OÖ. Heimatblätter 1990, 44. Jahrgang, Heft 4

Die „österreichische Idee" In seinem Werk dem Tezners verwandt war Josef Redlich/ 1869 in Göding (Mähren) geboren, 1936 gestorben. Er war Staatsrechtslehrer, wegen seiner bahnbrechenden Arbeit über die lokale Verwaltung in England dort und in den US A, wo er auch längere Zeit lehrte, hochangesehen, Abgeordneter im Reichsrat, der letzte Finanzminister der Monarchie, gehörte 1931® noch einmal in dieser Funktion dem Kabinett Buresch I an und war Freund Hofmannsthals und Hermann Bahrs. Sein Briefwechsel mit den beiden Dichtern ist in je einem Band' vorzüglich ediert worden; der mit Hermann Bahr erstreckt sich von 1896 bis zum Tod des proteushaften Linzer Dichters im Jahre 1934, also über fast 40 Jahre. So wie der Staatsrechtler Tezner und die Dichter Hofmannsthal und Bahr litt auch er unter dem Zerfall der mittel europäischen Ordnung als Folge der Umwälzungen nach dem Ersten Weltkrieg. Als die Stalinsche Menschenvernichtungsmaschinerie noch nicht angelaufen war, die revolutionäre Phrase, das radikale Dogma aber schon flammten, schrieb er im Herbst 1920 an Bahr: „Daß die westliche Zivilisation nicht das letzte Wort der menschlichen Kultur ist, weiß ich ...; aber daß der Bolschewismus es sein wird, der das bessere Menschentum schafft, davon glaube ich kein Wort. Weder Expressionismus noch Aktivismus, noch Bolschewismus werden uns erlösen: wenn sie auch alle kräftige Hebel sind, die an der ,Umwertung' arbeiten. Aber daß eine ,Ethokratie' auf der Basis dieser Geistesverfassung geschaffen werden könne, glaube ich absolut nicht. Von dem ,Ethos', das in dem bolschewistischen Terror ... stecken soll, kann ich nichts merken .. Mit Hofmannsthal und Bahr fühlte sich Redlich der „österreichischen Idee" verpflichtet, der Idee von einem Österreich, das „der katholischen Kirche, der großen Fortsetzung des Römischen Imperiums, verwandt sei, getragen von den Ideen der Versöhnung, der Synthese,... durchströmt von der inneren Religion zu sich selbst". Ja, Hermann Bahr rühmt Ende 1920 am ersten Band von Josef Redlichs „Das öster reichische Staats- und Reichsproblem" die Meisterschaft, mit der sein Autor „unsere Idee Österreichs, ,die' Idee Österreichs" darstellt. Rechtsstaat und Sozialstaat Die letzten zwei hier vorzustellenden Staatsrechtler entfalteten ihre Wirkung bereits in republikanischer Zeit. Der eine, Hermann Heller, ist bei uns wenig bekannt, der andere, Hans Kelsen, gilt als der Schöpfer unserer Bundesverfassung. ' Lebensdaten und Hauptwerke in: Brauneder, S. 34. ® Nicht wie bei Brauneder (S. 34) angegeben 1917 bzw. 1936. ' Hugo von Hofmannsthal - Josef Redlich, Briefwechsel, hrsg. von Helga Fußgänger, 1971. Dichter und Gelehrter. Hermann Bahr und Josef Redlich in ihren Briefen 1896-1934. Hrsg. von Fritz Fellner (1980), S. 422.

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