OÖ. Heimatblätter 1991, 45. Jahrgang, Heft 2

auch als eine Summe von politischen Entscheidungen, Deklarationen und Proklama tionen und daß daher der eigentliche normative Kern der Verfassung nicht immer im Mittelpunkt der Verfassung steht"Hiebei kommt es zum Gegensatz zwischen der - geschriebenen - Verfassung und der Verfassungswirklichkeit. Sie zu harmonisieren, wäre das anzustrebende Ziel einer Verfassung als Idealtypus, es zu erreichen bedarf des guten Willens aller am politischen Leben an herausragender Stelle Beteiligten, nur selten gelingt es. Nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges versuchte man in der Bundesrepublik Deutschland eine solche Grundlegung mit dem Bonner Grund gesetz, das aber in Spannung mit der dynamischen Entwicklung von Wirtschaft und Wohlstand geriet und das deshalb, so plädiert Peter Häberle, einer kulturellen Ergän zung bedürfe; „Verfassungslehre als Kulturwissenschaft",^^ womit er die Gedanken fLermann Hellers weiterführt, der als das letzte und höchste Ziel des Staates den Kulturbegriff bezeichnete, Kultur als „Inbegriff der diesseitigen menschlichen Bestim mungen, als Herrschaft und Gestaltung von Natur, Gesellschaft und Persönlich keit".^^ Weil wir aber nur beherrschen, was wir mit der Vernunft erkennen, verlange - so Heller - steigende Kultur steigende Rationalisierung aller Lebensbeziehungen. Das nannte er den „Prozeß der Umwandlung des Rassemäßigen zum Reflektierten". Ersetzen wir das zeitbedingte „Rassemäßige" durch den Begriff des „Emotionellen", so haben wir die Richtung, die einzuschlagen wäre, damit der Staat als Rechtsordnung seine Funktionen wieder ausüben kann, um, polibsche Kultur pflegend, Ökonomie und Ökologie in vernünftigen Bahnen vorwärtszubringen. Gelingt hier ein Konsens und läßt er sich mit einer Hinwendung zu „postmate rialistischen" Werten abseits weltfremden Schwärmertums überhöhen, so könnte dem demokratischen Verfassungsstaat westlicher Prägung wieder jene Legitimität® zuwachsen, die er auch nach dem Zusammenbruch der östlichen Systeme braucht und die ihm, wie die zunehmende Staatsverdrossenheit der jüngeren Generation zeigt, insbesondere die Legalität® in Form ständig wachsender Fluten parlamentari scher Gesetze nicht auf Dauer zu gewährleisten vermag. Ein Blick zurück in den Fundus geistes- und kulturwissenschaftlicher Bil dung, der in den staatsrechtlichen und politischen Werken Kelsens, Schmitts und Hellers auch heute noch Wirkkraft entwickeln kann, täte dabei gut. Freilich hat auch das seine Grenzen. Hermann Heller hat dies mit den folgenden Sätzen zum Ausdruck gebracht: „... Nie und nimmer kann die letzte Sehnsucht unserer Seele durch die Politik Felix Ermacora, Staat als Rechtsordnung, in: Raschauer (Hrsg.), Beiträge zum Verfassungs- und Wirt schaftsrecht (1989), S. 3 (8 ff.). Band 436 der Reihe „Schriften zum öffentlichen Recht", Verlag Duncker & Humblot, Berlin 1982. 84 Seiten. Vgl. Gerhard Robbers, Hermann Heller: Staat und Kultur. Baden-Baden 1983, S. 92 f. Vgl. dazu die berühmte Schrift Carl Schmitts aus dem Jahre 1932 „Legalität und Legitimität", 4. Auf lage. Verlag Duncker & Humblot, Berlin. 98 Seiten, DM 19,80.

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