OÖ. Heimatblätter 1991, 45. Jahrgang, Heft 2

Im Schulwesen^'' erstrebt die Sozialdemokratie „die Aufhebung des Bildungs monopols der Bourgeoisie" durch eine weitgehende Reform, wobei die Öffentlichkeit des Schulwesens und dessen Unentgeltlichkeit (auch für Lehr-, Lern- und Arbeits mittel) sichergestellt sein muß. Erziehungsziele sind die Weckung der Selbsttätigkeit des Schülers (Arbeitsschule) und Selbstverwaltung derselben (Schulgemeinde). Dabei gilt es, geistige mit Werksarbeit zu verbinden und neben einer körperlichen Ausbildung auch eine solche in republikanischem und sozialem Sinne zu vermitteln. Weitere Forderungen sind die Ausdehnung der Schulpflicht für alle auf acht volle Jahre, die Aufhebung aller Schulbesuchserleichterungen, die Errichtung einer Einheitsschule für die jeweils vierjährige Grund- und allgemeine Mittelschulstufe als Pflichtschule für alle. Die Schülerhöchstzahl je Klasse wird mit 30 festgesetzt, für Behinderte soll es künftig verbindliche Sonder- und Hilfsschulen geben. Die Lehrer ausbildung hat an den Hochschulen in Verbindung mit den pädagogischen Instituten zu erfolgen. Die Fortbildungsschulpflicht ist auf alle Schulmündigen, die keine Fach- oder Oberschule besuchen, auszudehnen. An den fachlichen Fort bildungsschulen sind der Lehrwerkstättenunterricht sowie Fächer für körperliche Ertüchtigung und staatsbürgerliche Erziehung einzuführen. Der Tagesunterricht hat unter Anrechnung auf die Arbeitszeit zu erfolgen. Die Errichtung staatlicher Erzie hungsanstalten, die Gewährung von Studienstipendien, der Bau weiterer Studenten heime soll „begabten Kindern aller Volksklassen" eine höhere Bildung ermöglichen. Die Unparteilichkeit der Hochschulverwaltung verlangt eine Reform des Habilitations-, Berufungs- und Disziplinarwesens, die Errichtung allgemeiner Studenten kammern sowie Maßnahmen zur Sicherstellung eines freien Wettbewerbs des wissenschaftlichen Sozialismus an allen Einrichtungen der Hochschulen. Zum Verhältnis von Religion und Kirche^'' wird erklärt; „Der Kapitalismus erhält breite Massen des Volkes im Zustande des Elends, der Unwissenheit, der Unter würfigkeit. Dieser Zustand bestimmt die religiösen Anschauungen dieser Volks massen." Die Sozialdemokratie vereinigt alle, die am Klassenkampf teilnehmen wollen, „ohne Unterschied ihrer religiösen Überzeugung". Im Gegensatz zum BGerikalismus, der die Religion zur Parteisache macht, um die Arbeiterschaft zu spalten, betrachtet die Sozialdemokratie „die Religion als Privatsache des einzelnen. Die Sozialdemokratie bekämpft also nicht die Religion, die Überzeugung und Gefühle der einzelnen, aber sie bekämpft Kirchen und Religionsgesellschaften", die mit ihrer Macht die Herrschaft der Bourgeoisie stützen. Sie bekämpft das geltende Staats kirchenrecht, womit der Staat seine Staatsbürger zu wirtschaftlichen Leistungen an die Kirche zwingt und diese zur Teilnahmeam kirchlichenReligionsunterricht,an kirchlichen Kulthandlungen und auch zur Unterwerfung unter kirchliche Gebote verpflichtet. Die Sozialdemokrabe fordert eine Trennungvon Kircheund Staatsowie Brigitte Drexler, Bildungsprogramme der Sozialdemokratie in der Ersten Republik, Dipl.-Arb., Wien 1978 (behandelt auch das Aktionsprogramm von 1919 sowie das Agrarprogramm von 1925). Siehe Fußnote 32.

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