Wer war Hermann Heller?" Roman Herzog, der Präsident des deutschen Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, hat ihn in seinem 1971 erschienenen Werk „Allgemeine Staatslehre" den frühvollendeten Staatstheoretiker der Weimarer Republik genannt. Wer war er also? Er war Altösterreicher, 1891 geboren in jenem Teschen an der Olsa, in dem 1779 der sogenannte Erdäpfelkrieg durch den Friedens schluß beendet wurde, der das Innviertel zu Österreich brachte, in jenem Teschen, durch das heute die Grenze zwischen Polen und der CSFR verläuft. Er stammte aus jüdischer Familie, sein Vater war Rechtsanwalt, seine Mutter war verwandt mit dem eben vorgestellten Josef Redlich. Sein Jusstudium absolvierte er in Wien, Graz, Inns bruck und Kiel. Als Angehöriger der österreichischen Armee holte er sich an der russischen Front ein Herzleiden, das auch seinen frühen Tod im Exil in Madrid 1933 verursachte. Hermann Heller war ein loyaler Interpret der Weimarer Reichsver fassung, die er gegen die Faschismusbewegung Hitlerscher Prägung und gegen den Bolschewismus mit geishgen Waffen zu verteidigen suchte. In der Staatslehre Kelsens sah er wegen ihres formalen Charakters - er ätzt gegen Kelsen, indem er gegen die „ausgeblasenen Eier reiner Rechtsformen" polemisiert - keine Wider standskraft gegen die heranbrandende Diktatur. Und ihr staatsrechtlicher Mentor, Carl Schmitt, in dem er seinen Hauptgegner sah, reduzierte alles Recht als Ausdruck einer sich ständig verändernden Machtsituahon zum Situationsrecht und den Staat schließlich zum Führerstaat. Das widerstritt Hellers Begriff von einem an über positive, sittliche Rechtsgrundsätze gebundenen Recht. Von seiner Formulierungskraft zeugt es, wenn er in „Europa und der Faschismus" schreibt, Kelsens „willenlose Norm wurde (von Carl Schmitt) ersetzt durch den normlosen Willen, das machtlose Recht durch die rechtlose Macht". Aus der wirtschaftlichen Not der Spätzeit der Weimarer Republik heraus und der Ablehnung des Faschismus ist der literarische Einsatz Hermann Hellers für die Weiterentwicklung des liberalen zum sozialen Rechtsstaat folgerichtig. Heute ist für die das kommunishsche Joch abwerfenden Völker des Ostens der Rechtsstaat ein hohes Ziel; bei uns ist er trotz aller in seiner Natur liegenden Gebrechen ein so selbst verständlicher Besitz geworden, daß er von verschiedenen Seiten wegen eben dieser unvermeidlichen Gebrechen zum Krüppel gestempelt wird. Der Exponent des Rechtsstaates schlechthin ist für Österreich Hans Kelsen" geworden, 1881 in Prag geboren, erlebte er in einem wechselvollen langen Leben - er starb 92jährig 1973 in den USA - das 20. Jahrhundert mit seinen Erschütterungen und Veränderungen bis über den - bald verpufften - neomarxistischen Schub des Jahres 1968. Von Kelsens Werk wird die „Reine Rechtslehre" wohl nur Juristen anziehen oder abstoßen. Jeder geistig Interessierte sollte aber seine ideologiekrihschen Arbeiten kennenzulernen versuchen. So ist seine 1920 erschienene Untersuchung „Vom Wesen und Wert der Demokratie" von bestechender Klarheit und Sachlichkeit " Siehe dazu Müller - Staff (Hrsg.), Der soziale Rechtsstaat. Gedächtnisschrift für Hermann Heller, 18911933. Siehe dazu die Kelsen-Auswahl, die der Salzburger Staatsrechtler Friedrich Koja unter dem Titel „Hans Kelsen oder Die Reinheit der Rechtslehre" 1988 herausgegeben hat. Außerdem Robert Walter, in: Brauneder, S. 290 ff. und S. 323 ff.
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