Aiitäfc.-! Hcifilj ät>h 'i»K«
Medieninhaber: Land Oberösterreich Herausgeber: Institut für Volkskultur. Leiter: W. Hofrat Dr. Dietmar Assmann Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexem plare) und Bestellungen sind zu richten an den Schriftleiter der Oö. Heimatblätter: Dr. Alexander Jalkotzy, InsHtut für Volkskultur, 4020 Linz, Spittelwiese 4 (Kulturabteilung des Amtes der o.ö. Landesregierung, Tel. 0 73 2 / 2720-0 Jahresabonnement (4 Hefte) S 190,- (inkl. 10% MwSt.) Hersteller: Druckerei Rudolf Trauner Ges.m.b.H., 4020 Linz, Köglstraße 14 Grafische Gestaltung: Mag. art. Herwig Berger Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich Alle Rechte vorbehalten Für unverlangt eingesandte Manuskripte über nimmt die Schriftleitung keine Haftung ISBN 3-85393-056-5 Mitarbeiter: Bezirkshauptmann W. Hofrat Dr. Josef Demmelbauer, Parkgasse 1, 4910 Ried i. I. Kons. QMed.-Rat Dr. Herbert Kneifel, Grallerstraße 8, 4470 Enns Dr. phil. Dr. rer. nat. Alfred Mühlbacher-Parzer, Müller-Gutenbrunn-Straße 6, 4020 Linz Univ.-Prof. Dr. Gustav Otruba, Marktgemeindegasse 63/E/7,1238 Wien Karl Pilz, 4822 Bad Goisern 24 W. Hofrat Dr. Hans Sperl, Nikolaus-Otto-Straße 20, 4020 Linz Dr. Georg Wacha, Büchlholzweg 48, 4040 Linz Titelbild: Fleißzettel aus der Sammlung des Museums Lauriacum Enns.
Grabbauten, Gruftkapellen und begehbare Grüfte m Oberösterreich Von Alfred Mühlbacher-Parzer Eine Vorstellung der angeführten Funeralobjekte setzt die Kenntnis der Josephinischen Reformen voraus. Bei diesem riesigen Reformpaket geht es einerseits um die Neupfarrungen, die notwendig wurden, weil die Pfarren im Laufe der Zeit zu groß und unüber sichtlich geworden waren: Stundenlan ge Wege zur Pfarrkirche waren nicht ungewöhnlich. Im direkten Zusammen hang damit steht das Klosteraufhe bungspatent (12. Jänner 1782). Schließ lich müssen - maßgebend für das gegen ständliche Thema - die fiofdekrete zur Bestattung genannt werden. Aufge schlüsselt geht es um die Bereiche Kir chenbestattung und Friedhof. werden, jedoch wird erlaubet, solche in freyer Luft,... abgesondert von Wohnun gen dergestalt zu errichten, daß über haupt derley Familiengrüfte nur dort, wo es ohne Nachteil des allgemeinen Ge sundheitszustandes thunlich ist ..., er richtet werden." Es geht um zwei FFauptanliegen: einerseits die neuen Forderungen der Hygiene ab der Mitte des 18. Jahrhun derts; andererseits - im Sinne der Aufklä rung - um eine Abkehr vom übertriebe nen barocken Begräbniskult. Daher auch die Forderung, daß „durch übermäßige Größe oder Anzahl dergleichen Grüfte den allgemeinen Freythöfen nicht zu viel Raum benommen werde". Das Verbot der Kirchenbestattung Diese Bestattungsart war ein altes Privileg der Geistlichkeit, des Adels und von Standespersonen. Man versteht dar unter Bodengräber mit bodenbündigen Abdeckplatten. Erste Stellungnahmen gegen die Bestattung in den Kirchen gibt es im Hofdekret vom 14. August 1772. In den Dekreten vom 13. August 1784 und 12. August 1788 wird angeordnet: „Die Privat- und Familiengrüfte in den Kir chen ... sind abzustellen ... und auf den allgemeinen Kirchhöfen anzubringen." Am 28. Oktober 1791 wird dekretiert: „Die Wiederherstellung der Familien grüfte in den Kirchen kann nicht gestattet Der Übergang vom Kirchhof zum Friedhof Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wird auch die Beerdigung der Toten ne ben der Kirche nicht mehr akzeptiert - Ärzte und Philosophen befassen sich mit diesem neuen sozialhygienischen The ma. In den erwähnten Hofdekreten wird angeordnet: Schließung der Kirchhöfe innerhalb der Orte, Neuanlagen mit Mauern außer halb der Ortsgemeinschaften, Einnähen der Leichen in einen Leinensack, Bestat tung in einem Grab von 6 Schuh Tiefe und 4 Schuh Breite (für sechs Erwachse ne oder fünf Erwachsene und zwei Kin-
der), Grabmäler sind nur an der Umfas sungsmauer erlaubt. Damit ist aus dem Friedhof des Mit telalters der Leichhof der Neuzeit gewor den. Es kann hier nur erwähnt werden, daß es zahlreiche Einwände gegen diese Reformen gab, die gewisse Rücknahmen zur Folge hatten, was der Kaiser sarka stisch kommentierte. So gibt es ab 1807 die Ausnahmegenehmigungen für Ein zelgräber; ab 1818 werden Gräber mit Denkmälern erlaubt. Die Besprechung von Architektur beispielen aus dem oberösterreichischen Raum erfolgt nach zwei Gesichtspunk ten: nach der Lage beziehungsweise An lage und in architektonisch-ikonografischer Betrachtung. A. Süus und Zielgruppe 1. Familiengrüfle Die übliche Situierung der Familien grüfte erfolgte entlang der vorgeschrie benen Friedhofswände. Dabei findet man eine wahlfreie Aufeinanderfolge, zum Beispiel in Linz-St. Barbara. Schöne Bei spiele bieten Sierning (Bezirk Steyr) und Altheim (Bezirk Braunau). Dann gibt es einheitliche, architekto nisch geschlossene Anlagen; schönstes Beispiel: der Tabor-Friedhof in Steyr, dessen „1. Friedhof" - ein Arkadengeviert -1572 angelegt wurde, also 50 Jahre vor dem weltberühmten St.-Peter-Friedhof in Salzburg! Einheitliche Konzeption als Torarka den zeigen Wels, Ried und Schwanenstadt. V Wandgrüße im Friedhof Sierning. Foto: A. Mühlbacher-Parzer
Tahor-Friedhof in Steyr. Foto: Kranzmayr, Steyr Mitunter wird eine Gruftwandzeile in der Mitte besonders akzentuiert: im Kremsmünster-Friedhof durch die Gruft des Abtes Leander Czerny oder Mond see durch die Gruftanlage Wrede-Almeida. 2. Adelsgrüfte Fürstengruft Wrede-Almeida in Mondsee (ab 1896): Gestaltung nach Art eines antiken Schatzhauses. Der fünf stufige Aufgang wird beiderseits von einem quadratischen Pfeiler (kombiniert mit Rundsäule) begrenzt, darüber ein mächtiger Architrav mit Dreieckgiebel, seitlich Eckakroterien; zwei Engel als Giebelbekrönung, prächtiges Bronzegit ter, Sarkophag aus weißem Marmor mit der Fürstenkrone (Bronze). Die Almeida waren eine portugiesi sche Familie, teilweise in Brasilien an sässig. Ein bayrischer Zweig wurde mit
Torarkaden im Friedhof Schwanenstadt. Foto: A. Mühlhacher-Parzer Carl August Conde de Almeida 1882 in die bayrische Grafenklasse eingetragen. Er vermählt sich 1879 mit Helene Fürstin von Wrede (1859-1938). Fürst Otto Wrede, Husarenrittmeister, ist Besitzer der Herrschaft Mondsee. Aus der Ehe mit Ignatia Christine, geborene von Mack, stammt die oben genannte Prinzessin Helene. Alle Angehörigen des Hauses sind in Mondsee beigesetzt. 3. An Kirchen angebaute Grüfte Trotz des Verbotes der Kirchen bestattung gab es manchmal an Kirchen angebaute Grüfte: zum Beispiel in St. Georgen bei Grieskirchen (auch: St. Georgen bei Tollet) die Grablege der Grafen Revertera. Der Gruftabgang be findet sich an der Seite der Pfarrkirche - „eines ungewöhnlichen spätgotischen Gruft Wrede-Almeida (1896) in Mondsee. Foto: A. Mühlhacher-Parzer
Ziegelbaus von starker Höhenwirkung" (Dehio). Die Anlage stammt vom Linzer Dombaumeister Otto Schirmer (1899). Den Eingang flankieren zwei Strebepfei ler. Über der Tür ist ein gotischer Spitz bogen mit Kreuz. Die Gruftabschlüsse - aus weißem Marmor - wiederholen die Gestalt der Eingangstür und sind durch eine waagrechte Ornamentleiste zwei geteilt: im unteren Feld Name und Daten, im Oberfeld die Wappen, von gotischem Maßwerk umfangen. Das Geschlecht der Revertera von Salandra stammt aus Katalonien, der Titel „della Salandra" wurde 1613 verlie hen. 1771 wurde Nicola Ippolito Reverte ra in den österreichischen Grafenstand aufgenommen. 1845 gelangt Schloß Tol let in den Besitz des Geschlechtes. Aus der Zwischenkriegszeit ist Peter Reverte ra als Sicherheitsdirektor von Ober österreich bekannt. Ein interessanter Anbau an die evan gelische Kirche in Attersee ist die Gruft der Wiener Familie Schmidt mit Außen zugang an der nördlichen Seite des Cho res. Die Baugenehmigung wurde nicht ohne Widerspruch und erst nach Zusage einer Kirchenrenovierung erteilt (Ge meindeprotokoll vom 12. Mai 1895). Be merkenswert ist die Jugendstilornamen tik. 4. Der freistehende Sarkophag Maria Laah (Bezirk Steyr) ist neben Losensteinleiten (Bezirk Steyr) Begräb nisstätte der Fürsten Auersperg. Der Sar kophag steht heute abgegittert an der Außenseite der Kirche. Errichtet wurde er für Karl Jos. Fürst von Auersperg 1802. Der Marmorsarkophag in barocker Tra dition steht auf einem gekehlten Sockel und ist mit Medaillons und Girlanden versehen. Auf der Deckplatte steht die In schrift; am Kopfende ein BCruzifix. 5. Gruftkapellen und der Grahhau als Grablege Im Zusammenhang mit den neuen Vorschriften verbreitet sich ein neuer Grabbautyp: die frei im Gelände stehenAT Carl flntoi) #raf Eswefera Stlanöta ft.H.Ä.ÄBBIBee« U. 3.K. Sl. gtb.}« CaiUt -o.flpFiilS?* Hf. bei KtlrBiBSB 191fr. fsB! Äfliiuf aab ^ Rfufrttra pon §alandpa OTt' u ti K jp. fi^awr > lite Ä' SrmtjWrafa . SalaaK». B. i. f Grablege der Grafen Revertera (1899) in St. Georgen hei Grieskirchen. Foto: Wunsch, Gallspach
de Gruftkapelle und der Grabbau als Grablege. Als markantes Beispiel: die Fürstlich-Auerspergsche Familiengruft in Losensteinleiten (Bezirk Steyr). Wegen der beengten Raumverhält nisse in Wlaschim (Beneschau) wurde durch Fürst Karl Wilhelm von Auersperg das Ansuchen um einen Gruftneubau am 17. Oktober 1906 gestellt. Die Errichtung erfolgte von 1907 bis 1912 durch den Architekten Max Kropf aus Wien. Die Ausstattung besorgte die Luster- und Bronzewarenfabrik Fr. Jellinek, Wien VII. Die Gruftkapelle mit abgewalmtem Steilgiebeldach, mit Glockentürmchen und Kreuz bildet - nach Art eines Ehren hofes - das Zentrum von zweimal sieben im rechten Winkel angeordneten Arka denfeldern. Ihre Enden beherrschen zwei quadratische Türme mit Pyramiden dach. In der Gruft sind 24 Sarkophage beigesetzt. Grabstätte von Karl Joseph Fürst von Auersperg (1802) in Maria Laak. Foto: A. Mühlbacher-Parzer »ff ^ ff *1' -"fl Grablege der Fürsten Auersperg (1907-1912) in Losensteinleiten. Foto: A. Mühlbacher-Parzer
Im Ansuchen um den Gruftbau wird ausdrücklich vermerkt, daß der Bau in größerer Entfernung von Ansiedlungen vorgesehen und von Wald umgeben sei. Das Fürstengeschlecht der Auersperg gehört dem Uradel von Krain an. Nach dem Aussterben der Losensteiner (der letzte Losensteiner, Franz Anton, Dompropst zu Passau, starb 1692) kamen die Auersperg in den Besitz von Losenstein und Losensteinleiten. Der heutige Besitzer ist Prinz Heinrich Auersperg-Breuner, seine Gemahlin, geborene Gräfin von Meran, eine Urenkelin des Erzherzogs Johann. Prominente Vertreter des Hauses: Karl Fürst Auersperg (1814 bis 1890): Ministerpräsident in der Ära Metternich. Anton Alexander Graf Auersperg (1806 bis 1876) ist der unter dem Pseudonym „Anastasius Grün" be kannte Dichter. Weiters sind erwähnenswert Grüfte und Grabbauten für Standespersonen und das gehobene Bürgertum. Die zentral gelegene Abtgruft Czerny in Kremsmünster wurde schon erwähnt. Leander Czerny OSB (Abt von Krems münster 1905 bis 1929) war ein „Dipterologus praeclarus" (bedeutender Fliegen forscher). Die zeitgeschichtliche Situa tion wird deutlich durch die Schlußzeile auf dem Epitaph: „obiit exul in Pettenbach 22. November 1944" (er starb als Verbannter). Ein bedeutendes bürgerliches Bei spiel ist die Gruftkapelle Haas (bezie hungsweise Huber) in Enns nächst der Lorcher Basilika (1901). Die Anlage ist zweigeschossig: Andachtsraum oben, begehbares Untergeschoß. Als Sonderform sind die Priester grüfte anzuschließen. Sie sind als Einzel kapellen ausgeführt (Steyr, Schwert berg), vielfach auch als Wandbauten in eine Arkadenfront einbezogen (Peuerbach). Sie dienen immer zur Anbringung von Epitaphien. / \ „Plan für die fürstlich Auersperg sehe Familiengruft in Losensteinleiten, Oherösterreich" (1906/07). Aus: Auerspergsches Familienarchiv
Tfpp i II X iIi! i I MIiI; A.IV ^ul'l'lwh Die für das späte 19. Jahrhundert typischen neugotischen Gruftkapellen scheinen im folgenden Abschnitt auf. B. Architektonisch-ikonografische Betrachtung Die architektonische Lösung der Grabbauten ist vielgestaltig. Die Wahl der Ausführung erfolgt meist nach den Wünschen der Auftraggeber. Der Typus „Mausoleum" bleibt den Zentralbauten vorbehalten. Solche sind in Oberösterreich nicht vorhanden. Wohl finden sie sich in Wien und Nieder österreich als direkte Ausstrahlung der Metropole und ihrer bedeutenden Archi tekten: etwa Baden, Payerbach, Mödling (Ferstel, O. Wagner, Wielemans). Ein prächtiges Mausoleum im Sinne der Definition ist der achtseitige Zentralbau für die Familie Henckel-Donnersmark in Wolfsberg (Kärnten) (1858 bis 1862) in Verbindung mit dem preußischen Hof architekten August Stüler. Eine besondere Form ist das Pyrami denmonument. Raffael begründet den Typ der Wandpyramide, der bis 1800 in Verwen dung bleibt. Canova gibt dieser Form bei seinem Grabmal der Erzherzogin Maria Chris tina (Wien, Augustinerkirche, 1805) eine neue Prägung, indem er die Pyrami de öffnet und als Handlungsträgerin in die Komposition mit einbezieht. Bei der Gruft Koffer (Wels, 1910) ist die Herleitung von Canova nicht nur ver mutbar, sondern laut Mitteilung der
i Gruft Koffer (1910) am Welser Friedhof. Foto: A. Mühlhacher-Parzer Grufthalterin, Frau Prof. E. Koffer (Wels, Wien), war dies von den ersten Besitzern geplant. Die Gesamtkonzeption ist ge genüber Canovas Werk stark reduziert. Die Ahnen der Welser Patrizierfami lie Koffer waren die ersten Betreiber der Post in Wels und Erbauer des Ringstra ßenpalais Nr. 2 bis 4. Ein Dr. Hans Koffer, Gynäkologe, stand im Dienst des bulga rischen Königshofes. Ein weites Feld für sepulkrale Gestal tung eröffnet sich im Historismus. Mit besonderer Vorliebe werden im mittleren Historismus die Bauformen der Roma nik und Gotik aufgegriffen. Dies zeigt sich auch in dem Entwurf eines „gothiAhgang zur Krypta im Schloß Cumherland, Gmunden. Foto: A. Mühlhacher-Farzer sehen Grabmals" von Friedrich Schmidt für die Wiener Weltausstellung 1873. Ein Beispiel für Neoromanik ist die Krypta des Schlosses Cumherland in Gmunden. Das Schloß (heute Landespflegeanstalt) wurde nach den Plänen des Hannoveraners Ferdinand Schorbach (eines Enkelschülers von Viollet le Duc) 1882/98 erbaut. Die neben dem Schloß befindliche Krypta ist eine dreischiffige Anlage in romanischen Formen. Sie ist nicht zugänglich. Zu beachten ist der Ab gang mit dem Tympanonrelief nach Joh. 12,32: „Und ich werde, wenn ich von der Erde erhöht bin, alle an mich ziehen." König Georg VI. von Hannover ließ sich nach seiner Entthronung 1868 in Gmunden nieder. Sein Sohn Ernst Au gust nahm 1878 den Titel „Herzog von Cumherland" an.
Die neugotische Ausformung zeigt verschiedene Typen; a) Die Einraumanlage mit den Sarko phagen: Steyregg, Weißenwolff (heute zur Aussegnung verwendet). Die Ungnad von Weißenwolff waren ein fränkisches Geschlecht und Mini sterialen der Bischöfe von Bamberg. Zum Schütze der Kärntner Besitzun gen dieses Bistums wurden sie dorthin entsandt und gehören zum Kärntner Uradel. Durch die Heirat mit Gräfin Jörger, Freiin von Tollet, faßt das Geschlecht Fuß in Oberösterreich. David Ungnad (gestorben 1600) wirkt als Diplomat bei der Hohen Pforte. FM-Leutnant und Theresienritter Nicolaus Ungnad-Weißenwolff ist Teilnehmer im Bayerischen Erbfolge krieg und in den Franzosenkriegen (Ebelsberg, Aspern) und ist MilitärGmhmal Nicolaus von Weißenwolff (1825) in Steyregg. Foto: A. Mühlbacher-Farzer Grabbau Weißenwolff (2, Hälfte des 19. fahrhunderts) in Steyregg. Foto: A. Mühlbacher-Parzer
kommandant von Linz (gestorben 1825 in Linz). Sein Biedermeiergrab mal auf dem Friedhof von Steyregg ist eine Grab-Ara mit aufgelegten Sieges trophäen (gußeiserner Helm mit Schwert). b) Die Gruftanlage mit mehreren kom munizierenden Räumen: Losensteinleiten, Auersperg! c) Die typische Form des Historismus: die Gruftkapelle mit hohem Sattel dach und Steilgiebel. Sie weist zwei übereinanderliegende Räume auf: das Obergeschoß als Andachtsraum (Weihestätte) und das Untergeschoß für die Sarkophage - teils begehbar, teils unbegehbar. Gruftkapelk Luchinetti in Haidhausen. Foto: A. Mühlhacher-Parzer Beispiele: Waldhausen, Luchinetti (1897), Braunau, Scheffelmann (1883). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts werden schließlich Renaissance- und Ba rockformen verwendet, für die Ober österreich kein Beispiel bietet. Ein vom Jugendstil geprägtes Ge samtkunstwerk ist die Gruftanlage Holub (Steyr, Tabor). Den Überbau der in der Arkadenecke situierten Familien gruft bildet eine - der Sezession nach empfundene - Kuppel mit Knopfkreuz. Sie stammt von Hans Gerstmayr (1882 bis 1987), Stahlgraveur und Stempelschneider in Wien, dann Nach folger von Michael Blümelhuber als Leiter der Stahlschnittschule in Steyr. Das eigentliche Grabmal Karl Holubs, ein Schmiedeeisen-Spitzbogen, dem Rosenranken entsprießen, gibt den Rahmen. An der Basis das Kopfrelief über zwei gekreuzten Gewehren. Das Hauptfeld nimmt ein sitzender Trauer engel mit gesenkter Fackel ein. Am Überbau ist der Lorbeerfries um das Zackenbogenrundfenster zu beach ten (1903). Karl Holub (1830 bis 1903) war Waffentechniker und seit 1861 Werk meister bei Josef Werndl, mit dem er an der Entwicklung eines Hinterlader gewehres arbeitete. Nach einer Amerika reise mit Werndl wurde 1867 das „Werndl-Gewehr" offiziell vom k. u. k. Kriegsministerium verwendet. Holub - als Erfinder im Hintergrund stehend - war erster Direktor der Waffenfabrik. Dem Neohellenismus zuzuordnen sind: Mondsee: Wrede-Almeida und in Vöcklabruck die sehenswerte Gruft anlage Bittner (1903).
..... W Gruftanlage Karl Holuh (1903) am Tabor-Friedhof in iSteyr. Foto: A. Mühlhacher-Parzer Begehbare VSIandgrüfte. Im Zuge der Abkehr von den begeh baren Wandgrüften sind diese eine Sel tenheit. Eine größere Anlage - beachtlich in Ausführung und Material - ist die be gehbare Grabstätte Poschacher in Maut hausen (1873). In Linz-St. Barbara ist die Gruft Tscherne (1911) durch die sorgfältige Re staurierung erwähnenswert: eine kräftig profilierte Maßwerkeinfriedung umgibt die Anlage. Hervorzuheben ist das Mo saik mit der Pieta auf Goldgrund (aus dem Erbauungsjahr) anstelle plastischer Gestaltung! Grabanlage Bittner (1913) in Vöcklabruck. Foto: A, Müblbacher-Parzer
ifW0k: *liä 1;' . >,.■ ■a> .-, - * •w ■ m H,t. VJanägruft Tscherne (191J) am Linzer St.-Barbara-Friedhof. Sonderbestattungen Die seit den Josephinischen Refor men verbotene BCirchenbestattung ist bis heute lediglich den Bischöfen in ihrer Kathedrale erlaubt, wenn man vom Be stattungsplatz Anton Bruckners (1824 bis 1896) absieht, der sich unter der Orgel der Shftskirche St. Florian befindet. So steht die Grabtumba für Bischof Rudigier (1853 bis 1884) in der Krypta des Mariä-Empfängnis-Domes in Linz. Die Errichtung dieses Domes hängt mit der Verkündigung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis (1854) zusam men und wurde von Bischof und Dom kapitel 1855 beschlossen. Der Bischof - als Vollplastik - liegt auf einem Hochgrab, das an den Längs- ■ iSrtT Ii; Foto: A. Mühlhacher-Parzer Wandgruft Tscherne. Foto: A. Mühlhacher-Parzer
Hochgrab des Bischofs Rudigier (1892) in der Krepta des A4ariä-Empfängnis-Domes in Linz. Foto: Franz Michalek (Stadtmuseum Nordico, Linz) Seiten durchbrochen ist. An allen vier Seiten sind Metallplatten mit eingravier ten Sinnbildern, Wappen und lateini schen Inschriften eingefügt. Die Metallplatte der im Bild gezeigten Seite bringt den Plan des Domes. Die Inschrift (in Übersetzung): „Er legte den Grundstein am 1. Mai 1862, erbaute die Grundfesten der Kathe drale 1863 bis 1865, konsekrierte die Votivkapelle 29. September 1869 und brachte den Hochchor der Kirche bei nahe zur Vollendung 1884." Bischof Rudigier ist der erste in der Domkrypta beigesetzte Bischof. Die lebensgroße Figur im Pontifikalornat - aus Bronze - liegt auf der Tumba. Das Gipsmodell dazu wurde vom 76jährigen Jos. Gasser Ritter von Valhorn in Wien gefertigt. Kaiser Franz Joseph I. rühmte bei seinem Besuch im Linzer Dom die Porträtähnlichkeit. Literaturverzeichnis Mühlhacher-Parzer, A,: Beiträge zur Sepulkralkunst des 19. Jahrhunderts in Oberösterreich. Salzburg 1988 (ungedruckte Diss., Geisteswiss. Fakultät der Paris-Lodron-Univ. Salzburg). Wie die Alten den Tod gebildet (Band 1 der „Kasseler Studien zur Sepulkralkultur"). Mainz 1979.
Ferihumer, H.: Die kirchliche Gliederung des Lan des ob der Enns im Zeitalter Kaiser Josephs II. Linz 1952. Schweizer, Jok: Kirchhof und Friedhof. Linz 1956. Evers, B.: Mausoleen des 17. bis 19. Jahrhunderts (Diss. der Eberhard-Karl-Univ. Tübingen, 1983). Gall, F.: österreichische Wappenkunde. Graz 1977. Prokisch, B.: Studien zur kirchlichen Kunst Ober österreichs im 19. Jahrhundert (Diss. an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Univ. Wien, 1984). Scherndl, B.: Führer durch den Mariae-EmpfängnisDom in Linz. Linz 1902. Kitklitschka, W; Historismus und Jugendstil in Niederösterreich. St. Pölten - Wien 1984. Memmesheimer, P.A.: Das klassizistische Grabmal. Eine Typologie, phil. Diss., Bonn, Rheinische Friedr.-Wilhelm-Univ., 1969. Lützow, C. V.: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wie ner Weltausstellung 1873. Leipzig 1875. Oberhammer, Ad.; Sommervillen im Salzkammer gut. Salzburg 1983. Wurzbach, C.v.: Lexikon des Kaiserthums Öster reich. Wien 1855 bis 1891.
„Linzer Programme" 1882-1923 -1926. Meilensteine in der Parteiengeschichte Österreichs Von Gustav Otruba Ver nicht allzu langer Zeit wurde der Fremdenverkehrsslogan „In Linz beginnt's" kreiert, der eine Antwort auf das wesentlich ältere Bonmot „Auf Linz reimt sich Provinz" darstellt. Es herrscht eine uralte Animosität zwischen den beiden Donaustädten Wien und Linz, der lange Zeit klein gebliebenen „verträumten Fensionopolis" einerseits und der mächtigen Haupt- und Residenzstadt eines Vielvölker staates andererseits mit ihrer zentralistisch lenkenden und leicht überheblichen Bürokratie. Letztere pflegte zu spotten, daß Linz „weder an der Donau - wie es früher immer betonte - noch an der Westbahn, sondern nur an einer einzigen Straßenbahn linie" liege, womit man die Kleinstadt abseits allen Weltgeschehens charakterisieren wollte. In Linz hingegen lebte eine alte stolze Tradition einstiger Größe im Unter bewußtsein weiter: Im Spätmittelalter war die Stadt zweimal Gegenresidenz und Rivalin Wiens gewesen; hier bestand ein Zentrum des Widerstandes protestantischer Stände und rebellischer Bauern; die Linzer Märkte waren jahrhundertelang eine Drehscheibe des West-Ost-Donauhandels mit dem Nord-Süd-Verkehr von Polen bis Italien, während Wien darin nur eine Randposition einnahm, mit der von den oberösterreichischen Ständen ins Leben gerufenen Linzer Wollenzeugfabrik hatte die Protoindustrialisierung der Donaumonarchie begonnen; nach den Napoleoni schen Kriegen wurde die Stadt zu einer der modernsten Festungen zum Schütze Wiens ausgebaut usw. Während Wien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr zu einem Schmelztiegel der vielen Nationen des Habsburgerreiches wurde und damit immer mehr seinen deutschen Charakter verlor, lebte im deutschen Bürgertum der Alpenstädte das alte Reichsbewußtsein weiter. In Linz hatten 1742 die oberösterreichiscben Stände dem Wittelsbacher Karl Albrecht gehuldigt und der Pragmatischen Sanktion abgeschworen; desgleichen wehten im Revolutionsjahr 1848 über der Stadt die schwarz-rot-goldenen Fahnen des Reiches und nur vereinzelt die schwarz-gelben der Habsburger. In der Folgezeit - unter dem Druck des Absolutismus - verband sich der Deutschnationalismus des Kleinbürgertums immer enger mit dem antiklerikalen Liberalismus^ der wenigen Großbürger, vermutlich ebenfalls eine Oppositionshand lung gegen die enge Verbindung von Thron und Altar in der Residenzstadt, gegen Kurt Wimmer, Liberalismus in Oberösterreich. Am Beispiel des Liberalpolitischen Vereins für Ober österreich in Linz (1869-1909), Linz 1979.
den mächtigen Klerikalismus der hohen Geistlichkeit. Dies weckte gerade wieder hier in Linz den olffenen Widerstand aller konservativen Kreise, führte zu einem engen Bündnis von Adel, Klerus und religiös gebliebener Landbevölkerung, sodaß ein offener Kulturkampf ausbrach.^ Allerdings dürfen wir uns über den Charakter der beiden ersten großen Par teien - der Konservativen und Liberalen^ - kein falsches Bild machen. Die moderne Demokratie in der Donaumonarchie ist sehr jungen Datums; sie begann erst zögernd nach den militärischen Niederlagen von 1859 und 1866. Das schrittweise eingeführte Kurienwahlrecht ermöglichte zunächst nur wenigen Auserwählten, den vorher bereits ökonomisch und politisch Mächtigen, für Reichsrat oder Landtag zu kandi dieren. Auf diese Weise bildeten sich die beiden „flonoratiorenparteien", welche einerseits die wirtschaftlichen Interessen des Großgrundbesitzes (Adel und Kirche, aber auch von Großbauern in den Landgemeinden) und andererseits der Wirt schaftstreibenden größeren Stils und auch des Großbürgertums der Städte vertraten. Aber auch innerhalb dieser wenigen Privilegierten war das Wahlrecht kein „glei ches". In Oberösterreich durften 1879/80 in der Kurie der Großgrundbesitzer 126 Wahlberechtigte drei Abgeordnete in den Reichsrat wählen (auf 42 Stimmen entfiel ein solcher). In der Kurie der Handels- und Gewerbekammer wählten 30 Wahl berechtigte einen Abgeordneten. In der „Städtekurie" wählten 202.684 Bürger über Wahlmänner sechs Reichsratsabgeordnete (auf 33.750 Stimmen entfiel somit ein Abgeordneter). In der „Kurie der Landbevölkerung" durften 551.931 Wahlberechtigte über Wahlmänner sieben Abgeordnete wählen (78.847 Stimmen kamen somit auf jeden). In Linz, das mit Urfahr, Ottensheim und Gallneukirchen einen städtischen Wahlbezirk bildete, konnten 1885 die 49.693 Einwohner 3.616 Wahlmänner wählen, die ihrerseits zwei Reichsratsabgeordnete bestimmten. Im Landwahlbezirk Linz, der mit Steyr vereinigt war und 77.902 Einwohner zählte, wurden 6.755 Wahlmänner gewählt, die sich auf einen Reichsratsabgeordneten zu einigen hatten.^ Die Reichs ratsabgeordneten hatten somit nahezu überhaupt keinen Kontakt mit der Masse der Bevölkerung, und die beiden Parteien mußten auch deshalb nicht mit „Programmen" ihre politischen Absichten erklären. Das änderte sich erst mit der Erweiterung des Wahlrechtes. Der Ruf danach, zunächst nur um eine Gleichstellung der Land- mit der Stadtbevölkerung, später aber sogar nach einem allgemeinen, gleichen, freien und geheimen Wahlrecht,^ welches Harry Slapnicka, Franz Josef Rudigier. Bischof im Kampf mit dem politischen Liberalismus (in: Oberösterr. Lebensbilder, Bd. 2, Linz 1982, S, 61-79). Karl Eder, Der Liberalismus in Alt-Österreich. Geisteshaltung, Politik und Kultur, Wien - München 1955. - Wilhelm Wadl, Liberalismus und soziale Frage in Österreich, Wien 1987. „österreichische Statistik", Bd. 9, Heft 4, Wien 1886. Hanns Saßmann, Der Kampf um das allgemeine Wahlrecht und die christlichsoziale Partei, Diss., Wien 1948.
keinesfalls im Interesse der die Herrschaft damals Ausübenden lag, wurde dennoch von Einzelpersonen in beiden, vor allem aber im liberalen Lager erhoben. Letzteres hatte sich ja große Verdienste zur Einführung der „Bürgerrechte" erworben, die das Vereins- und Versammlungsrecht sowie Pressefreiheiten miteinschlossen, welche wieder Voraussetzungen für das Erwachen eines politischen Lebens darstellen. Die Erweiterung des Wahlrechts, vor allem aber der Nationalitätenstreit sowie die „Lösung der sozialen Frage" kosteten sowohl den Liberalen als auch den Konservativen ihre Machtstellungen. Nach der Okkupation von Bosnien und Her zegowina entzweite sich die liberale Partei, weil ihr nahonaler Flügel unter Dr. Herbst keine Vermehrung der slawischen Völkerschaften in der österreichischen Reichs hälfte dulden wollte. Hinzu kam, daß die liberale Wirtschaftspolihk in ihrer Wachstumseuphorie durch die im Zusammenhang mit der Wiener Weltausstellung ausgebrochene große Krise, die bis in die achtziger Jahre andauerte, in der Be völkerung schwer kompromittiert worden war.^ Diese langandauernde Wirtschafts krise - zeitweise handelte es sich nur um eine Stagnation - zeitigte schwere soziale Folgen für die Arbeiterschaft, aber auch für Kleingewerbetreibende und Bauern, was wieder der Sozialdemokrahe mit ihrer Klassenkampftheorie, obwohl die Partei verboten wurde, dennoch mächtigen Aufwind gab. Richtungskämpfe im Inneren schwächten auch diese. Seit Ende der siebziger Jahre bis Anfang der neunzi ger Jahre regierte das konservative Beamtenministerium Taaffe,' das in Erkenntnis der drohenden Gefahren - nach dem Vorbild Bismarcks - mit einer Gewerbegesetz novelle und der Einführung grundlegender Sozialgesetze (Unfall- und Kranken versicherung, Gewerbeinspektorate)® den sozialen Zündstoff zu entschärfen ver suchte. Die Ideen hiezu lieferten konservative Aristokraten wie Liechtenstein und Vogelsang,' wobei letzterer bereits das Gedankengut der Christlichsozialen vor bereitete. Die 1891 erschienene Enzyklika Papst Leos XIII. „Rerum novarum" bestä tigte die Richtigkeit dieser Reformen. Unter Ministerpräsident Badeni wurde 1897 das Wahlrecht um eine fünfte Kurie erweitert, sodaß jetzt alle jene, die im Jahr mindestens fünf Gulden Steuer zahl ten, zur Urne gehen durften. Dieser Schritt besiegelte endgültig das Schicksal der Konservativen, in deren Reihen sich wachsende Unzufriedenheit der GewerbetreiJoseph Neuwirth, Die Spekulationskrise von 1873, Leipzig 1875. - Max Wirlh, Österreichs Wieder geburt aus den Nachwehen der Krisis, Wien 1876. - Herbert Matis, Österreichs Wirtschaft 1848-1913, Berlin 1972, S. 153 ff. Walter Knarr, Das Ministerium des Grafen Taaffe und die soziale Frage, Diss., Wien 1948. Kurt Ebert, Die Anfänge der modernen Sozialpolihk in Österreich. Die Taaffesche Sozialgesetzgebung für die Arbeiter im Rahmen der Gewerbeordnungsreform (1879-1885), Wien 1975. Erwin Bader, Karl von Vogelsang. Die geishgen Grundlagen der christlichen Sozialreform, Wien 1991. - Johann Ghristoph Allmayer-Beck, Vogelsang. Vom Feudalismus zur Volksbewegung, Wien 1952. - Wiard von Klopp, Die sozialen Lehren Vogelsangs, St. Pölten 1894; siehe auch Neue österr. Biographie, Bd. II, S. 186 ff. (von H. Rizzi). - Desgleichen für Liechtenstein in NÖB, Bd. XIV, S. 96 ff. (von E. Weinzierl).
benden und Kleinbauern breitmachte, wobei der Gegensatz zwischen hohem und niederem Klerus die Abspaltung begünstigte.^" Leo XIII. sympathisierte ebenfalls mit der Idee von christlichen Volksparteien. Wenig erfolgreich blieben die ersten Abspal tungen, wie die „Vereinigten Christen", in deren Organisation ursprünglich Lueger" mit dem deutsch-liberalen Schönerer^^ in antisemitischer Eintracht zusammenarbei tete. Den großen Durchbruch erzielte erst die christlichsoziale Partei, zu deren Wählerkreis bevorzugt „Fünfguldenmänner" zählten. Die jungen Kapläne wurden zum Motor der Partei, vor allem auf dem Lande, wo nahezu jedes Pfarrhaus zu einem Parteilokal wurde. Die Einführung eines allgemeinen Wahlrechtes 1907 (noch nicht für Frauen) ließ jedoch dann den Christlichsozialen in der Sozialdemokratie eine gefährliche Konkurrenz erstehen, die ihr den ersten Rang abzulaufen drohte. Die alten Honorahorenparteien hatten ihre Wähler an die jungen demokratischen Massenparteien verloren. In dieser Vorgeschichte der österreichischen Demokratie spielt das „Linzer Programm" der Deutschnationalen von 1882" eine nicht unbedeutende Rolle, obwohl dies die Zeitgenossen nicht erkannt hatten. Es ist auch nicht zufällig hier aus geheckt worden. Hier war eine sehr starke deutschnationale Bewegung schon früh zeitig ein enges Bündnis mit den Liberalen eingegangen, wobei letztere - zahlen mäßig schwach - sich dazumal bereits in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befanden. Sie konnten deshalb eine noch engere „Umarmung" durch die Deutsch nationalen schwer ablehnen," was aber letzthin den Anfang von ihrem Ende ein leitete. Das vorliegende Programm spiegelt diese Situation wider und zeigt deutlich drei unterschiedliche Einflüsse: erstens jenen des Deutschnationalen Schönerer, hier noch ohne antisemitische Tendenz, soziale Elemente, die Adler" und Pernerstorfer" Norbert Mike, Die Vereinigung der Konservativen in der christlich-sozialen Partei, Diss,, Wien 1949. - Reinhard Knoll, Zur Früh- und Entwicklungsgeschichte der christlich-sozialen Bewegung in Öster reich bis 1907, Diss., Wien 1970. - Erika Weinzierl-Fischer, Aus den Anfängen der christlich-sozialen Bewegung in Österreich (in: MIÖSTA, Bd. 14), Wien 1961. Kurt Skalnik, Dr. Karl Lueger. Der Mann zwischen den Zeiten, Wien 1955. - Heinrich Schnee, Karl Lueger. Leben und Wirken eines großen Sozial- und Kommunalpolitikers, Berlin 1960. - Rudolph Kuppe, Karl Lueger und seine Zeit, Wien 1925. - Siehe auch NÖB, Bd. XII, S. 107 ff. (von K. Skalnik). Herwig (= Eduard Pichl), Georg Ritter von Schönerer, 6 Bände, Wien 1912. - Paul Molisch, Geschichte der deutschnationalen Bewegung in Österreich, Jena 1926. - Franz Stein, Schönerer und die Arbeiter frage, Horn 1893. - Franz Hoechtl, Georg Ritter von Schönerer als Bauernführer, Diss., Wien 1946. - Karl Schneller, Sozialpolitik bei Georg Schönerer, Diss., Wien 1939. - Heinrich Schnee, Georg Ritter von Schönerer. Ein Kämpfer für Alldeutschland, Reichenberg 1940. - Hanns E. Schopper, Georg Ritter von Schönerer - ein Vorläufer des Nationalsozialismus, St. Pölten 1940. " Alfred Dechel, Das „Linzer Programm" und seine Autoren. Seine Vorgeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Rolle des Historikers Heinrich Friedjung, Diss., Salzburg 1975, S. 181-192. " Harry Slapnicka, Oberösterreich unter Kaiser Franz Joseph, Linz 1982, S. 177 ff. Julius Braunthal, Victor und Friedrich Adler. Zwei Generationen Arbeiterbewegung Wien 1963. - Siehe auch NÖB, Bd. III, S. 152 ff. (von L. Brügel). - Sowie Norbert Leser (Hrsg.), Werk und Widerhall. Große Gestalten des österreichischen Sozialismus, Wien 1964, S. 274-285 (zit. Leser, Werk). " Alois Modi, Die politische Entwicklung Engelbert Pernerstorfers, Diss., Wien 1947; siehe auch NÖB, Bd. II, S. 97 ff. (von R. Arthaber) sowie Leser, Werk, S. 13-27.
einbrachten, wobei letzterer mit Schönerer bereits vorher publizistisch eng zusam mengearbeitet hatte,sowie Reste liberaler Gesinnung aus der Feder des Historikers Friedjung, der bereits vorher sein eigenes Programm entworfen hatte. Schönerer hat erst seit Mitte der achtziger Jahre schärfere antisemitische Töne angeschlagen und sich erst nach 1907 vom „Linzer Programm" ideologisch getrennt. Auf Grund dieser Entwicklung wurden Adler und Pernerstorfer zwangsläufig aus dieser Partei gedrängt und schlössen sich der Sozialdemokratie als führende Köpfe an. Adler einigte 1889/90 auf dem Parteitag zu Hainfeld die bis dahin zerstrittene Partei und gab dieser gemeinsam mit Pernerstorfer ein neues Programm. Am „Linzer Pro gramm" hatten neben den bereits Genannten auch der oberösterreichische Bauernvereinsobmann Krennmayr und der Welser Advokat Dr. Smrzka mitgearbeitet® Da wenige Tage vor der Einberufung einer Volksversammlung nach Linz diese ver boten worden war, konnte das Programm dort nicht repräsentiert, diskutiert und beschlossen werden - seine Veröffentlichung war bereits vorher mehrfach in den Wochenzeitungen „Deutsche Worte" und „Linzer Sonntagsblatt" erfolgt. In der zeit genössischen Presse finden sich jedoch keine weiteren Hinweise auf dieses. Das „Linzer Programm" der christlichen Arbeiter Österreichs^' aus dem Jahre 1923 verdankt sein Entstehen der Feder des Dr. Lugmayer^° aus Ebensee. Die Orga nisation stand unter der Führung des ehemaligen Sattlergehilfen Kunschak.^^ Die christlichsoziale Partei war seit dem Tode Luegers in große Schwierigkeiten geraten. Eine Reihe großer Korruptionsaffären raubte ihr das Vertrauen. Ursprünglich bestand die Anhängerschaft der Partei großteils aus Kleinbürgertum, Handwerkern, Gewerbetreibenden und Bauern; seither hatten sich immer mehr großbürgerliche Unternehmer, Fabrikanten, Beamte sowie Großagrarier (Adel und Kirche) in ihr breit gemacht. Ihre Loyalität zum Herrscherhaus im Krieg hatte ihr nach der Niederlage in weiten Bevölkerungsschichten Sympathien gekostet, nicht zuletzt auch in ihren Kernwählerschichten, die ihr das „Aufspringen auf den Revolutionskarren der Repu blik" (J. Fink) nicht verzeihen wollten. Die Partei galt immer mehr als Interessen- " Als Mitbegründer des „Deutschen Schulvereins" und Mitarbeiter an den „Deutschen Worten" kam er Mitte der achtziger Jahre mit Schönerer zusammen. Vgl. Kurt Rotter, Engelbert Pernerstorfer und die Geschichte der „Deutschen Worte", Diss., Wien 1943. Wie Fußnote 14, 5. 214. " Klaus Berchtold, österreichische Parteiprogramme, Wien 1967, S. 371-374. - Gerhard Silberbauer, Das Problem Katholische Kirche - österreichische Sozialdemokratie in der Ersten österreichischen Republik im Spiegel katholischer und sozialistischer Zeitschriften dieser Epoche, Diss., Wien 1959. - Ders., Österreichs Katholiken und die Arbeiterfrage, Graz 1966. - Karl Stubenvoll, Die christliche Arbeiterbewegung Österreichs 1918-1933. Organisation, Politik, Ideologie, Diss., Wien 1982. - Leopold Kunschak, Die christliche Arbeiterbewegung 45 Jahre im Dienste Österreichs, Wien 1937. - Harry Slapnicka, Christlichsoziale in Oberösterreich. Vom Katholikenverein 1848 bis zum Ende der Ghristlichsozialen 1934, Linz, 1984. Karl Lugmayer, Die berufsständische Ordnung, Wien 1937. - Franz Lugmayer, Karl Lugmayer, Wien 1991. - Ders., Karl Lugmayer und die österreichische Volksbildung (in: Oö. Heimatblätter, Jg. 35, H. II 2, Linz 1981, S. 133-141). " Franz Bauer, Leopold Kunschak als Politiker. Von seinen Anfängen bis 1934, Diss., Wien 1950. - Ders., Politik für den Menschen. 15 Jahre Leopold-Kunschak-Preis, Wien 1980.
Vertretung von Banken, Industrie und Landwirtschaft, von ihren ideologischen Grundlagenwerten des Christentums war nur mehr wenig zu spürend^ Die Christ lichsozialen besaßen von Anfang an - trotz aller Bemühungen von Kunschak - unter der Industriearbeiterschaft kaum Anhänger, während sie unter den Handwerks gesellen des Kleingewerbes (Kolpingsöhne) und auch in der Landarbeiterschaft über relativ viele Sympathisanten von alters her verfügten. Die zurückgebliebene Wirt schaftsstruktur Oberösterreichs kam so ihren Absichten entgegen, und deshalb dürfte man auch in Linz getagt haben. Im Jahre 1923 besaß - nach Slapnicka - die christliche Arbeiterbewegung Oberösterreichs 44.875 Mitglieder, wozu noch 8.046 Mitglieder des Katholischen Arbeiterbundes hinzuzuzählen sind. Christliche Arbeitersekretariategab es neben dem Linzer Zentralsekretariat noch in Ebensee, Wels und Steyr. Der Christliche Landarbeiterbund besaß solche in Linz, Steyr, Ried und Rohrbach-Oepping. Eine Stadtorganisation Linz entstand aber erst 1924. Bereits bei der ersten Nationalratswahl von 1919 hatte die christlichsoziale Partei in Oberösterreich 46,2 Prozent der gültigen Stimmen erreicht - um 10 Prozent mehr als auf Bundesebene, während die Sozialdemokraten nur auf 27,98 Prozent kamen, hingegen auf Bundesebene auf 40,76 Prozent; die großdeutschen Gruppen erzielten 25,82 Prozent - auf Bundesebene aber nur 18,36 Prozent. In Linz (und Um gebung) dominierten die Sozialdemokraten mit 46,03 Prozent, gefolgt von den Christlichsozialen mit 31,12 Prozent und den beiden großdeutschen Parteien mit 28,3 Prozent. Bei der Nationalratswahl 1920 erreichten die Christlichsozialen sogar 55,20 Prozent - auf Bundesebene aber nur 42,27 Prozent. Die Sozialdemokraten fielen auf 26,73 Prozent ab - auf Bundesebene sogar auf 35,99 Prozent (ihr schlechtestes Wahlergebnis in der Ersten Republik!). Noch schwerere Verluste erlitten die Croßdeutschen mit einem Anteil von nur mehr 17,34 Prozent - während ihr Anteil auf Bundesebene immerhin noch 18,36 Prozent erreichte. In Linz sank der Anteil der Sozialdemokraten auf 41,45 Prozent, jener der Croßdeutschen auf 21,1 Prozent, während die Christlichsozialen mit 35,97 Prozent leicht verbessert ab geschnitten haben.^^ Nunmehr stand die Nationalratswahl 1923 bevor, und das „Linzer Pro gramm" sollte neue Wählerstimmen bringen. Das Besondere an diesem ist die strikte Rückkehr zu den Forderungen der christlichen Weltanschauung. Man stellt sich auf den Boden von „Rerum novarum" und bekennt sich zu den Grundsätzen von „Solidarität" und „Subsidiarität", lehnt sowohl den schrankenlosen Kapitalismus als auch den eigentumsfeindlichen und klassenkämpferischen marxistischen Sozialis mus ab. Im Sinne der Subsidiarität legt sich das Programm auf eine „berufsständische Ordnung" fest, was bei Leo XIII. nicht ausdrücklich gefordert ist. Breiter Raum ist der Familienpolitik sowie dem Siedlungsausbaugewidmet. Noch bewegt sich die christ liche Arbeiterschaft auf dem Boden der Demokratie, bereitet aber bereits den Schritt zum „Ständestaat" vor. In der Frauenfrage beharrt sie auf den alten konservativen Vgl. Fußnoten 10 und 19. Harry Slapnicka, Von Häuser bis Eigruber, Linz 1974, S. 116-119. - Für Linz vgl. Fritz Mayrhofer und Willibald Katzinger, Geschichte der Stadt Linz, Bd. 2, Linz 1990, S. 263 (Farbgrafik).
Vorstellungen. Ausdrücklich bekennt man sich zum Antisemitismus. Dennoch wäre die Partei gut beraten gewesen, wenn sie die im „Linzer Programm" von 1923 vor geschlagene „Öffnung nach links" auf dem Boden demokratisch-christlicher Grund sätze einer Annäherung an die Heimwehr vorgezogen hätte.^'' So aber blieb dieses Programm eine der vielen versäumten Gelegenheiten in der Ersten Republik. Drei Jahre später gab sich die Sozialdemokratie ebenfalls in Linz ein neues Programm.^® Mit dem Zusammenbruch der Donaumonarchie hatte sie als die „Partei des Friedens" und der Republik, welche die Habsburger vertrieb, ihren ersten großen Sieg errungen und sie in einer Koalition mit den Christlichsozialen federführend gemacht. Trotz Hunger und wachsender Inflation nahm diese eine Reihe großer Reformen (Frauenwahlrecht, Ausbau der Sozialgesetze, Steuerreform, Verstaat lichung)^'^ in Angriff, die, im Rahmen der Koalition erzwungen, vielfach gegen die Interessen des Bürgertums gerichtet waren. Ideologisch hatte sich der linke Flügel des radikalen Bauer" gegen den rechten des gemäßigten Renner^® durchgesetzt und sich die Partei für den „Austromarxismus" entschieden. Nach der Wahlniederlage von 1920 hatte Bauer diese in die Opposition geführt und hoffte so mit einer „Allesoder-nichts-Politik" möglichst rasch wieder an die Macht zu kommen. Damit hatte er sich aber verrechnet. Die Sanierungsmaßnahmen Seipels^' führten nach einer kur zen Stabilisierungskrise zu einem vollen wirtschaftlichen Erfolg.®'' Bis 1929 erlebte Anton Staudinger, Christlichsoziale Partei und Heimwehren bis 1927 (in: Die Ereignisse des 15. Juli 1927. Protokoll, Wien 1979, S. 110-136). Berchtold, a. a. O., 5.24 7 ff. - Albert Kadan und Anton Pelinka, Die Grundsatzprogramme der österrei chischen Parteien, St. Pölten 1979, S. 75-93 (Linzer Programm 1926). - Norbert Leser, Das „Linzer Pro gramm" und der 15. Juli 1927 als Höhepunkte austromarxistischer Politik (in: Die Ereignisse des 15. Juli 1927. Protokoll, Wien 1979, S. 150-168). - Helmut Feichten Das Linzer Programm der österreichischen Sozialdemokratie, Diss., Wien 1974, S. 231-280 (S. 258-265 behandeln auch das Linzer Programm 1926 im Spiegel der bürgerlichen und kommunistischen Presse). - Ernst Winkler, Die österreichische Sozialdemokratie im Spiegel ihrer Programme. Mit einer Einleitung von E. Winkler, Wien 1971, S. 3 759 (betrifft das Linzer Programm 1926). Emmerich Talos, Dimensionen staatlicher Sozialpolitik, Entwicklung und Perspektiven, Habil.-Schr., Wien 1980. - Ders., Staatliche Sozialpolitik in Österreich, Wien 1981. - Erwin Weissei, Die Ohnmacht des Sieges. Arbeiterschaft und Sozialisierung nach dem Ersten Weltkrieg, Wien 1976. Julius Braunthal, Otto Bauer, Wien 1961, - Victor Reimann, Zu groß für Osterreich. Seipel und Bauer im Kampf um die Erste Republik, Wien 1968; siehe auch NOB, Bd. X (von J. Deutsch) sowie Leser, Werk, S. 59-76. Jacques Hannak, Karl Renner und seine Zeit, Wien 1965. - Siegfried Nasko (Hrsg.), Karl Renner in Dokumenten und Erinnerungen, Wien 1982. - Dr. Karl Renner, vom Bauernsohn zum Bundes präsidenten, Wien - Gloggnitz 1979. - Siehe auch NOB, Bd. IX, S. 9 ff. (von A Schärf) sowie Leser, Werk, S. 314-325. Klemens v. Klemperer, Ignaz Seipel. Staatsmann einer Krisenzeit, Princeton 1976. - Friedrich Rennhofer, Ignaz Seipel. Mensch und Staatsmann, Graz 1978. - Bernhard Birk, Dr. Ignaz Seipel. Ein öster reichisches und europäisches Schicksal, Regensburg 1932. - Rudolf Blüml (Hrsg.), Ignaz Seipel. Mensch, Christ, Priester in seinem Tagebuch, Wien 1933. Viktor Kienboeck, Finanz- und Wirtschaftspolitik, Wien 1936. - Gottlieb Ladner, Seipel als Über winder der Staatskrise vom Sommer 1922 (Zur Geschichte der Entstehung der Genfer Protokolle vom 4. Oktober 1922), Diss., Wien 1962.
Österreich eine Konjunktur, allerdings bei einer relativ hohen Arbeitslosenzahl und einem leichten Preisanstieg. Dennoch konnten die Sozialdemokraten dies nicht sofort in Wahlerfolge ummünzen. Die NaHonalratswahl 1923 hatte ihnen in Oberösterreich einen Stimmen anteil von nur 27,45 Prozent gebracht - während sich dieser auf Bundesebene auf 39,46 Prozent erhöhte. Oberösterreich blieb ein unerfülltes Hoffnungsgebiet. Die Christlichsozialen erreichten 55,2 Prozent - auf Bundesebene jedoch nur 45 Prozent. Der Anteil der Großdeutschen war weiter auf 15,25 Prozent gesunken - auf Bundes ebene sogar auf 12,26 Prozent. Bei den Landtagswahlen 1925 erreichten die Sozial demokraten in Oberösterreich mit 26 Prozent ihren tiefsten Stand. Das neue Linzer Programm ist als Wahlaufruf für die Nationalratswahl 1927 gedacht, bei der sich ihr Stimmenanteil wieder auf 32 Prozent steigern sollte - während dieser auf Bundes ebene sogar 42 Prozent erreichte. Die Radikalisierung trug somit reiche Frucht. Bauer verwendet in seinem Linzer Programm nahezu in jedem zweiten Satz das Wort Kampf, spricht von notwendiger „Gewalt in einem Bürgerkrieg" und allenfalls not wendiger „Diktatur" der Arbeiterklasse. Die Lösung aller Fragen bringt für ihn allein der Klassenkampf.^^ Dieser wendet sich aber nicht nur gegen die Kapitalisten, sondern auch gegen alle ihre Helfer, insbesondere die „Klerikalen". Die Religion selbst greift er allerdings nur indirekt an.^^ Im übrigen aber versucht er, alle Randschichten - Kleingewerbetreibende, Kleinbauern, Freischaffende und Angestellte - für die Partei zu gewinnen. Sein umfangreiches Enteignungsprogramm kennt für diese gewisse Ausnahmen, empfiehlt ihnen aber, freiwillig Genossenschaften zu gründen. In der Frage der Frauenemanzipation engagierte sich die Partei maßgeblich. Sehr konkret ins Detail gehend sind die neuen Wirtschafts- und Sozialprogramme, die viel Zukunftsträchtiges enthalten. Das abschließende Bekenntnis zur Internationale schließt einen allgemeinen, weltweiten Friedensappell mit ein. Gleichzeitig wird der Kampf gegen den Imperialismus begrüßt, auch gegen das Fremdkapital in Oster reich. Bauer trat offen für den Anschluß Österreichs an Deutschland ein (welcher Punkt erst 1933 aus dem Programm eliminiert wurde). Der Völkerbund in seiner gegenwärtigen Wirksamkeit wird als ein Werkzeug des Kapitalismus abgelehnt. Es findet sich somit auch manches Widersprüchliche in diesem verbal äußerst aggressiven Dokument, das auf die Dauer seine Wirkung nicht verfehlt hat. Trotz dieser Polarisierung gab es in Oberösterreich kaum marxistische Strömungen. Das Sozialismusverständnis neigte hier eher zu Ferdinand Lassalle als zu Karl Marx. Am besten wird diese Tatsache vielleicht durch ein Bonmot illustriert, wonach der Linzer Bürgermeister Josef Dametz während des Linzer Parteitages seine durch Zwetschken geförderte Verdauung mindestens ebenso wichtig nahm wie die brillantesten Reden Wilfried Hoffer, Die österreichische Sozialdemokratie zum Klassenkampf. Von Hainfeld bis Linz, Diss., Graz 1967, S. 106-110. • Gerhard Steger, Rote Fahne, Schwarzes Kreuz. Die Haltung der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs zu Religion, Christentum und Kirche. Von Hainfeld bis 1934, Wien 1987. - Josef Außermair, Kirche und Sozialdemokratie. Der Bund der religiösen Sozialisten 1926-1934, Wien 1979.
eines Otto Bauer (nach Mayrhofer/Katzinger, S. 258). Dennoch ist es vielleicht kein Zufall, daß aus Bauers Geisteshaltung heraus die ersten Schüsse in den Februar kämpfen 1934 um das „Hotel Schiff" in Linz fielen. Das „Linzer Programm" der Deutschnationalen 1882^^ Entsprechend den unterschiedlichen politischen Intentionen der Verfasser weist das Programm sowohl deutschnationale als auch sozialistische Tendenzen auf. Vorausgegangen sind diesem einerseits Schönerers „Programm" von 1879 und andererseits jenes Friedjungs von 1880, wonach dann der Aufruf zur Gründung einer deutschnationalen Partei im Jahre 1881 folgte. In der Präambel wird darauf hingewiesen, daß alle anderen Parteien bisher größte Zurückhaltung hinsichtlich ihrer Zielsetzungen zeigten. Gründe dafür sind, daß diese - wie jede Partei - danach trachten, „möglichst viele Mitglieder zu vereinigen; das geht aber nur, wenn man so wenig Forderung als möglich aufstellt und diese eben so unbestimmt als möglich formuliert, weil in diesem Falle die verfür boitfcüe iUüf in Ocftcrrct^. ^ ÄboBamfnlS metbsinbei brrWbminifimtipn . ^eiingtion nnii JlSminiBtatio«: : anb bei aS^n ^oftämter« ananiummfK. i an ?- m Ccßfrreidj; Ober => 13. «««<!{. sott., fr. i.60,8änj}.ß.3. Wo«li((tivt< arrrte niiht , 5ä t ® <u o a b : ««njjä^riaem Cütac mtflonioHaa torloitei. ; «nbmn! jre.imol jra «tainit mtl btia Sola», b« Summtra 15 It. - — - 1. uuD 16. .. . KanuffrivU taetbrn nicht »in-actarifeßl. Wr. 17. ; i^iufimfl! im Sltounte mit bem Satua« bfs i' jg 1. ujiD 16. Wiltn, 1. „Srptnnbrr 188^ n. 3n|alr: ftn »njere — ,^safilc Unfec ^resrnmni. — »Jat ^rar^'SBmfatiita im öfatldjeH tHdd}c. — „jjHitgcit" in. Cbcröftmfui). —- So.^talbemofralrn in fincr fonJerontiDeii lutig. — Strrfwücbtge l'raftit.—IBerldttebcne^ : Uiiadteii cfer 3toth» lagt unferer 'iitiibmirhrfjaft. iSittc '8rüfitcr-'4lftitio:j an bea Iwatichen SeicbStag. Mit »ie beutfcbeti ^arteigeupftfii f J^tcicnhft bfutfdjer «tHbentcH. ffortichrittndie UitöcrfcPmtfjcit. ©inlnbiing. — Slritf' tofitsj ber Äebaftion. ^meife ilufTage. tir n-fte iHaßage »ttfereS BlatceiS taurte »egen de» Seit* artifel» mü ^ef^lag belegt. f:a duriß die behdrdii^e ^aifirung iia» rill betrS4itli(ber defttniärer ^otbibeil entfielt, »nd um unfere Uefer nldt aSiuiange loarten jn laffen, nevanfiititeu »ir Sie dar* liegettSe .^tneite ttiidgabe mit 'dadlBfiang ftl^i aSein de» Ueit: artiield, fandern sudi einiger anderer ttrtiiel, um fo mit a(|t leiten andiurammen. 2)it Mcbiiftisö. Berchtold, a. a. O., S. 198-203. - Alois Brussatti, Wilhelm Haas, Walter Pollak, Geschichte der Sozial politik in Dokumenten, Linz 1962, S. 205 f. - Eduard Pichl, Georg Schönerer, Bd. I, S. 113 - (siehe auch Fußnote 12).
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2