OÖ. Heimatblätter 1991, 45. Jahrgang, Heft 2

Entwurf komme deutlich das Bestreben der sozialdemokratischen Führer zum Aus druck, „nach beiden Seiten die Position zu wahren und den Radikalisten ebenso nach dem Munde zu reden wie denen, die erst für die große Heilslehre gewonnen werden sollen". Weitere Berichte über den Verlauf des Parteitages erschienen im Morgenblatt vom 2. November und im Abendblatt vom 4. November in aller Kürze. Bemerkens wert erscheint die Feststellung: „... Max Adler hat zum Unterschied zur Zurück haltung von Dr. Bauer - die jedoch reine Taktik ist - offen aus der Schule geplaudert." Dabei traten die inneren Widersprüche des Programms zutage. In der Schluß diskussion tauchte der Gedanke auf, die „Übergangsperiode zum Sozialismus" könne noch „generationenlang" dauern und fallweise die Bildung von Koalitionen erforderlich machen. Das „Neue Wiener Tagblatt. Demokratisches Organ" vom 31. Oktober schrieb unter anderes in einem Leitartikel „Das hölzerne Eisen. Zum sozialdemokra tischen Parteitag"; „Rund 300.000 Stimmen, so haben es Dr. Bauer und Dr. Danne berg ausgerechnet, fehlen den Sozialdemokraten zur Mehrheit im Nationalrat. Auf die Gewinnung dieser Wählerzahl aus dem Kleinbürgertum, der kleinen Bauern schaft und der Intelligenz ist das Sinnen und Trachten der Sozialdemokraten gerich tet ..." Die Einstellung zur Frage der Diktatur bewegt den Schreiber: „... Was Diktatur ist, darüber können sich unsere Sozialdemokraten bei ihren italienischen Klassen genossen erkundigen. Für Österreich und seine Arbeiter ist es schon gesünder, Holz Holz und Eisen Eisen sein zu lassen." Im Morgenblatt des 2. November ist auf Seite 4/5 über den „sozialdemokratischen Parteitag" zu lesen: „... Otto Bauer und ihm zur Seite die praktischen Politiker Dr. Renner und Fritz Austerlitz wiesen den Radikalismus - namentlich Max Adlers - zurück... Für uns in Österreich erscheint nun die Eroberung der politischen Macht nicht mehr als ein Traum für ferne Zeiten, sondern als Aufgabe dieser Generation der Arbeiterklasse. Das ist der eigentliche Grundgedanke des Parteiprogrammes ... Demokratie oder Diktatur ... es gilt, der österreichischen Arbeiterklasse ein Programm des Machtwillens zu geben." Das Abendblatt vom 2. November (auf Seite 2), die Morgenausgabe vom 3. November (auf Seite 4) und das Abendblatt des gleichen Tages (auf Seite 2) informierten in kurzen Notizen über den weiteren Verlauf des Parteitages, die Vorbereitungen zu den kommenden Wahlen, die Konstituierung der neuen Parteispitze und die Schluß sitzung unter dem Vorsitz von Seitz. Die „Volkszeitung" vom 30. Oktober stellte in ihrem Leitartikel über „Die Wandlungen unserer Sozialdemokratie" kritisch fest: „... In dem Sonntagsaufsatz des Parteiorgans war es glatt herausgesagt, daß ,hier (nämlich in Österreich) das Proleta riat über das Gleichgewicht der Klassenkämpfe hinausstrebt..., hier kämpfen wir nicht um eine Koalition, hier kämpfen wir um die Macht!' Das ist klar gesprochen, und nicht minder klar ist der Zweck der Machtergreifung bezeichnet, ,bereit sein ist alles', meint der Aufsatz, ,bereit sein, alles daranzusetzen, um den Sozialismus zu ver wirklichen'. Nimmt man noch dazu, wie die Führer und Publizisten diese ,Verwirklichung' beleuchten, wie der eine vermeint, es könne zweckmäßig sein, ,die Demokrati sierung zugunsten der Sozialisierung aufzuschieben', der andere aber von der ,Mög-

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