keinesfalls im Interesse der die Herrschaft damals Ausübenden lag, wurde dennoch von Einzelpersonen in beiden, vor allem aber im liberalen Lager erhoben. Letzteres hatte sich ja große Verdienste zur Einführung der „Bürgerrechte" erworben, die das Vereins- und Versammlungsrecht sowie Pressefreiheiten miteinschlossen, welche wieder Voraussetzungen für das Erwachen eines politischen Lebens darstellen. Die Erweiterung des Wahlrechts, vor allem aber der Nationalitätenstreit sowie die „Lösung der sozialen Frage" kosteten sowohl den Liberalen als auch den Konservativen ihre Machtstellungen. Nach der Okkupation von Bosnien und Her zegowina entzweite sich die liberale Partei, weil ihr nahonaler Flügel unter Dr. Herbst keine Vermehrung der slawischen Völkerschaften in der österreichischen Reichs hälfte dulden wollte. Hinzu kam, daß die liberale Wirtschaftspolihk in ihrer Wachstumseuphorie durch die im Zusammenhang mit der Wiener Weltausstellung ausgebrochene große Krise, die bis in die achtziger Jahre andauerte, in der Be völkerung schwer kompromittiert worden war.^ Diese langandauernde Wirtschafts krise - zeitweise handelte es sich nur um eine Stagnation - zeitigte schwere soziale Folgen für die Arbeiterschaft, aber auch für Kleingewerbetreibende und Bauern, was wieder der Sozialdemokrahe mit ihrer Klassenkampftheorie, obwohl die Partei verboten wurde, dennoch mächtigen Aufwind gab. Richtungskämpfe im Inneren schwächten auch diese. Seit Ende der siebziger Jahre bis Anfang der neunzi ger Jahre regierte das konservative Beamtenministerium Taaffe,' das in Erkenntnis der drohenden Gefahren - nach dem Vorbild Bismarcks - mit einer Gewerbegesetz novelle und der Einführung grundlegender Sozialgesetze (Unfall- und Kranken versicherung, Gewerbeinspektorate)® den sozialen Zündstoff zu entschärfen ver suchte. Die Ideen hiezu lieferten konservative Aristokraten wie Liechtenstein und Vogelsang,' wobei letzterer bereits das Gedankengut der Christlichsozialen vor bereitete. Die 1891 erschienene Enzyklika Papst Leos XIII. „Rerum novarum" bestä tigte die Richtigkeit dieser Reformen. Unter Ministerpräsident Badeni wurde 1897 das Wahlrecht um eine fünfte Kurie erweitert, sodaß jetzt alle jene, die im Jahr mindestens fünf Gulden Steuer zahl ten, zur Urne gehen durften. Dieser Schritt besiegelte endgültig das Schicksal der Konservativen, in deren Reihen sich wachsende Unzufriedenheit der GewerbetreiJoseph Neuwirth, Die Spekulationskrise von 1873, Leipzig 1875. - Max Wirlh, Österreichs Wieder geburt aus den Nachwehen der Krisis, Wien 1876. - Herbert Matis, Österreichs Wirtschaft 1848-1913, Berlin 1972, S. 153 ff. Walter Knarr, Das Ministerium des Grafen Taaffe und die soziale Frage, Diss., Wien 1948. Kurt Ebert, Die Anfänge der modernen Sozialpolihk in Österreich. Die Taaffesche Sozialgesetzgebung für die Arbeiter im Rahmen der Gewerbeordnungsreform (1879-1885), Wien 1975. Erwin Bader, Karl von Vogelsang. Die geishgen Grundlagen der christlichen Sozialreform, Wien 1991. - Johann Ghristoph Allmayer-Beck, Vogelsang. Vom Feudalismus zur Volksbewegung, Wien 1952. - Wiard von Klopp, Die sozialen Lehren Vogelsangs, St. Pölten 1894; siehe auch Neue österr. Biographie, Bd. II, S. 186 ff. (von H. Rizzi). - Desgleichen für Liechtenstein in NÖB, Bd. XIV, S. 96 ff. (von E. Weinzierl).
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