gewählt. Eingangs wurde die Frage aufgeworfen, ob man bei der kommenden Wahl eine Einheitsfront von Christlichsozialen, Großdeutschen und der Bauernpartei bilden solle, um die Wiederaufrichtung des Vaterlandes zu erreichen". „... Am Sonntag nachmittags legte Prof. Dr. Karl Lugmayer nach einem einleitenden Referat das neue Programm vor (es folgt dessen Text). Am Montag vormittags fand eine ein gehende Debatte darüber statt, ehe das Programm einshmmig beschlossen wurde." Die Versammelten richteten eine Grußbotschaft an den Heiligen Vater nach Rom. Bei der neuerlichen Vorstandswahl kandidierte neben Leopold Kunschak als Obmann aus Oberösterreich Gasperschitz. In der Schlußdebatte wurde die vorgeschlagene Einheitsliste abgelehnt und entschieden jede Absicht geleugnet, einem Abbau der bestehenden Arbeiterschutzgesetze oder einer Durchlöcherung des Mieterschutzes zuzustimmen. Im Gegenteil forderten die Delegierten die baldige Einführung einer Alters- und Invaliditätsversicherung. Die wichtigsten Schlagzeilen der „Arbeiterzeitung" zur innenpolihschen Diskussion in jenen Tagen lauteten: „Der christliche Kurs und die jüdischen Groß banken", „Kirche und Republik", „Verpfaffung der Wehrmacht" oder „Handel- und Gewerbetreibende im reakhonären Lager". Mit keinem Satz wurde das Programm der katholischen Arbeitervereine erwähnt. Die „Reichspost" griff mit ähnlichen Methoden die Opposition an: „Anti semitische Bemerkungen zur sozialishschen Führung", „Der Achtstundentag und der Arbeiterurlaub gefährdet? - Eine Heldenpose der Sozialdemokratie", „Erfolge der christlich-sozialen Gewerbetreibenden (bei Stundung der Steuervorauszahlungen)". Im übrigen schwieg man sich über das neue Programm aber aus. Das „Neue Wiener Tagblatt" schrieb über „Hitler auf dem nationalsozialisti schen Parteitag in Salzburg", über eine „Monarchistenversammlung in Graz"; die „Neue Freie Presse" berichtete von der „Eröffnung des ersten Weltkongresses der orthodoxen Juden in Wien", der von Bundeskanzler Seipel ein Grußtelegramm erhielt; - nirgends eine Erwähnung. Eine ausführliche Berichterstattung darüber brachte nur die wöchentlich erscheinende „Christlichsoziale Arbeiterzeitung. Zentralorgan der christlichsozialen Arbeiterpartei Österreichs" vom 18. August. Diese widmete die beiden ersten Seiten dem Ereignis. Die Schlagzeile der Titelseite lautete: „Und nun vorwärts mit Gott! X. Reichsverbandstag in Linz. Ein neues Programm". Der Artikel beginnt: „Fast 28 Jahre ist es her, daß im Jänner 1896 in Wien der Erste Parteitag der christlichen Arbeiterschaft Österreichs zusammengetreten ist ..." Unter den Debattenrednern scheint Gemeinderat Kohl aus Linz auf. An Einzelheiten aus der Debatte erfahren wir: Bei einer Einheitsliste bestünde die Gefahr einer vollen Verwischung der Grundsätze und außerdem der Bildung einer Einheitsfront gegenüber der Arbeiterschaft. Gegen den von monarchistischer Seite unternommenen Versuch, auch in die Reihen der Arbeiterschaft die Streitfragen über die Staatsform zu tragen, verwahrte sich der Reichsverband entschieden.
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