OÖ. Heimatblätter 1991, 45. Jahrgang, Heft 1

diese längst fällige monographische Darstellung des Gotteshauses erst so spät - und noch dazu zeit lich parallel zur Landesausstellung in Weinberg 1988 - herausgegeben wurde. Der Grund für diese „Interessenkollision": 1988 wurde das 700jährige Bestehen der Stadtpfarrkirche gefeiert. Am 5. No vember 1288 wurde sie erstmals in einer Urkunde erwähnt. Benno Ulm, Wahl-Freistädter und einer der besten Architekturexperten in Sachen Mühlvier tel, steuerte den Text zu Heft 7 bei. Auf mehr als 80 Seiten setzt sich Ulm darin mit der mittelalterli chen Geschichte und Baugenese der Stadtpfarr kirche auseinander. Besonderes Augenmerk schenkte er dem außerordentlich kühnen Ostchor des Mathes Klayndl. Ulm schöpft dabei aus dem vollen: Er zitiert nicht nur die wichtigsten Archi valien zur Baugeschichte, sondern bringt durch zeitgenössische Kommentare auch Leben in seine ohnedies schon plastische Darstellung der frühen Bau- und Ausstattungsgeschichte der basilikalen Anlage. Wie schon in seinem Überblicksartikel im Weinberg-Katalog ersparte sich Ulm jeden Quel len- und Literaturhinweis. Schade, haben sich doch in der Zwischenzeit auch jüngere Forscher mit dieser Materie eingehend beschäftigt. Sie'ein zubringen wäre mehr als sinnvoll gewesen. An sonsten darf dieses ausgezeichnet illustrierte Heft als eine herausragende „Kultur-Visitenkarte'] für Freistadt bezeichnet werden. Das ein Jahr später erschienene Heft 8, das etwa den Zeitraum zwischen Reformation und Ge genwart abdeckt, fiel umfangreicher aus. Neben dem Schriftleiter der Freistädter Geschichtsblätter, Othmar Rappersberger, arbeiteten an diesem Heft auch Ulm (Turmumbau unter J.M. Prunner, 1736/ 37) sowie Adolf Bodingbauer (Freistädter Chronogramme) mit. Pfarrer Anton Sageder, der kurz fristig auch diese Stadtpfarre seelsorglich betreute, lieferte eine köstliche Kurzgeschichte zum Tljema „Himmlische Kriminalistik". Mag. Franz Mayr hofen derzeitiger Stadtpfarrer von Freistadt, skiz zierte die Ziele der Innenrestaurierung des Jahres 1988, die dem Gotteshaus unter anderem wieder Kirchenbänke anstelle der Sessel bescherte. Die Hauptarbeit fiel jedoch Rappersberger zu. Bedauerlicherweise ist Rappersberger ganz offensichtlich einer Auseinandersetzung mit jün gerer Fachliteratur, die zum Beispiel der WeinbergKatalog in Fülle bot, aus dem Weg gegangen. Da durch hätte man in manchen Abschnitten den Ein druck des „Aufgusses" vermeiden können, üeht man beispielsweise so genau wie Rappersberger auf die einzelnen Altarblätter ein, so wäre - wenn auch nur knapp gefaßte - Stilkritik angebracht ge wesen (die manchmal ins Spekulative abgleitende Bildbeschreibung hätte ohnedies leichte Kürzun gen vertragen). Dies gilt sowohl für das BloemaertGemälde als auch für die Seitenaltarbilder. So trägt beispielsweise das Dominikusbild deutlich die Handschrift des Freistädter Malers Christian Leeb (1714 bis 1772), während das Abendmahlsbild an Anton Streer (um 1699 bis 1775) gemahnt. Streer war ebenfalls in Freistadt lange Zeit tätig, sein Ge burtsort dürfte allerdings im böhmischen Cählova liegen. Das Ottiliengemälde stellt dagegen - um nur ein weiteres fehlendes Detail zu nennen - eine Kopie nach einem Stich dar, wie ein gemaltes Pen dant im Oö. Landesmuseum beweist. Dies gilt auch für das Armenseelenbild mit einer Kreuzi gungsdarstellung nach Rubens. Rappersbergers Versuch, das Kajetansbild J. M. Rottmayr zuzuschreiben (S. 80), wird dagegen wohl bei keinem Kunsthistoriker ernstlich auf Gegenliebe stoßen. Der Lapsus, das Madonnen fenster im südlichen Seitenschiff als „Beispiel des JugendsHls" zu charakterisieren (S. 130) hätte eben falls nicht passieren dürfe - zumal sich der Linzer Historismusexperte Bernhard Prokisch (für jeden einlesbar) schon seit geraumer Zeit mit der Periodisierung des Historismus in Oberösterreich be schäftigt. Hätte man nicht Prokisch für dieses wichtige Kapitel gewinnen können? In diesen kunsthistorischen Abschnitten wurde jedenfalls eine wichtige Chance vertan, die Kunst dieser Re gion in einem größeren Stil- und Wirkungszusam menhang zu interpretieren. Die Qualität zukünfti ger landeskundlicher Forschungsergebnisse wird ganz wesentlich von der Bereitschaft abhängen, wissenschaftlich zusammenzuarbeiten. Gerade in der Regionalforschung gab es dafür in letzter Zeit sehr eindrucksvolle Beispiele. Rappersberger ent schied sich, so scheint es, leider für einen Allein gang. Wozu gibt es dann eigentlich eine Heimatforscherkartei des Landesinstituts für Volks bildung und Heimatpflege in Oberösterreich, die den Kontakt innerhalb der Forscherrunde sichern soll? Diese „Unterlassungssünden beziehungs weise Schönheitsfehler" verschwinden aber in An betracht der sonst durchwegs gelungenen Ge samtdarstellung der einzelnen Ausstattungsperi oden. Bleibt nur noch zu hoffen, daß wir auf Heft 9 der Freistädter Geschichtsblätter nicht wieder

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