hall hatte aber Jahre vorher Hofmannsthal das Ordnungsdenken Grillparzers und Stifters den neuen Auflösungstendenzen nach 1918 entgegengestellt.® Mit beider Werk hat er sich immer wieder beschäftigt. Den „Nachsommer" sah er als Erzie hungsroman, der sich „jener hohen älteren Kunstgattung, dem Staatsroman, genähert, sich mit ihm berührt (hat)".^ Zwei Jahre später schreibt Hofmannsthal, von dem Hermann Broch zu Unrecht behauptete', bei ihm sei das „Unpolitische seiner österreichisch-bürgerli chen Herkunft ins Extrem gesteigert" gewesen, an Josef Redlich (1869 bis 1936), den Staatslehrer, Historiker und letzten kaiserlichen Finanzminister: „Eine neue Erscheinung ist vor etlichen Wochen, durch einen Zufall, völlig in mein Blickfeld getreten. Es ist der Staatsrechtslehrer der Universität Bonn, Carl Schmitt. ... Die Schrift, die mir zuerst in die Hand fiel, hieß ,Politische Theologie' (= die Lehre von der Souveränität). Was mich an den Ausführungen fesselt, ist eine gewisse vitale Intensität, und die Gesinnung oder besser Geisteshaltung, die auf Hobbes, Bonald, Cortes zurückgeht. Ganz natürlich ergibt sich ein scharfer Gegen satz zu Kelsen, dem Mann des,relativistischen Formalismus'. Ein größeres Buch von ihm, ,Die Diktatur', fesselt mich gleichfalls. Er hat enorme geschichtliche Kenntnisse, und Geschichte ist ihm ein Lebendiges, wie Ihnen und mir. Dort, wo das Staatsrecht liche, das Politische und das Historische zusammentreffen, siedelt er. Ein Buch, ,Der Wert des Staates und die Bedeutung des Einzelnen', ist schon 1917 erschienen."® Einige Jahre später, 1932, übermittelte Hermann Broch dem von Hofmanns thal genannten „Staatsrechtslehrer" seine „Logik einer zerfallenen Welt", die, als zehn teilige Essayfolge ausgebaut, in den Huguenau-Teil der Schlafwandler-Trilogie Ein gang fand, mit persönlicher Widmung.' Zwei Jahre vorher hatten sich Carl Schmitt und Robert Musil in Berlin über Vermittlung von Franz Blei getroffen.^' Das Gespräch drehte sich in erster Linie um Walter Rathenau, dessen Züge im „Mann ohne Eigenschaften" in der Figur des Paul Arnheim wiederzuerkennen sind. Das Denken Carl Schmitts über Staat und Ordnung ist bei völlig veränderter geschichtlicher Situation in vielem, vor allem in der Grundlegung, verwandt jener Sicht des Staates, die wir oben bei Grillparzer und Stifter nur andeuten konnten und Vgl. Demmelbauer, „Ordnen und aus der alten Ordnung heraustreten". Zu Hofmannsthals „Turm" und seiner Schrifttumsrede. Jahrbuch der Innviertier Künstlergilde 1990/91, S. 21 ff. Hofmannsthal, Stifters Nachsommer, Erstdruck in Neue Freie Presse, Wien, 25. Dezember 1924, in: Hugo von Hofmannsthal, Gesammelte Werke, Reden und Aufsätze II, 1914 bis 1924, Fischer-Taschen buch Nr. 2167, S. 220 ff. Hermann Broch, Hofmannsthal und seine Zeit, Bibliothek Suhrkamp, 1974, S. 101 f. Helga Fußgänger (Hrsg.), Hugo von Hofmannsthal - Josef Redlich, Briefwechsel, 1971, S. 77. Wolfgang Graf Vitzthum, Brochs demokratie- und völkerbundtheoretische Schriften, in: F. M. Lütze ler (Hrsg.), Hermann Broch, 1986, S. 289 (291). ' Dies berichtet Roman Schnur in: Der Staat, 27/1988, S. 447 ff. Es handelt sich hiebei um die Bespre chung des von Helmut Quaritsch herausgegebenen Bandes „Complexio Oppositorum - über Carl Schmitt", Verlag Duncker&Humblot, Berlin 1988, 610 Seiten, DM 98,-.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2