OÖ. Heimatblätter 1990, 44. Jahrgang, Heft 4

wurde, die dann von 1912 bis 1925 in vier Bänden erschienen.-' Die zunehmend archivalische Beschäftigung entfremdete Schiffmann aber dem Schulbetrieb, so daf? er bestrebt war, zum Leiter des Oberösterreichischen Landesarchivs bestellt zu werden. Statt dessen wurde ihm aber 1909 die Leitung der Linzer Studienbibliothek übertra gen, der er bis zu seiner Pensionierung 1934 vorstand und wo er ebenfalls seinen For schungsinteressen ungehindert nachgehen konnte. Da die mittelalterlichen Urbare Besitzstandsverzeichnisse sind, die festhal ten, wo sich die Besitzungen einer Grundherrschaft befinden und welche Abgaben diese zu leisten haben, bieten sie eine Fülle von Ortsnamen. So verwundert es nicht, daß Schiffmann schon sehr bald sein Interesse auch den Ortsnamen zuwandte und bereits 1903 mit ersten diesbezüglichen Publikationen hervortrat.^ Noch aber gab es damals in Österreich keine zum Vergleich heranziehbaren umfänglicheren sprach wissenschaftlich fundierten Ortsnamenstudien und auch noch keine allgemeinver bindlichen Interpretationsmethoden. Solche hatte der zu seiner Zeit nicht anerkannte Wiener Universitätsdozent Johann Willibald Nagl (1856-1918) seit 1890 anhand der niederösterreichischen Ortsnamen entwickelt und propagiert.® Dabei forderte Nagl zur sprachlichen Erklärung der Ortsnamen nach ihren lautlichen Grundlagen und Entwicklungen und zur Feststellung ihrer Bedeutung die Ideranziehung der urkundli chen mittelalterlichen Überlieferung, bei Bevorzugung der ältesten Zeugnisse, die Berücksichtigung der örtlichen dialektalen Aussprache und, wenn es sich um Lage namen handelt, die sogenannte Realprobe, d. h. die Überprüfung, ob die sprachlich ermittelte Bedeutung eines Ortsnamens auch den Geländeverhältnissen entspricht. Trotz dieser bis heute in der Namenkunde verbindlichen Interpretationsme thodik war es aber erst der mit Joseph Seemüller zu den Gründern der „Wiener dia lektologischen Schule" gehörende und von 1906 bis 1924 als Professor der Germani stik in Freiburg i. 0., Prag und Würzburg wirkende Kärntner Primus Lessiak (1878193 7), der am Beispiel der deutschen und der aus dem Slawischen übernommenen Ortsnamen seiner Heimat die während seines Wiener Studiums von Nagl vermittelte Methodik ausbaute und allgemein einführte.^ War Lessiaks erster diesbezüglicher Beitrag schon 1905 erschienen, so legte er die ausschlaggebende, materialreiche ^ K. Schiffmann, Die mittelalterlichen Stiftsurbare des Erzherzogtums Österreich ob der Enns. 4 Bde. Wien und Leipzig 1912-1925. ^ Zu nennen sind u. a. K Schiffmann, Zur Besiedlungsgeschichte unseres Landes. In: Linzer Volksblatt für Stadt und Land, Nr. 129, Linz 1903. Ders.: Die oberösterreichischen Ortsnamen. In: Archiv für die Ge schichte der Diözese Linz 3 (1906), S. 321-369, 4 (1907), S. 521-568. ^ Vgl. P. Wiesinger, Johann Willibald Nagl (1856-1918), der Pionier der bairisch-österreichischen Mund arten- und Namenforschung in Wien. In: Name und Geschichte - Henning Kaufmann zum 80. Ge burtstag. Hrsg. von F. Dehus und K Puchner. München 1978, S. 349-372. ^ Vgl. P. Wiesinger, Die Wiener dialektologische Schule. In: Festgabe für Otto Höfler zum 75. Geburts tag. Hrsg. von H. Birkhan. (= Philologica germanica 3), Wien 1976, S. 661-703. Ders., Die Wiener dialektologische Schule. Grundsätzliche Studien aus 70 Jahren Forschung. (= Wiener Arbeiten zur germanischen Altertumskunde und Philologie 23), Wien 1983.

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