Das Streben der Cäcilianer galt der Suche nach einem Kirchenstil, wie er etwa bis in die Barockzeit gepflegt wurde, in der Klassik jed|och seinen unverwechselbaren Charakter verloren hatte. Historistische und romantische Kräfte und vor allem der Wille, die Kirchenmusik in ihrem Charakter auf die Würde des Gottesdienstes voll kommen auszurichten, sind die treibenden Motive dieser Reformbewegung, deren geistige Grund lagen bereits im 18. Jahrhundert artikuliert wurden. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam diese Reformbewegung zum Durchbruch, und zwar in Regensburg, wo durch eine grundlegende Erneuerung des kirchlichen Lebens der Boden ent sprechend vorbereitet war. Ihr erfolgreicher Orga nisator und leidenschaftlicher Kämpfer war Franz X. Witt, der seine Zielemitunter auch mitbis siger und feindseliger Polemik rigoros durchzu setzen versuchte; dies hat jedoch auch Kritik und Ablehnung hervorgerufen. Einer von diesen |war der Gmundener Organist und Komponist Johann Ev. Habert (1833 bis 1896), dem die liturgischen Anforderungen ebenfalls oberstes Gebot waren, der sich jedoch der puristischen Linie Witts nicht anschließen konnte. So gründete Habert in Eigen initiative und auf eigene Kosten seine „Zeitschrift für katholische Kirchenmusik" (1867), um ^eine Ideale, die unter anderem die Tradition der instru mentalbegleiteten Kirchenmusik weiterführen wollten, zu propagieren. Die kirchliche Obrigkeit hatte das Wesentliche des Streites zwischen Habert und Witt nicht verstanden und stand deren Anliegen, die sich vor allem in künstlerischen An sprüchen unterschieden, teils zurückhaltend,]teils gleichgültig gegenüber. In diesem Parteienstreit war Habert eindeutig der Schwächere, konnte doch Witt mit seinem Organisationstalent, mit der päpstlichen Anerkennung „seines" Cäcilienvereins, mit „seinen" zwei kirchenmusikalischen Zeitschriften und auch als Priester eine wesentlich größere Anhänger- und Kämpferschar anspre chen. Habert hingegen konnte nur wenige Kir chenmusiker gewinnen und schließlich auch seine Zeitschrift nicht mehr finanzieren. Wurden Witts künstlerische Produkte und Ideale zusehends jjuristischer und banaler, was für manche Chorverhält nisse durchaus vorteilhaft sein konnte, so bemühte sich Habert in seinen Schriften und Kompo^ibonen unentwegt um einen künstlerisch anspruchs vollen Stil, den er nicht nur im Palestrinastil, son dern auch in der Kirchenmusik Anton Bruckners nach den Forderungen der Ästhetiker und Liturgiker am besten verwirklicht fand. Dieses internationale Symposium hat sich er freulicherweise der gesamten Problematik und Hintergründe des Cäcilianismus angenommen. Fachleute verschiedener Disziplinen (Musik wissenschaft, Kunstgeschichte, Liturgiewissen schaft) behandelten die unterschiedlichsten Aspekte eingehend und erstellten damit - durch wegs durch ausführlichere Überarbeitung ihrer Referate - eine umfassende und hervorragende Gesamtdarstellung des Cäcilianismus. Zunächst befaßte man sich mit den geistigen Grundlagen und den Vorstellungen der Theoreti ker und Ästhetiker im 18. und frühen 19. Jahrhun dert. Die umfangreiche Darstellung der Bemühun gen um eine Erneuerung der christlichen Kunst - eingegrenzt auf die Malerei der Nazarener - stellt einen hochinteressanten Bezug zur ungefähr gleichzeitigen kirchenmusikalischen Reform bewegung dar. Eine wesentliche Grundlage für das richtige Verständnis und eine objektive Beurtei lung der Reformbemühungen ist die Erörterung des Liturgiebegriffes der Cäcilianer; dabei werden ihr ehrliches und damals notwendiges Anliegen und ihr theologisch begründetes Motiv, dem auch heute unser voller Respekt gebührt, deutlich, aber auch wie schwer sie sich taten, allgemein objektiv gültige künstlerische Kriterien aufzustellen. Weite re Abhandlungen über ihre teilweise verschieden artigen Choralreformbestrebungen, über Kirchen liedpflege, liturgisches Orgelspiel und über das im Katalog des Cäcilienvereines doktrinär kodifizier te Kirchenmusikrepertoire veranschaulichen Ziele und Verwirklichung des Reformgedankens. Die Stellungnahme Franz Liszts zur Erneuerung der Kirchenmusik, die Kritik von Georg Weber, Moritz Brosig und Johann Ev. Habert gegenüber den Aktivitäten Franz Wijts sowie Beiträge über Gemeinsames und Unterscheidendes in den Reformabsichten in Regensburg Eichstätt, Ober österreich, Italien, in der Slowakei und in Polen zei gen, wie diese Reform trotz eines gemeinsamen Zieles ziemlich unterschiedlich realisiert wurde beziehungsweise auf dem Weg zur Verwirkli chung auch steckenblieb. Wenn man die Aus führungen über dieselben Bemühungen in der evangelischen Kirche verfolgt, staunt man über die damals überraschend starke ökumenische Gesin nung. Daß die Ideale des Cäcilianismus nicht nur damals Gültigkeit hatten, sondern auch heute Auf gabe von Komponisten und Kirchenmusikern sein sollten, wurde in der Schlußdiskussion betont, in die noch einige wertvolle Beiträge einflössen.
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