Sie warten auf den, der auf der Suche nach der Seele einer Landschaft ist", schreibt Bischof Rein hold Stecher in seinem Vorwort. Mögen sich viele an dieser so einfühlsam formulierten Schönheit er freuen, entweder in situ oder anhand dieses so fein sinnig verfaßten Buches. Dietmar Assmann Hans Haid: Mythos und Kult in den Alpen. Ältestes, Altes und Aktuelles über Kultstätten und Berghedigtümer im Alpenraum. Maitershurg: Edition Tau, 1990. 248 Seiten mit vielen Farbbildern und Skizzen. ISBN 3-900977-08-9 Vom Titel dieses großformatigen, sehr gut ausgestatteten Werkes her könnte man ein wenig befürchten, eines der gar nicht so wenigen „Kult"- Bücher vor sich zu haben, die entweder in das eine Extrem verfallen, alles als uralt zu bezeichnen und völlig zu vermythologisieren oder - im anderen Extrem - alles zu entmythologisieren. Der Autor, ein geborener ötztaler, gelernter Volkskundler, Schriftsteller und Initiator neuer Kulturinitiativen, versteht es aber ausgezeichnet, an die mitunter weithin unbekannten Faszinosa behutsam heran zugehen, sie soweit als möglich richtig einzuord nen und zu deuten, und spart auch nicht dort, wo er es für notwendig erachtet, mit entsprechend kriHschen Bemerkungen. Die Auswahl der Beispiele ist, wie der Autor in seinem „Nachwort" selbst kritisch bemerkt, „persönlich gefärbt", „fast belie big herausgenommen". Der Nichtfachmann auf diesem Gebiet wird trotzdem über die Vielfalt des Materials auch in regionaler Hinsicht überrascht sein. Der Begriff „Alpen" ist - was besonders posi tiv zu vermerken ist - keineswegs auf den ostalpi nen Raum beschränkt, wie das leider in vielen Bü chern über die Alpen bei uns schon fast üblich ge worden ist. Das Kapitel „Vom Altesten" spürt uralte Stein denkmäler auf und bringt sie mit vorchristlichen Steinkulten in Verbindung. Bei den alpinen Fels zeichnungen fehlen neben jener berühmten im Val Camonica auch nicht die Hinweise auf die von Ernst Burgstaller so exzellent bearbeiteten Fels bilder in Österreich, insbesondere im Toten Gebir ge. Das rätoromanische „St.-Margaretha-Lied" ist mit seinen eigenartigen Texthinweisen und seiner mindestens I.200jährigen Überlieferung für den Autor geradezu „das zentrale Thema", dem auch dementsprechend breiter Raum gewidmet ist. „Christlich umgestaltet" betitelt sich das näch ste Kapitel. Es behandelt insbesondere das Wall fahrtswesen und dabei vor allem jene Elemente, die bereits aus vorchristlicher Tradition bekannt sind und auch im Christentum wiederkehren. „Heilige" Steine, Wasser und Bäume sind tatsächlich eng mit den Gründungslegenden sehr vieler Wallfahrts orte verbunden, finden sich aber auch in anderen Hochreligionen und sind als archetypisch anzuse hen. Bekannte Ausprägungen wie das Widder opfer in Osttirol oder der Kärntner Vierbergelauf fehlen hier natürlich genausowenig wie Besonder heiten weiterer „heiliger Berge". Sie werden, wie übrigens auch alle anderen Einzeldarstellungen, durch hervorragende Aufnahmen illustriert, was nicht unwesentlich zum so positiven Gesamt eindruck des Werkes beiträgt. Die nicht gerade spärliche Literatur auch zu dieser Thematik wurde von Haid gründlich herangezogen, einige Namen sind allerdings das eine Mal richtig, ein andermal mangelhaft wiedergegeben. Das „unheimliche Wesen von Burgeis" (Abb. S. 137) befindet sich nicht in, sondern an der Pfarrkirche, und zwar am äußeren Türpfosten des Südportals. Der Abschnitt „Salz und Kult" läßt von vorn herein eine Beziehung zum prähistorischen Hallstätter Salzbergbau vermuten. In der Hallstattzeit dürfte sich nach Haid bei uns der Übergang vom Matriarchat zum Patriarchat vollzogen haben, da her werden in diesem Kapitel auch die Mutter gottheiten, die „Magna Mater" und die „drei hll. Jungfrauen" behandelt. Während der in diesem Zusammenhang mehrmals zitierte N. Mantl m. E. doch zu weit hergeholte Theorien vertritt, läßt Haid das angeblich Uralte des Dreijungfrauen kultes nur geheimnisvoll anklingen. „Vom Neuesten" bringt interessante Beispiele jüngster Lebendigkeit alter Kultformen gegen neu zeitliche Gefahren in den Alpen, die durch den Massentourismus, das Waldsterben, monströse Kraftwerksbauten usw. entstehen. „Alles wie vor 4.000 Jahren" heißt das letzte Kapitel und ist gleich sam eine Zusammenfassung, in der auch neue wissenschaftliche Forschungen wie die hochinter essante radiästhetische Untersuchung an Kirchen und Kapellen von Jörg Purner behandelt, aber auch das „Geschäft mit der Angst" und die „vermarktete Wurzelkultur" angeprangert werden. Haids letzter Satz in seinem Nachwort „Hoffentlich sind kleine, verwundbare Geheimnisse nicht preisgegeben worden, und hoffentlich läßt sich der alpine Kult rummel - verbunden mit vielfacher Zerstörung - dennoch vermeiden" verweist auf sein besonderes Anliegen dieses empfehlenswerten Buches. Dietmar Assmann
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