OÖ. Heimatblätter 1991, 45. Jahrgang, Heft 2

sowie Ausgleichskassen (Kinderversicherung), Witwen- und Waisenversorgung ein zurichten. Diese Maßnahmen sollen die Berufsstände und nicht der Staat betreiben, wobei letzterer nur das Aufsichtsrecht besitzt. Der dritte Abschnitt formuliert die „politischen Grundsätze" des Reichs verbandes: Als den Hauptzweck des Staates erklärt dieser die „zeitliche Wohlfahrt der Gesamtheit" aller Staatsbürger. Deshalb ist „Politik die richtige Wahl der Mittel, wodurch jeweils die Einzelzwecke des Staates erreicht werden" können, wobei dies nur unter Beachtung der Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre geschehen darf. Jede Form von Staatsallmacht ist deshalb verwerflich. Der Staat ist auch nicht die letzte Quelle des Rechts. Die Arbeiterschaft hat in ihrem Bereich ebenfalls dafür zu sorgen, „daß ihre Anschauungen durch die eigenen Organisationen zur Geltung gebracht werden". Der Reichsverband steht auf dem Boden der Demokratie und fordert „volle Gleichberechtigung der Arbeiterschaft in Ausmaß und Ausübung der politischen Rechte, Freiheit der Gesinnung und des Organisationswillens sowie Aus dehnung des Verhältniswahlrechtes auf alle Wahlen". - Gesunder Fortschritt auf kul turellem, politischem und wirtschaftlichem Gebiet verlangt, „daß die Führer der Arbeiterschaft in Abstammung und Denkart dem bodenständigen christlichen Volke angehören und daß der zersetzende Einfluß des Judentums aus dem Geistes und Wirtschaftsleben des deutschen Volkes verdrängt" werde. In völkischer Hinsicht bekennt sich die christlichsoziale Arbeiterschaft „zur Kulturgemeinschaft des deut schen Volkes". Sie erstrebt aber gleichzeitig den „zwischenstaatlichen Zusammen schluß aller Arbeiterorganisationen, die auf dem Boden des Christentums stehen: einen wahren Weltarbeiterbund". Das „Linzer Programm" der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs 1926^® Auf dem vom 30. Oktober bis 3. November in Linz versammelten Parteitag wurde nach 25 Jahren („Wiener Programm" von 1901 und „Brünner Programm" von 1903) ein neues, von Otto Bauer verfaßtes umfangreiches Grundatzdokument ver abschiedet, welches das provisorische „Aktionsprogramm des Verbandes sozial demokratischer Abgeordneter" von 1919 sowie ein 1925 vom Parteitag be schlossenes „Agrarprogramm"ablöste. Das „Linzer Programm" wurde erst 1934 durch eine „Prinzipienerklärung: Neue Wege zum alten Ziel" für die Arbeit in der Illegalität angepaßt - ebenfalls durch den im Brünner Exil wirkenden Otto Bauer. Bauers Sprache ist - wie die des Austromarxismus überhaupt - aggressiv, wobei manche Kritiker meinen, daß diese kompromißlose Härte - aus der Enttäuschung jahrelanger Opposition sowie in Abwehr konkurrierender kommunistischer Agita tion geboren - in der Praxis des politischen Alltags gar nicht so ernst gemeint ge- ' Berchtold, a. a. O., S. 247-264. - Kadan u. Pelinka, S. 75-93. - Winkler, S. 37-59. - Dechel, S. 231-280. - Brussattl u. a., S. 249-253.

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