OÖ. Heimatblätter 1991, 45. Jahrgang, Heft 2

die Hofmannsthal - und auch Hammerstein - in ihrer Zeit weiterverfolgt haben. Diese wenig bekannte Fortführung ihres Staatsdenkens führt uns nun zu Carl Schmitt. Wer war dieser Staatsrechtslehrer Carl Schmitt, der - so Hofmannsthal - dort siedelt, „wo das Staatsrechtliche, das Politische und das Historische zusammen treffen", und der das Interesse namhafter Dichter auf sich zog? Er war 1888 in Plettenberg in Westfalen geborerf^ und schrieb eine Fülle gewichtiger Werke zum Staatsrecht im weitesten Sinn. Kennern der „schönen" Literatur ist seine „Polihsche Romantik" (1919) bekannt, eine gnadenlose Verhöhnung Adam Müllers. Aufsehen erregte sodann „Die Diktatur" (1921), eine Darstellung „von den Anfängen des modernen Souveränitätsdenkens bis zum proletarischen Klassen kampf",^^ für Hofmannsthal eine fesselnde Lektüre. Als Gipfel seiner Gestaltungs kunst gilt heute seine „Verfassungslehre" aus dem Jahre 1928, die 1989 im Verlag Duncker & Humblot, Berlin, der das Werk Carl Schmitts betreut, in unveränderter siebenter (!) Auflage erschienen ist. Zu diesem Buch sind zahlreiche Rezensionen geschrieben worden; als eine der geistvollsten gilt die von Erich Voegelin" (1901 bis 1985), der mit seinem nach Umfang und Inhalt gewichtigen Buch „Der autoritäre Staat. Ein Versuch über das österreichische Staatsproblem" aus dem Jahre 1936 zum Staatstheoretiker des - kurzlebigen - österreichischen Ständestaats wurde. Es kann hier nur darum gehen, aufmerksam zu machen auf ein Werk, das von einer exorbitan ten geistesgeschichtlichen Bildung durchstrahlt und von einem Shlisten ersten Ranges verfaßt ist, dem - wieder nach Hofmannsthal - die Geschichte „ein Lebendi ges" ist. Allmählich beginnt man auch in Österreich, der „Kelsen-Hochburg", - Kelsen und Carl Schmitt waren Antipoden auf höchstem Niveau - den Schatz der Schmittschen „Verfassungslehre" zu heben. Felix Ermacora, selbst Verfasser einer „österrei chischen Verfassungslehre" in zwei Bänden, hat kürzlich als Carl Schmitts Sicht der Verfassung die philosophischen Ideen und Ideologien bezeichnet, die der neben Schmitt und Kelsen bedeutendste Staatsrechtler der Zwischenkriegszeit, der in Deutschland wirkende Österreicher Hermann Heller (1891 bis 1933), „politische Ideenkreise"^^ nannte. Der Inhalt einer gegebenen Verfassung hat den Grund seines Seins in „den polihschen Kräften, die um eine rechtliche ördnung ringen; der Grund des Seins einer Verfassung ... liegt in der historischen, sozialen, wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Wirklichkeit! Carl Schmitt lehrt auch, daß die geschrie bene Verfassung nicht nur als eine Summe von Normen zu verstehen ist, sondern " Dort ist er auch im Patriarchenalter 1985 gestorben. Verlag Duncker & Humblot, Berlin, XXIII, 259 Seiten, DM 48,-. Darin (S. 95 f.) das interessante Urteil, daß, wie die Wahlkapitulation Ferdinands III. vom 24. Dezember 1636 zeigt, die letzte Möglichkeit, aus dem Deutschen Reich eine politisch existierende Einheit auf nationaler Grundlage zu schaffen, mit dem Tode Wallensteins 1634 zerstört worden sei. Ebenso in Carl Schmitts „Verfassungslehre", S. 48. In: Zeitschrift für öffentliches Recht, Band 11,1931, S. 89-109. " Der Titel des Buches lautet: „Die politischen Ideenkreise der Gegenwart". Es ist 1926 in Breslau erschie nen, im selben Jahr, in dem Hofmannsthal mit dem Werk Carl Schmitts bekannt wurde. Hermann Heller ist ürbigens in jenem Teschen geboren, in dem 1779 jener Friedensschluß erfolgte, der das Inn viertel an Österreich brachte.

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