OÖ. Heimatblätter 1991, 45. Jahrgang, Heft 2

Vertretung von Banken, Industrie und Landwirtschaft, von ihren ideologischen Grundlagenwerten des Christentums war nur mehr wenig zu spürend^ Die Christ lichsozialen besaßen von Anfang an - trotz aller Bemühungen von Kunschak - unter der Industriearbeiterschaft kaum Anhänger, während sie unter den Handwerks gesellen des Kleingewerbes (Kolpingsöhne) und auch in der Landarbeiterschaft über relativ viele Sympathisanten von alters her verfügten. Die zurückgebliebene Wirt schaftsstruktur Oberösterreichs kam so ihren Absichten entgegen, und deshalb dürfte man auch in Linz getagt haben. Im Jahre 1923 besaß - nach Slapnicka - die christliche Arbeiterbewegung Oberösterreichs 44.875 Mitglieder, wozu noch 8.046 Mitglieder des Katholischen Arbeiterbundes hinzuzuzählen sind. Christliche Arbeitersekretariategab es neben dem Linzer Zentralsekretariat noch in Ebensee, Wels und Steyr. Der Christliche Landarbeiterbund besaß solche in Linz, Steyr, Ried und Rohrbach-Oepping. Eine Stadtorganisation Linz entstand aber erst 1924. Bereits bei der ersten Nationalratswahl von 1919 hatte die christlichsoziale Partei in Oberösterreich 46,2 Prozent der gültigen Stimmen erreicht - um 10 Prozent mehr als auf Bundesebene, während die Sozialdemokraten nur auf 27,98 Prozent kamen, hingegen auf Bundesebene auf 40,76 Prozent; die großdeutschen Gruppen erzielten 25,82 Prozent - auf Bundesebene aber nur 18,36 Prozent. In Linz (und Um gebung) dominierten die Sozialdemokraten mit 46,03 Prozent, gefolgt von den Christlichsozialen mit 31,12 Prozent und den beiden großdeutschen Parteien mit 28,3 Prozent. Bei der Nationalratswahl 1920 erreichten die Christlichsozialen sogar 55,20 Prozent - auf Bundesebene aber nur 42,27 Prozent. Die Sozialdemokraten fielen auf 26,73 Prozent ab - auf Bundesebene sogar auf 35,99 Prozent (ihr schlechtestes Wahlergebnis in der Ersten Republik!). Noch schwerere Verluste erlitten die Croßdeutschen mit einem Anteil von nur mehr 17,34 Prozent - während ihr Anteil auf Bundesebene immerhin noch 18,36 Prozent erreichte. In Linz sank der Anteil der Sozialdemokraten auf 41,45 Prozent, jener der Croßdeutschen auf 21,1 Prozent, während die Christlichsozialen mit 35,97 Prozent leicht verbessert ab geschnitten haben.^^ Nunmehr stand die Nationalratswahl 1923 bevor, und das „Linzer Pro gramm" sollte neue Wählerstimmen bringen. Das Besondere an diesem ist die strikte Rückkehr zu den Forderungen der christlichen Weltanschauung. Man stellt sich auf den Boden von „Rerum novarum" und bekennt sich zu den Grundsätzen von „Solidarität" und „Subsidiarität", lehnt sowohl den schrankenlosen Kapitalismus als auch den eigentumsfeindlichen und klassenkämpferischen marxistischen Sozialis mus ab. Im Sinne der Subsidiarität legt sich das Programm auf eine „berufsständische Ordnung" fest, was bei Leo XIII. nicht ausdrücklich gefordert ist. Breiter Raum ist der Familienpolitik sowie dem Siedlungsausbaugewidmet. Noch bewegt sich die christ liche Arbeiterschaft auf dem Boden der Demokratie, bereitet aber bereits den Schritt zum „Ständestaat" vor. In der Frauenfrage beharrt sie auf den alten konservativen Vgl. Fußnoten 10 und 19. Harry Slapnicka, Von Häuser bis Eigruber, Linz 1974, S. 116-119. - Für Linz vgl. Fritz Mayrhofer und Willibald Katzinger, Geschichte der Stadt Linz, Bd. 2, Linz 1990, S. 263 (Farbgrafik).

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