Ge gensatz zu der geschmackvollen Buchgestaltung steht, macht allerdings das Lesen etwas mühsam. Neben dem Personenregister wäre auch ein Ver zeichnis der erwähnten Kompositionen Bruckners wünschenswert. Karl Mitterschiffthaler Thomas Röder: Auf dem Weg zur BrucknerSymphonie. Untersuchungen zu den ersten beiden Fassungen von Anton Bruckners dritter Symphonie. Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft, Band XXVI. Stuttgart: FranzSteiner-Verlag GmbH, Wiesbaden 1987.232 Seiten, zahl reiche Notenbeispiele und Tabellen. ISBN 3-515-04560-0 Beim Lesen des Inhaltsverzeichnisses - be sonders der Überschriften der elf Kapitel - könnte auf den ersten Blick die Befürchtung aufkommen, daß hier die dritte Symphonie in ihre Einzel bestandteile „zerlegt" wird, bis rdchts mehr übrig bleibt. Beim genaueren Lesen der Gliederung der einzelnen Kapitel wird aber erkennbar, daß der Autor neben der dritten Symphonie noch weitere Werke und auch biographische Einzelheiten in seine Betrachtung einbezieht und daß seine Vor gangsweise keineswegs ein „Zerlegen" ist, sondern ein sorgfältiges Untersuchen der vielen Details mit dem peniblen Blick durch die Lupe. Erst in jüngerer Zeit istmanauf die unerwartet großen Unterschiede der Symphoniefassungen Anton Bruckners aufmerksam geworden, sodaß sich Musikwissenschafter wie Interpreten mit die ser Problematik (Ur-, Erst-, Original-, Endfassun gen) intensiv befaßten, wozu das Bruckner-Sym posion „Die Fassungen" in Linz 1980 einen ent scheidenden Anstoß gegeben hat. Dort wurde klar, daß zur Beantwortung dieses großen Fragen komplexes mehrere detaillierte und umfassende Fassungsvergleiche notwendig sind. Thomas Rö der hat sich mit der dritten Symphonie ein Werk ausgesucht, das dafür eine reichliche Ausbeute erwarten ließ. Zunächst zeigt er die ziemlich stark differierenden Werkgestaltungen der beiden Fas sungen deutlich auf und geht auch auf die Zeit zwi schen den beiden Fassungen als wichtige Schaf fensperiode ein, in der Bruckners symphonischer Personalstil reifte.

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