OÖ. Heimatblätter 1991, 45. Jahrgang, Heft 2

man der demokratischen Gesinnung unserer Patentrepublikaner nicht über den Weg trauen darf. Niemand kann mehr überrascht sein, wenn sie sich heute oder morgen in der Rolle als Diktatoren versuchen wollen ..Überraschenderweise folgten in den Ausgaben von 2., 3. und 4. November durchaus sachliche Berichte über den Partei tag, dessen Verlauf sowie die unterschiedlichen Standpunkte der Debattenredner. Ausgesprochen polemisch reagierte hingegen die „Christlichsoziale Arbei terzeitung", die in ihren Ausgaben von 28. August, 4., 11., 25. September sowie 2. Oktober in fünf Folgen „Das Gimpelfängerprogramm" glossierte: „... Da die sozial demokratische Partei die Diskussion über diesen Programmentwurf eröffnet hat, so wäre zunächst festzustellen, daß die Jagd nach den Stimmen der Bauern und Gewerbetreibenden und die pragmatische Förderung dieser Jagd nicht im Geiste Victor Adlers gelegen ist..." „... Wie ja das Programm vor allem zeigt, daß Otto Bauer und sein Anhang vorurteilslos vieles vom Bolschewismus gelernt und übernommen hat. Hiezu gehört auch die famose Proletarierdiktatur ... eine Begründung für die Aufstellung der roten Arsenal-, Revolver- und Ochsenziemer-Armee, genannt,Repu blikanischer Schutzbund' ..." „... Im Programm bleibt aber, um die ausständigen 350.000 Stimmen einzuheimsen, weiterhin die Leimspindel: Religion ist Privat sache! ... Freidenkerei dagegen ist Parteisache!" Die Partei bleibt in ihremErziehungsprogramm „religionsfeindlich und kulturkämpferisch". „Die sozialistische Wirt schafts- und Gesellschaftsordnung" ist eigentumsfeindlich. Am 13. November brachte die Titelseite unter den Schlagzeilen „Lüge und Augenauswischerei" ein Nachwort zum sozialdemokratischen Parteitag. Im Abendblatt der „Neuen Freien Presse" erschien bereits am 9. August ein Kommentar zum neuen Programmentwurf Otto Bauers, worin besonders der Gesichtspunkt der Machteroberung kritisiert wird. Der Entwurf gehe von der zuversichtlichen Stimmung aus, daß es nicht mehr allzu lange dauern werde, bis die Sozialdemokratie die Macht im Staate erobern werde. Im Unterschied zu den früheren Programmen gehe dieses über die allgemeinen Ausführungen hinaus, „gewissermaßen in die Details, die nach Ansicht der sozialdemokratischen Führer bald unmittelbare Aktualität haben können". Aus dem Entwurf selbst sei zum ersten „ein sehr eingeschränktes und sonderbar formuliertes Bekenntnis zur demokrati schen Republik" herauszulesen. Der zweite wesentliche Punkt sei die Lehre von der Hegemonie des Proletariats. Die nichtsozialdemokratische Öffentlichkeit müsse für die Offenheit dankbar sein. Denn bei den kommenden Wahlen würde es viele zum Nachdenken bringen, „wenn sie schwarz auf weiß zugesichert erhalten, daß ihre Shmmen nur dazu dienen sollen, die Hegemonie des Proletariats zu besiegeln und einer Klasse gegen die andere und über die andere zur Herrschaft zu verhelfen". Zur Frage der Gewaltanwendung bemerkt ein Kommentator: „Die Aufgabe des wirkli chen Demokraten, der nicht bloß eine Scheindemokratie als Maske für egoistische Parteigelüste sich vorhängt, wird sein, bei einem Angriff auf die Verfassung für ihren Schutz zu sorgen, und wer offen zugibt, daß er in diesem Fall nur die Verwirrung benutzen würde, um seine Privatgeschäfte zu erledigen und die eigene Diktatur zu errichten, der wird kaum noch als Demokrat angesprochen werden können ..." Im

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