Staatsdenken im alten Mitteleuropa Von Josef Demmelbauer D er Wandel im Osten nach dem Zusammenbruch der kommunishschen Systeme läiSt den einige Zeit wegen seiner angeblichen Wirklichkeitsterne belächelten Begriff „Mitteleuropa"^ Konturen gewinnen. Gemeint ist damit in etwa der Raum, der der Habsburger-Monarchie vor ihrem Zerfall staatsrechtlich zuzuordnen war. Ein Teil dieses Mitteleuropa ist die Arbeitsgemeinschaft AJpenAdria, der auch Oberösterreich angehört und deren - wechselnden - Vorsitz nun 1991 Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck übernimmt. AJs Bannerträger des Mitteleuropa-Gedankens haben sich neben anderen Erhard Busek und Claudio Magris profiliert; dieser hat - den Vergleich mit Gertrud Fusseneggers Donau-Buch auf sich nehmend - vor einigen Jahren ein unorthodoxes, anregendes Donau-Buch verfaßt, in dem er in Linz vom Stifter-Haus, Untere Donaulände Nr. 6, dem Werk und der Bedeutung Adalbert Stifters nachgeht. Bei der Eröffnung der Stifter-Ausstellung in Krumau hat der Vertreter Böhmens in seiner Eröffnungsansprache am 8. Juli 1990 beklagt, daß Persönlichkeiten wie Schiele, Freud, Mahler, Rilke und Kafka zwar heute zum klassischen Bestand des europäischen Kulturgutes gehören, aber in Böhmen beinahe unbekannt sind, weil sie bis zur Wende wegen ihrer Zugehörigkeit zur großen Tradihon deutschsprachiger Künstler und Wissenschaftler beinahe totgeschwiegen wurden. Umgekehrt entspricht es dem Geist des symbolischen Durchschneidensalter Grenzzäune,daß man sich auch bei uns - und die Belebung des Mitteleuropa-Gedankens fordert dies geradezu heraus - dem Werk von Staats und Gesellschaftswissenschaftlern zuwendet, die aus unserer östlichen und nord östlichen Nachbarschaft kamen, die Probleme des mitteleuropäischen Raumes staatsrechtlich durchfurchten, heute aber zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind, soweit es sich nicht um den berühmten Juristen Hans Kelsen handelt, der unsere Republik mit seiner Bundesstaatlichkeit, dabei viele Rechtseinrichtungen aus der Monarchie übernehmend, entscheidend geprägt hat. Der Nationalitätenstreit als „Rassenkampf" Vielfach vergessen ist bereits Ludwig Gumplowicz,^ 1838 in Krakau geboren, 1909 in Graz gestorben. Er gilt so wie Gustav Ratzenhofer und der berühmte Houston ^ Erhard Busek/Emil Brix, Projekt Mitteleuropa, Wien 1986, und Brix, in: Khol/Ofner/Stirnemann, österreichisches Jahrbuch für Politik. 1986, S. 123, mit Hinweisen auf die neueste Literatur hierzu. ^ Über Gumplowicz: Schwärzler, in: Brauneder (Hrsg.), Juristen in Österreich. (Wien 1987), S. 201 ff. sowie S. 319 f.
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