OÖ. Heimatblätter 1991, 45. Jahrgang, Heft 2

Österreich eine Konjunktur, allerdings bei einer relativ hohen Arbeitslosenzahl und einem leichten Preisanstieg. Dennoch konnten die Sozialdemokraten dies nicht sofort in Wahlerfolge ummünzen. Die NaHonalratswahl 1923 hatte ihnen in Oberösterreich einen Stimmen anteil von nur 27,45 Prozent gebracht - während sich dieser auf Bundesebene auf 39,46 Prozent erhöhte. Oberösterreich blieb ein unerfülltes Hoffnungsgebiet. Die Christlichsozialen erreichten 55,2 Prozent - auf Bundesebene jedoch nur 45 Prozent. Der Anteil der Großdeutschen war weiter auf 15,25 Prozent gesunken - auf Bundes ebene sogar auf 12,26 Prozent. Bei den Landtagswahlen 1925 erreichten die Sozial demokraten in Oberösterreich mit 26 Prozent ihren tiefsten Stand. Das neue Linzer Programm ist als Wahlaufruf für die Nationalratswahl 1927 gedacht, bei der sich ihr Stimmenanteil wieder auf 32 Prozent steigern sollte - während dieser auf Bundes ebene sogar 42 Prozent erreichte. Die Radikalisierung trug somit reiche Frucht. Bauer verwendet in seinem Linzer Programm nahezu in jedem zweiten Satz das Wort Kampf, spricht von notwendiger „Gewalt in einem Bürgerkrieg" und allenfalls not wendiger „Diktatur" der Arbeiterklasse. Die Lösung aller Fragen bringt für ihn allein der Klassenkampf.^^ Dieser wendet sich aber nicht nur gegen die Kapitalisten, sondern auch gegen alle ihre Helfer, insbesondere die „Klerikalen". Die Religion selbst greift er allerdings nur indirekt an.^^ Im übrigen aber versucht er, alle Randschichten - Kleingewerbetreibende, Kleinbauern, Freischaffende und Angestellte - für die Partei zu gewinnen. Sein umfangreiches Enteignungsprogramm kennt für diese gewisse Ausnahmen, empfiehlt ihnen aber, freiwillig Genossenschaften zu gründen. In der Frage der Frauenemanzipation engagierte sich die Partei maßgeblich. Sehr konkret ins Detail gehend sind die neuen Wirtschafts- und Sozialprogramme, die viel Zukunftsträchtiges enthalten. Das abschließende Bekenntnis zur Internationale schließt einen allgemeinen, weltweiten Friedensappell mit ein. Gleichzeitig wird der Kampf gegen den Imperialismus begrüßt, auch gegen das Fremdkapital in Oster reich. Bauer trat offen für den Anschluß Österreichs an Deutschland ein (welcher Punkt erst 1933 aus dem Programm eliminiert wurde). Der Völkerbund in seiner gegenwärtigen Wirksamkeit wird als ein Werkzeug des Kapitalismus abgelehnt. Es findet sich somit auch manches Widersprüchliche in diesem verbal äußerst aggressiven Dokument, das auf die Dauer seine Wirkung nicht verfehlt hat. Trotz dieser Polarisierung gab es in Oberösterreich kaum marxistische Strömungen. Das Sozialismusverständnis neigte hier eher zu Ferdinand Lassalle als zu Karl Marx. Am besten wird diese Tatsache vielleicht durch ein Bonmot illustriert, wonach der Linzer Bürgermeister Josef Dametz während des Linzer Parteitages seine durch Zwetschken geförderte Verdauung mindestens ebenso wichtig nahm wie die brillantesten Reden Wilfried Hoffer, Die österreichische Sozialdemokratie zum Klassenkampf. Von Hainfeld bis Linz, Diss., Graz 1967, S. 106-110. • Gerhard Steger, Rote Fahne, Schwarzes Kreuz. Die Haltung der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs zu Religion, Christentum und Kirche. Von Hainfeld bis 1934, Wien 1987. - Josef Außermair, Kirche und Sozialdemokratie. Der Bund der religiösen Sozialisten 1926-1934, Wien 1979.

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