OBEROSTERREICHISCHE 44. Jahrgang 1990 Heft 4 Herausgegeben vom Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich Stefan Lueginger Weyer - Auf den Spuren einer Marktgemeinde Josef Weichenberger Zwei neu aufgedeckte Erdställe in Oberösterreich Ernst Gusenbauer „Im Steinbruch is a Leb'n" Aufstieg und Niedergang der Mühlviertler Steinindustrie am Beispiel Mauthausens (1870-1910) Michael Kerschner Ein wiederentdecktes Altarbild von Bartolomeo Altomonte in der Pfarre Urfahr Peter Wiesinger Zum neuen „Ortsnamenbuch des Landes Oberösterreich" Josef Demmelbauer Staatsdenken im alten Mitteleuropa Die Kost auf dem „Münichhof" in Eidenberg im achtzehnten Jahrhundert (Franz Haiböck) Die Dörrhüttin bei den Goiserer Bergbauerngehöften (Karl Pilz) Ein Ausflug in die Handelsgewicht-Vergangenheit (Rudolf Eidenböck) Der Ennser Guckkastenmann Parapluiemacher Johann Grillnberger (Herbert Kneifel) Buchbesprechungen
Medieninhaber: Land Oberösterreich Herausgeber: Landesinslitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich. Leiter: W. Hofrat Dr. phil. Dietmar Assmann Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexem plare) und Bestellungen sind zu richten an den Schriftleiter der Oö. Heimatblätter: Dr. Alexander Jalkotzy, Landesinstitut für Volks bildung und Heimatpflege in Oö., 4020 Linz, Landstraße 31 (Landeskulturzentrum Ursulinenhof), Tel. 0 73 2/270517-23 Jahresabonnement (4 Hefte) S 190,- (inkl. 10% MwSt.) Hersteller: Druckerei Rudolf Trauner Ges. m. b. H., 4020 Linz, Köglstraße 14 Grafische Gestaltung: Mag. art. Herwig Berger Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich Alle Rechte vorbehalten Für unverlangt eingesandte Manuskripte über nimmt die Schriftleitung keine Haftung ISBN 3-85393-054-9 Mitarbeiter: W. Hofrat Dr. Josef Demmelbauer, Bezirkshaupt mann, Parkgasse 1, 4910 Ried i.I. Rudolf Eidenböck, L.-Steinbrecher-Ring 6/3, 4400 Steyr Ernst Gusenbauer, 4312 Ried/Riedmark 19 Kons. Franz Haiböck, Untergeng 15, 4201 Gramastetten Michael Kerschner, Hustadtring 151, D-4630 Bochum O. Med.-Rat Dr. Herbert Kneifel, Museum Lauriacum, Hauptplatz 19, 4470 Enns Arch. Dipl.-Ing. Dr. Stefan Lueginger, Rainerstraße 14, 4020 Linz Karl Pilz, 4822 Bad Goisern 24 Josef Weichenberger, Panholzerweg 28,4033 Linz Univ.-Prof. Dr. Peter Wiesinger, Institut für Germanistik an der Universität Wien, Liebiggasse 5, 1010 Wien Titelbild: Markt Weyer. Foto: Hans Neubauer
Weyer Auf den Spuren einer Marktgemeinde Von Stefan Lueginger Die Siedlungsstruktur Oberösterreichs ist durch Marktorte nicht unwesent lich geprägt. Sie sind, von einigen Ausnahmen abgesehen, ziemlich gleichmäßig über das Bundesland verteilt. Nach den ersten Anfängen im 12. und 13. Jh. wurde die heutige Grundstruktur im 16. Jh. erreicht. Das Wesen der Marktorte liegt darin, daß sie das Bindeglied zwischen Stadt und Dorf, zwischen Handel und Handwerk und Landwirtschaft darstellen. Der Marktort sollte möglichst alle Berufe und sozialen Schichten im Verständnis des Mittelalters in harmonischer Weise integrieren. Außerdem war der Marktort ein zentraler Ort für eine ihm zugewiesene ländliche Kleinregion (wie wir sie heute nennen würden), um die ländliche Bevölkerung mit den Erzeugnissen des Handels und den Leistungen des Gewerbes zu versorgen. Die Lage der Marktorte zu ihren Kleinregionen weist eine Entfernungsstruk tur auf, die den Hin- und Rückweg zwischen Kleinregion und Marktort zu Fuß oder mit dem Gespann an einem Tag möglich macht. Das Grundmuster dieser Erreich barkeitsstruktur war mit dem Ende des 14. Jh. bereits gegeben und wurde durch die weiteren Markterhebungen ergänzt, wobei auffällt, daß manche Marktorte offen sichtlich dicht nebeneinander liegen, andere, wie z.B. Weyer, aufgrund topo graphischer und struktureller Bedingungen relativ isoliert blieben oder Orien tierungen aus Oberösterreich hinaus aufwiesen. Die Marktorte hatten bei ihrer Gründung etwa vierzig Burgrechtsgründe mit genau festgelegten Abgaben. Die Berufsstruktur zielte auf eine weitgehende wirt schaftliche Autarkie des Marktortes und der Kleinregion. Im Marktregal waren alle Rechte der Marktbürgergemeinde gegenüber Kaufleuten, Händlern und ihrer zuge wiesenen Kleinregion festgehalten, auch Nutzung von Wald, Fischerei und der gleichen, sowie die Grundlagen für (Selbst-)Verwaltung und Rechtssprechung fest gelegt. Die Marktorte erreichten ihre Blüte im 16. Jh. Zu diesem Zeitpunkt dürfte auch der Ansatz zur Bildung der sogenannten „Vormärkte" (der Erweiterung des Ortes bzw. der Einbindung außerhalb des Ortes gelegener Gewerke) abgeschlossen sein; dann stagniert die Entwicklung. Diese Stagnation wurde ausgelöst durch die Gegen reformation, die Bauernkriege und die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges (Zerstörungen und Besetzungen) und vor allem durch die Veränderung von der mit telalterlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur zum absolutistischen Staatswe sen. In der Chronik von Weyer wird auch erwähnt, daß die zur Auswanderung gezwungenen (evangelischen) Gewerken tüchtiger waren als ihre Nachfolger. Die Veränderung wurde begleitet von einer Phase der Konsolidierung durch die Grün-
teilweise ^ Abwanderung / in die Städte <]1955 - 1980 1^ Zersiedelung Markterhebune Eisenbahnbau Industrialisierung <]1830 - 1900 O Zuwanderung Umgestaltung der Fassaden Erweiterung O 17.Jhdt [> Markt erhelmng Umgestaltung ev- Neuanlage <ll4./15.Jhdt[> Gründung des Marktortes <|13./1^. JMt O Herrensitz/ Burg \ Gehöft oder Weiler Schematische Skizze der Entwicklungsmerkmale der gegründeten, aber auch der erhobenen Marktorte.
dung von Innungen der verschiedenen Handwerke und Gewerbe, durch Regulierung des Schulwesens und der Pfarrsprengel. Mit der Neuordnung des Gemeindewesens 1848 und der damit verbundenen formalen Gleichstellung aller Ortsgemeinden (aus genommen Statutarstädte) verloren die Marktorte ihre rechtliche Sonderstellung und damit eine wesentliche Komponente ihrer zentralörtlichen Attraktivität. Die weitere Entwicklung seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. ist gekennzeichnet durch den stetigen Verlust an Zentralitätskraft in Rechtsstellung, Verwaltung und Wirtschaft. Die Industrialisierungswelle und die Gewerbefreiheit führten zum Nieder gang des Handwerks, einer wesentlichen Komponente der Struktur des Marktortes. Auch die Bedeutung der Markttermine wurde zusehends geringer. Besonders empfindlich verspürten jene Marktorte den Verlust an Zentralität, die nicht an den neuen Eisenbahnlinien gelegen waren und die bisherigen Verkehrs wege an die Eisenbahn verloren. Durch die Lage an zwei Bahnlinien einerseits und die bereits erwähnte räumliche Distanz zu den nächsten zentralen Orten andererseits konnte sich Weyer als Marktort die Zentralitätskraft besser erhalten. Zur Gestalt der Marktorte Die Gestalt der gegründeten und eines Teils der erhobenen Marktorte wird noch heute entscheidend durch die Form des Platzgrundrisses oder der Hauptachse des Ortes bestimmt. Die Platzform definiert gleichzeitig die Umrißform des (alten) Marktortes. In diesem Umstand unterscheidet sich der Marktort wesentlich von der Stadt. Baublöcke und Häusergevierte, die Elemente des Städtebaus, sind ebenso selten bei den Marktorten zu finden wie Nebenstraßen und erst in den späteren Siedlungserweiterungen oder Bebauungsverdichtungen entstanden. Deshalb ist eine Typologie der Marktorte nach dem Grundriß der Platzform zulässig. Auf der Basis der Ordnungssysteme von Siedlungen ergeben sich die folgenden Marktorttypen; 1. Lineare Systeme 1.1. Marktstraße und Straßenplatz - schmale Rechteckplätze 1.2. Rechteckplätze 1.3. Kombination von Rechteckplatz und Straße(nplatz) 2. Zentrale Systeme 2.1. Straßengabel 2.2. Längliche, schmale Dreieckplätze 2.3. Dreieckplätze 3. Radiale Systeme - Quadratplätze 4. Ohne Ordnungssystem - unregelmäßige Sammelsiedlung, „Haufendorf" Nach der Häufigkeitist zuerst das lineare und an zweiter Stelle das zentrale Ordnungssystem zu nennen. Mehr als drei Viertel aller gegründeten Marktorte
-o// ^"9«' Marktsiraßen und Straßenplätze: Sarleinsbach (1), Weyer (2), Bad Hall (3); Rechteckplätze:Ohernherg am Inn (4), Bad Leonfelden (5); Kombination von Rechteckplatz und Straße(nplatz): Gallneukirchen (6); Straßengahel: Groß St. Florian (7).
\v |V *"T|i; r-Xi . A Längliche, schmale Dreieckpläize: Schwanherg(l):Dreieckpläize:Hellmonsödt(2), Leopoldschlag(3);radiale Systeme, Quadratplätze: Mautern (4), Schenkenfelden (5); ohne Ordnungssystem: St. Peter am Kommersherg (6).
haben Rechteck-, Straßen-, Dreieckplätze, auch bei Hinzuzählung der erhobenen Märkte, die überwiegend dem Typus der unregelmäßigen Sammelsiedlung zuzuord nen sind, immer noch weit mehr als die Hälfte der Marktorte. Die zahlenmäßig kleinste Gruppe bilden die radialen Platzsysteme. Die strenge Grundrißform des Platzes wird durch die leichte Unregelmäßig keit der Bebauung (Rücksichtnahme auf die Topographie) und die differenzierte Fassadengestaltung aufgelockert. Das gibt dem Platz Bewegung, ohne die Ordnung aufzuheben. Der Ortsrand, in der Umrißlinie deutlich von der umgebenden Land schaft abgehoben, greift durch Form und Lage der Wirtschaftsgebäude sowie durch den direkten Übergang von der Marktparzelle zur Flurteilung in den Umraum ein. Dies kann heute noch trotz Zersiedelung festgestellt werden. Weyer ist allerdings aufgrund seiner topographischen Gegebenheiten einer der wenigen Marktorte, die zwar formal in den Umraum, aber nicht strukturell in Landschaft und Fluren eingebunden sind. Diese Form der Verbindung von Einfügung und Abgrenzung zum Umraum, Differenzierung einerseits und Gleichklang andererseits zwischen Innenform (Platz) und Außenform (Ortsrand) verdeutlicht in der Gestalt die Stellung und Auf gabe des Siedlungstyps Marktort als Bindeglied zwischen Dorf und Stadt. Für die Marktorte läßt sich eine Reihe von Gestaltgrundsätzen feststellen, die allerdings bei Siedlungserweiterungen seit Ende des 19. Jh. kaum mehr berücksichtigt wurden; ein Umstand, weshalb die Erweiterungsgebiete in ihrer Gestaltung nicht befriedigen können. Aus der Verwendung von Ordnungssystemen ergibt sich die Möglichkeit der Orientierung und Identifikation. Die Geschlossenheit der Bebauung läßt Räume auch differenziert und abwechslungsreich erleben; Größe und Form des Markt platzes korrespondieren mit den Maßen der Häuser am Platz, die Fassaden bewirken rhythmische Gliederung, ohne aufdringlich oder eintönig zu wirken. Der Einbezug der Topographie in die Gestaltung der Häuser und ihrer Lage zueinander lockert die Strenge des Ordnungssystems. Die Orts- und Platzeingänge werden durch die Stellung der Häuser besonders bezeichnet; dies dient der räumlichen Fassung und der Orientierung. Die Integration der Funktionen Arbeit, Wohnen, Erholen in jedem Marktbürgerhaus und im gesamten Ort ermöglicht ein Höchstmaß an differenzierten Gestaltungsmöglich keiten von der Großform bis zum kleinsten Detail. Die (früher nicht anders mögliche) Verwendung gleicher Materialien, gleicher Bauelemente und Anwendung gleicher Baumethoden bildet die Grundlage für die Vielheit in der Einheit der Gestaltung, für Ausgewogenheit von Individualität und Ordnung. Nicht zuletzt sind die „Schwellenbereiche" zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, zwischen Haus und Platz und teilweise auch im Erdgeschoß der Häuser zu erwähnen.
ORTSEINGANG CRTSEINGANG . WEYER I SIEDLUNGSGRUNDRISSFORM T~ ENTSPRICHT DER PJSTZFORM GESCHUOSSENHEIT ORTSEINGANG PFARRHOF. KAPELLE/ SCHLOSS MERKZEICHEN- ORIENTIERUNG OPTISCHE BEGRENZUNG DER PLATZ SEQUENZEN Grundriß mit den wichtigsten Gestallelementen und raumhildenden Maßnahmen. 9 0 UBERWIEGEND WOHNFUNKTION OHNE FUNKTON WOHNEN Aufzeigen des Verlustes räumlicher Gestaltqualitäten durch die Isolierung der Wohnfunktion.
O O 0^ /s <^ 0 ^ c7 O ^ O O o ^ o ö o <> O O ^ o o ^ < ^ O o NEUES SIEDLUNGSGEBIET Neues Siedlungsgebiet auf der Terrasse südöstlich des Ortskernes von Weyer. Mehr Flächenverhrauch durch Änderung der Parzellenform von schmallänglich auf quadratisch. Zur Geschichte von Weyer Das Gebiet von Weyer war ursprünglich keltisch besiedelt. (Enns: kelt. anesus, lat. anasus = heftig bewegen). Zur Zeit der Römer führte nachweislich entlang der Enns eine Straße vom Erzberg nach Lauriacum, wo sich eine Schildfabrik befand. Mit Beendigung der römischen Fierrschaft besiedelten Markomannen, Baju waren und auch Slawen das Ennstal. Zuerst wurde übrigens Gaflenz gegründet, das im Talboden höher liegt (und trockener), und erst nach der Trockenlegung des Talgrundes (Biber im Wappen von Weyer) erfolgte die (Neu-)Besiedelung des Raumes Weyer. Dieser Raum, im Grenzgebiet der Awarenmark und der Karantanischen Mark, gehörte im 11. Jh. kirchlich zum Bistum Freising, herrschaftlich zu den steirischen Ottokaren, nach deren Aussterben den Babenbergern. Teile besaß auch das Shft Garsten. Nach dem Ende der Babenbergerzeit bemächtigte sich Ottokar von Böhmen der flerzogtümer Österreich und Steiermark und bestätigte dem Shft Garsten den Besitz des gesamten Raumes Weyer (der übrigens nach den Ungarneinfällen geschlossen für das Herzogtum Österreich gesichert wurde). Das Shft Garsten errichtete Mitte des 13. Jh. eine Kirche mit mächhgem Wehrturm, 1259 geweiht durch den Passauer Bischof als „ecclesia St. Johannis in piscilla" (also Kirche Hl. Johannes zu „Weiher", Weyr, Weyer). Erst 13 71 erscheint der Name auch auf deutsch, 13 75 Markt Weyer (lat.), 1390 der Markt Weyer (auf deutsch), 1425 die Pfarre Weyer (auf deutsch, ohne rechtlich eine eigene Pfarre zu sein!).
Der Aufschwung von Weyer erklärt sich durch die günstige Lage an der Straßengabelung der Eisenwurzen-Wege Erzberg - Steyr - Enns und Erzberg - Weyer - Waidhofen/Ybbs (Handel, Transport, Produkbon). Die Privilegien für die Stadt Steyr (1283: Vertrag von Rheinfelden) hatten auch auf Weyer nachhaltige günstige wirtschaftliche Auswirkungen. 1360 wird ein Weyrer Bürger genannt, 1375 ein Marktrichter. Somit kann man schließen, daß Weyer bis Mitte des 14. Jh. Markt geworden sein dürfte. 1390 jedenfalls bestätigt Herzog Albrecht III. bereits die Markt- und Handels vorrechte. Der Landesherr fördert den Raum intensiv (Eisenverarbeitung), der beachtliche Wohlstand veranlaßte die Weyrer Bürger, auf eigene Rechnung etwa ab 1440 die Kirche wesentlich zu erweitern, weitere bauliche Veränderungen bis etwa 1516 können durch kirchliche Urkunden (Ablässe) erschlossen werden. 1443 wird die neue Kirche vom Passauer Weihbischof eingeweiht. Seit dem Ende des 14. Jh. hatte Garsten auch die höhere Gerichtsbarkeit über seine Besitz ungen erhalten, seither residierte ein Amtmann von Garsten im Weyrer Schloß. Die politische Lage im 15. Jh. (Streit zwischen Albrecht VI., Friedrich III. und Matthias Corvinus usw.) brachte Weyer wirtschaftliche Stagnation, von 1458 bis 1492 gehörte der Marktort zu Niederösterreich. Während dieser Zeit wurden Weyer von niederösterreichischen und oberösterreichischen Steuereinnehmern die Ab gaben eingefordert. In der zweiten Hälfte des 15. Jh. wurden auch erstmals eine Schule und ein eigener Marktschulmeister genannt. 1513 waren die Bauarbeiten für die Kapelle am Marktplatz vollendet, der Dachreiter wurde 1557 zum Turm umgebaut. 1532 fiel Weyer dem Türkensturm zum Opfer, der Markt wurde geplündert und eingeäschert. Nach dem ersten Türkeneinfall 1532 wurde der Ort an derselben Stelle und wohl auch mit gleichen Parzellen wiederaufgebaut, aber unter Berücksichtigung eines Verteidigungsplanes. Die zweite Türkengefahr 1680-1683 überstand der Markt Weyer unbeschadet; die diesmal wohlvorbereitete Bevölkerung konnte die Türken vertreiben. Während der Zeit des Protestantismus tauchte zum ersten Mal offiziell der Vorschlag zur Errichtung einer eigenen Pfarre Weyer auf. (Auch das Stift Garsten war protestantisch und wurde rekatholisiert!) Seit 1500 wird die Kirche St. Johannes von Weyer neben Gaflenz als Pfarr kirche in päpstlichen Schreiben genannt, hatte auch schon lange Tauf- und Begräb nisrechte. Erst ab 1644 war aber Weyer endgültig und offiziell von Gaflenz getrennt. Die Gegenreformation erfolgte in Weyer zunächst sehr behutsam und geschickt, dadurch blieben größere Proteste und Probleme aus, auch die Kirche wurde renoviert (Spendeneintreibung mit sanfter Gewalt!); erst gegen Ende der Rekatholisierung wurde härter durchgegriffen, und eine Reihe der reichsten Gewerke familien wanderten aus.
Die zurückgelassenen Betriebe und Gewerkerechte wurden verstaatlicht. Diese verstaatlichten eisenverarbeitenden Betriebe gingen bald in Konkurs; die Chronik glaubt die Gründe in Struktur- und Absatzproblemen und schlechter Betriebsführung zu finden. Die Bauernkriege überstand Weyer mit Ausnahme einer Einquartierung von bayrischen Truppen im Herbst/Winter 1626/27 ohne größere Schwierigkeiten. Die Weyrer selber gingen aber - wegen des beschwerlichen Weges - nur ungern in ihre Pfarrkirche und lieber in die Marktkapelle zum Gottesdienst. Das Stift Garsten trug diesem Umstand Rechnung und erlaubte eine entsprechende Erweite rung der Marktkapelle, die dann aber nicht zustande kam. Bis 1814 waren Benediktiner von Garsten als Pfarrherren eingesetzt, seither Weltgeistliche (1787 wurde das Stift Garsten aufgehoben). Mitte des 19. Jh. wurde die Pfarrkirche nochmals umgebaut und erweitert (eine der frühesten neugotischen Bauten in Oberösterreich!). Der heutige Dachstuhl ist leider viel zu niedrig und beeinträchtigt das Aussehen der Kirche empfindlich. Die wirtschaftliche Grundlage für die Blütezeit von Weyer war das Eisen wesen. Ursprünglich wurde das Erz gleich am Erzberg bzw. in Eisenerz (= Innerberg) und Vordernberg verhüttet (Radmeister). Da aber weniger Baumaterial für die Öfen vorhanden war, wurde die Eisenverhüttung in die angrenzenden Alpentäler aus gedehnt (Hammerherren, Gewerke). So waren Roheisengewinnung und Verarbei tung am gleichen Standort zusammengefaßt, ebenso dann auch die Händler und Verleger. Die bereits erwähnte Emigration der reichen Gewerkefamilien brachte die Verstaatlichung der Betriebe oder aber den Verkauf an Händler, hauptsächlich in Steyr. Damit verlagerte sich die wirtschaftliche und strukturelle Interessensphäre aus der Eisenwurzen in die größeren Städte. Zu den wirtschaftlichen Problemen der Veränderung von der mittelalterli chen Wirtschaftsstruktur zum staatlichen Zentralismus kam damit die Stagnation des wichtigsten Wirtschaftszweiges der Region und des Marktortes. Mehrere Versuche zur Wiederbelebung der Metallverarbeitung im 19. Jh. scheiterten, weil die damals neuen Hüttenmethoden offenbar in kleinerem Stil nicht gewinnbringend anwendbar waren. Im Verlauf des Bayerischen Erbfolgekrieges befanden sich im Raum Weyer und Ennstal wieder bayrische Truppen. Während der Napoleonischen Kriege war Weyer dreimal besetzt: 1800/01,1805 und 1809. Während des 19. Jh. erhielt Weyer noch zwei zusätzliche Markttermine, außerdem wurden die wirtschaftlichen Schwerpunkte Holzverarbeitung und Holz bearbeitungsmaschinen gefördert. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die Möbelfirma Schön taler ihre Produkte (auch kleine Jagdhäuser, Vorläufer der heutigen Fertigteilhäuser) aufgrund internationaler Anerkennung in viele Länder liefern konnte. Der Eisenbahnbau 1869-1873 brachte Weyer wieder ein leistungsfähiges Transportsystem und damit verbesserte Handels- und Absatzchancen.
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Im übrigen ist das ausgehende 19. Jh. durch viele Veränderungen gekenn zeichnet: Neu- und Umbau von Amtsgebäuden, Schulen und Pfarrkirche, Errichtung eines Elektrizitätswerkes, Einführung der Ortsbeleuchtung (zunächst mit Gas), Grün dung etlicher Vereine. Weyer wird auch zum Sommerfrischeort, eine Badeanstalt und das Sanato rium der Wiener Kaufmannschaft (1925) entstehen. Bis heute haben sich Kur, Erholung, Altenbetreuung einerseits und Unter richtswesen andererseits zu wesentlichen Bereichen des Dienstekataloges von Weyer entwickelt. WEYER Einwohnerzahlen: 93 Bürger (= Haushaltsvorstand) 100 Bürger (ohne Familien) 1.222 1.295 1.793 2.512 2.512 Veränderungen: seit 1869 seit 1951 seit 1971 -F94% ± 0% -0,2% 1375: 1381: 1384: 1390: 1443: 1458-1492 1513: durch Geburten: —3,1% durch Zuwanderung: -b2,9% Zahl der Häuser: 14. Jh.: 35 Häuser (und Burgrechtsgründe), Oberer Markt 14.-16. Jh.: Aufbau des Unteren Marktes 1576: 93 Häuser 1750: 100 Häuser 1788: 132 Häuser 1827: 138 Häuser 1869: 144 Häuser Burgrechtsdienste (= feste Abgaben der Bürger) betrugen je Haus zwischen 3 d und 16 d. Die Ab gaben der Bürger selbst lagen zwischen ca. 12 d und 50 d. 1 d (Pfennig) = 2 HL (Heller), 30 d = 1 s (Schilling). 1259: älteste Erwähnung 1360: Marktcharakter (Bürger) 1373: Marktrecht 1848-1854 1848: 1850: 1850-1869 ab 1897: 1869-1873 1872: Nennung eines Marktrichters Niedergerichtsbarkeit ältestes vorhandenes Marktprivileg jeden Dienstag Wochenmarkt Pfarrkirche gebaut und geweiht Weyer an Niederösterreich Kapelle am Marktplatz Pestepidemie eigener Pfarrort (von Gaflenz durch Garsten getrennt) Jahrmarkt am Thomastag vor Weih nachten (möglicherweise schon früher) Pestepidemie Viehmarkt: Montag nach Leopold Ende des Marktrichteramtes und des Urbaramtes (von Garsten) Umbau der Pfarrkirche Gemeindereform Marktkaserne geschlossen Bezirksamt Weyer errichtet, daraus 1859 Bezirksgericht Großgemeinde Weyer Trennung Markt Weyer - Weyerland Viehmarkt: Montag nach Lätare (eventuell früher?) Eisenbahnbau Sparkasse freiw. Feuerwehr neue Volksschule Grundlage der ersten Hauptschule Telefon Bürgerschule Sanatorium der Wiener Kaufmann schaft Hauptschule Kirchtag: Montag vor Jacobi
Zur Entwicklung des Dienstekataloges ab dem 16. Jahrhundert 1565 war die Enns vom Kasten (= heute Kastenreith) bis Steyr schiffbar, 1567 ab Idieflau. Ein Ennsschiff der damaligen Zeit konnte ca. 250 Zentner Eisen flußab wärts transportieren; aufwärts wurden Nahrungsmittel gebracht. 1567: 6 fiammerwerke („welsche Hämmer") (meistens 8 in Kleinreifling, ins gesamt 29 in der Eisenwurzen), im Gaflenztal zusätzlich: 6 Schwertschmieden, 4 Zainhämmer (= schnellaufende Hammerwerke), 1 Nagelhammer, 1 Hacken schmiedhammer. Verleger für verschiedene (leider nicht genannte) Dienste bzw. Tätigkeiten. Gewerbe: Schmieden aller Art, Balgesetzer, Zinngießer, I Brauerei, Krämer, Köhler, Lederer, Wirte, Flößer, Schiffmeister, Mautner (Überwachung der Ein- und Ausfuhren). Existenzgrundlage war daneben die Landwirtschaft, damit gab es auch regen Handel mit landwirtschaftlichen Produkten und dem Salz (Staatsmonopol). 1828 - Markt Weyer und Distrikt Weyer: Weber (10) Tuchscherer Schneider Leinenweber Wagner Hammerschmiede Zeugschmiede (2) Hackenschmiede (2) Nagelschmiede (2) Blechkammerwerke (4) Büchsenmacher Eisenhandlung Messerer, Nadler Sägewerke (7) Drechsler Schiffmeister (3) Färber Seifensieder Kederer Krämer Blasbalgmacher Branntweinbrennereien (4) Pechölbrennereien (7) Hagelbrenner (2) Kalkbrenner (1) Uhrmacher Buchdrucker (seit 1824) Rauchfangkehrer Müller (13) Bäcker Bierbrauer Fleischhauer Brandschaden versicherung Hebammen (3) und „hundert weitere Gewerbe", die aber nicht genannt werden.
1984: Tapezierer Sägewerk - Holzhandel (2) Sägewerk - Holz- und Eisenindustrie Baumeister (2) Bau- und Zimmermeister Eisen- und Maschinen handlung Installateur (4) Elektrounternehmen (3) Elektriker Farbenfabrik Gasthaus (4) Holzhandel und Holzexport Betonwaren und Baustoffe Bau- und Zimmermeister Gärtnerei und Blumengroßhandel Gärtnerei, Obst- und Gemüsebau Möbelfabrik Bau- und Möbeltischler Schmiede und Maschinenhandel - Landmaschinen Landmaschinenhandel und -reparatur Ofenbau, Hafner und Fliesen Kaufhaus (Damen kleider, Spiel- und Schreibwaren, Fotoartikel) Gemischtwarenhandlung Tanzschule Elektromotoren- und Maschinenbau Kunststoffverarbeitung Buchdruckerei Maler und Anstreicher, Bodenleger Konditorei Fleischhauer (2) Kfz-Werkstätte (2) Taxi, Mietwagen, Bestattung Tischlerei Maschinenbau Hotel Tankstelle (3) Versicherung (9) Friseur (2) Foto-Drogerie Bäckerei und Lebensmittel Bäckerei Kinderwagenerzeugung Büchsenmacher Schneider (2) Haus- und Küchengeräte (2) Konsum-Filiale Schul- und Sportarhkel Dachdecker und Spengler Kaminfeger Maler Kerzenfabrik Jugendherberge Transportunternehmen (4) Planungs-, Bauleitungs und Handelsgesellschaft Werkzeugbau Foto-, Papier-, Spiel- und Lederwaren Steuerberater Maschinenstickerei Glaserei - Tischlerei Fabrik für Sägen und Maschinenmesser 4 Landwirte (1 mit Pension)
Sitz des k. k. Distrikts kommissariates Bezirksgericht Notar Advokat Steuerberater Steueramt 1 +Eichamt Urbaramts verwaltung der Herrschaft Garsten Poststation X (ab 1919 Anschluß an Telefonnetz) Postamt Bahnhof Dr. med 3 prakt. Arzte 1 Facharzt I Zahnarzt 1 Zahnarzt Landarzt Apotheker Zahnarzt 1 Dr. med 1 Dentist 1 Tierarzt Bürgerspital Armenhaus 2 (für den - Distrikt) 1 1 VS Weyer VS 1 VS Gaflienz (7 Lehrer) 1 VS Kleinreifling Kaserne Schulen 2 VS 1 HS mit Hallen 1 Zweigstelle der Musik schule Garsten 1 Expositur der HBLA für wirtsch. Frauen berufe Steyr 1 VS (10 Lehrer) VS (9 Lehrer) Kindergarten Pfarramt X Dekanat Weyer zu Losenstein X Dekanat Weyer Raiffeisenkasse Sparkasse 1 Vorschuß kasse Straßenmeisterei Sitz des Feuerwehr bezirksverbandes * Frühere Gliederung: Land - Kreis - Distrikt (heutige Kleinregion) Heutige Gliederung: Land - Bezirk - Gemeinde. Ort (Gemeinde).
Bezirksgenossenschaft: der Landwirte Agrargemeinschaft Weyer an der Enns X („mit einem bedeutenden Amtspersonal" Die Veränderungen von Gestalt und Struktur Siedlungserweiterungen Im Verlauf des 16. Jh. war die Anlage des Vormarktes, der ersten Erweiterung des Ortes, im wesentlichen abgeschlossen. Der Katasterplan von 1820/30 zeigt im großen und ganzen dieses Bild. Bis etwa 1890 fügten sich alle Neubaumaßnahmen in das Gefüge des Orts grundrisses ein. Die ersten Ansätze zur Zersiedlung können mit dem Zeitraum von etwa 1890 bis 1914 ausgemacht werden: die Siedlungsachse zum Bahnhof, die Bebauung von günstigen Aussichtspunkten (Villen, Pensionen), die Errichtung von Wohnhäusern und Gewerbebauten (weichende Erben, Zuwanderer) entlang der Zufahrtsstraßen zum Ort, ein allmähliches Auffüllen des schmalen Tales mit Bebauung. Mit der großen Ausdehnung ab 1950 beginnt die Zersiedlung des näheren Umfeldes, auf der Terrasse oberhalb des Ortes und an den fiängen oberhalb der Bahnlinie nach Amstetten. Die von Landesseite angekündigte und vollzogene Verschärfung der Bestim mungen der Flächenwidmung Ende der siebziger Jahre führte zu dem Umstand, daß - gewissermaßen in Torschlußpanik - große Mengen Bauland gewidmet wurden. Die seit Beginn unseres Jahrhunderts immer deutlichere Bevorzugung des freiste henden Einfamilienhauses als Form des Wohnhauses, verbunden mit dem Wechsel von schmalen, länglichen Parzellen zu eher quadratischen, steigerte den Bedarf an Bauland und führte dazu, daß heute pro Einwohner gut doppelt soviel Grundfläche verbraucht wird als im Kern des Marktortes, obwohl die reine Wohnnutzfläche nicht oder nur unwesentlich gesteigert wurde. Ortshild Die zunächst auffallenden Veränderungen im Ortsbild betreffen die Fassaden der Gebäude. Es sind dies die Änderung der Firstrichtung vom giebel- zum trauf ständigen Haus, die Überbauung von Einfahrten, Aufstockungen, Scheinfassaden zur Verdeckung eines Giebels dort, wo Aufstockung oder Dachänderung nicht möglich war bzw. sich nicht lohnte. Festzuhalten ist, daß bei Umbauten vor 1914 die Fensterachsenteilung nur selten verändert wurde. Die Fassadenpläne zeigen, daß die Fassaden mit ihren Details an die jeweils vorherrschenden Shle angepaßt wurden, offenbar in dem Bestreben, sich in der
Gestalt an die Städte oder auch an die herrschaftlichen Gebäude anzunähern, und im Bewußtsein, daß ein ansprechendes Ortsbild ein nicht unerheblicher „Werbe träger" ist. Weyer wird heute noch „goldenes Märktl" genannt aufgrund der tradierten Platzgestalt, obwohl das Bild durch den Neubau eines Geldinstitutes empfindlich gestört wurde; die wirtschaftliche Basis ist durchaus nicht mehr so „golden". Die Fassadenpläne zeigen auch, daß die Gestaltveränderungen ab 1950 in erster Linie die Erdgeschoßzone durch Geschäftsein- und -umbauten betreffen, seltener die Neugestaltung der ganzen Fassade. Die Gestaltqualität der Neubau maßnahmen fällt gegenüber den alten Fassaden deutlich ab, obwohl auch mit den Mitteln der modernen Architektur saubere und schlüssige Lösungen möglich gewesen wären. Eine wesentliche Veränderung der Platzgestaltung bewirkte auch die Beseiti gung der fassadenbündig liegenden (Kasten-)Fenster zugunsten in der Laibung tiefer sitzender Fenster, auch wenn - ausnahmsweise - die Sprossenteilung beibehalten wurde. Wirtschaflsslruktur Die Statishken über die Dienste zeigen, daß die Betriebe und Einrichtungen für den Bedarf des Marktortes trotz Zunahme der Bevölkerung von etwa 1800 bis 1900 ziemlich gleich geblieben sind. Dies ist deshalb verständlich, weil die Grund bedürfnisse der Bewohner in etwa gleich geblieben sind, und durch technische Hilfen und neue Produktionsmethoden bei annähernd gleicher Zahl von Betrieben und deren Belegschaft mehr geleistet werden konnte. Deutlich sichtbar stellen sich die Veränderungen im Rahmen der Industrialisierungswelle bei jenen Diensten dar, die dem Verkehrswesen verbunden waren, die den regionalen und allenfalls überregio nalen Bedarf zu decken hatten, die von neuen Industriezweigen direkt konkurrenziert wurden. Als Beispiele können genannt werden: Wechsel von Schmieden und Wagnern zu Mechanikern, von Fuhrleuten, Schiffern und Flößern zu Bahnbeamten oder Kraftfahrern, die Shllegung vieler Mühlen, Brauereien, Webereien, Färbereien, Hammerwerke usw. Neben den Änderungen von der kleinteiligen, selbstversorgenden Wirtschaft zur industriellen, verteilenden wuchs das Angebot des tertiären Sektors, vor allem die Bereiche Verwaltung, Handel, Sozialwesen, Bildungsangebot, Geld- und Kredit institute, Versicherungszweigstellen. Weyer ist von den nächsten zentralen Orten offenbar ausreichend weit ent fernt, damit der Verlust von Berufsgruppen und Betrieben durch den Strukturwandel von neuen Diensten und Betrieben einigermaßen ausgeglichen werden konnte. Nicht unterschätzt werden darf in diesem Zusammenhang die immer größere Möglichkeit der Mobilität für immer mehr Bewohner, wodurch die tra dierten Kriterien der Erreichbarkeit völlig neu defirüert sind.
Zur Ablesbarkeü der Strukturveränderungen im Gestaltwandel Der wirtschaftliche Veränderungsprozeß begann, wie bereits festgehalten, nach der Hochblüte etwa ab dem 17. Jh., noch ohne in größerem Maß aufzufallen, denn erst gegen Ende des 19. Jh. war die industrialisierte Wirtschaft differenziert strukturiert und stark genug, um einen Verzicht auf das Selbstversorgerprinzip und auf kleinräumige Wirtschaftseinheiten zu ermöglichen. Dieser Änderungsprozeß ist in der Gestalt nachweisbar. Barockfassaden werden errichtet, ohne den Hausgrundriß und die Fensterachsen zu ändern. Nur jene Gebäude, die nach Bränden neu aufgebaut werden mußten, haben Grundrisse aus dem 18. oder 19. Jh. Von den wenigen Neubauten im 20. Jh. abgesehen, beschränkten sich die Umbauten im wesentlichen auf das Erdgeschoß und ließen von der alten Substanz nur Reste übrig, im Obergeschoß wurden - meistens eher ungeschickt - die Bedürf nisse nach moderner Hygiene erfüllt. Die Veränderung der Gestalt der hofseitigen Gebäude verläuft zeitlich ver zögert zum wirtschaftlichen Wandel. Die Verstärkung der Wohnbautätigkeit von 1950 bis 1980 ist durch Vergleich der Katasterpläne und Luftbilder aus diesen Jahren unschwer abzulesen. Die neuen Wohngebiete beanspruchen bei gleicher Bevölke rungszahl ein Vielfaches an Fläche; die noch bis Anfang unseres Jahrhunderts deut liche Differenzierung zwischen Siedlung und Landschaft ist völlig verschwunden. Der Funktionsverlust Das Überhandnehmen der Wohnfunktion führte zu einer Verringerung an Zentralitätskraft, ebenso wie die Funktionen Fremdenverkehr, Freizeiteinrichtungen, Zweig- und Außenstellen wenig zentralitätsfördernd sind. Seit der Schulbusaktion verliert auch die Schule ihre Zentralfunktion für den Marktort. Der im Ortszentrum freiwerdende Raum von ausgesiedelten Betrieben und / oder Verlagerung des Wohnstandortes wurde vom expandierenden tertiären Sektor beansprucht. Wenn auch Weyer heute fast alle Dienste eines kleinregionalen Zentralortes aufweist, so entspricht das Angebot in Qualität und Quantität nicht bei allen Dien sten dem „gewohnten" Stand. Diesen erwarteten Standard der potenhellen Bedürf nisbefriedigung (nicht der tatsächlichen!) bieten zur Zeit erst Steyr und etwas einge schränkt Waidhofen / Ybbs. Viele Dienste werden aber auch in Amstetten oder in der Landeshauptstadt Linz genutzt. Deshalb hat wie die anderen Marktorte auch Weyer die zentralitätsfördernde Funktion der Deckung des höherwertigen Bedarfs verloren. Auch die hohe Mobilität erleichtert die Lösung von Bindungen an tradierte Kriterien der Erreichbarkeit. Während der sechziger und siebziger Jahre wurden kleine Betriebe als „Struk turschwäche" betrachtet und nach Möglichkeit durch größere Einheiten ersetzt. Dabei ist übersehen worden, daß gewerbliche Klein- und Mittelbetriebe noch in ver-
hältnismäßig kleinen Zentralorten ein ziemlich differenziertes Arbeitsplatzangebot aufweisen, während große Betriebe gerade im ländlichen Raum eher zu Monostrukturen führen (wenig differenzierte Arbeitsplätze, angelernte Kräfte, Krisenanfälligkeit usw.). Außerdem braucht die Schaffung gewerblicher Arbeitsplätze viel weniger Aufwand an Kapital und Energie als die Förderung industrieller Arbeitsplätze. Die neue österreichische Gewerbeordnung von 1973 räumte den Betrieben die Möglichkeit der Ausübung von Nebenrechten in größerem Umfang ein als vor her. Dies erfolgte mit der Absicht, die nah- und kleinregionale Versorgung zu ver bessern. Tatsächlich geschah jedoch, daß die Zielgruppe, die kleinen Betriebe, diese Möglichkeit wegen fehlender organisatorischer Voraussetzungen nicht entspre chend ausschöpfen konnten, im Gegensatz zu den größeren, die damit noch stärkere Konkurrenten wurden und die Kleinbetriebe zum Teil auf den engsten lokalen Markt zurückdrängten. In diesem Zusammenhang wird noch einmal festgehalten, daß statistische Unterlagen über in einem Marktort vorhandene Dienste insofern nicht die volle Aus sagekraft besitzen, da im erhobenen Dienstekatalog nicht aufscheint, welche Größe, welche Angebotsqualität, welche Arbeitsplätze usw. ein Dienst bietet, das heißt, ob er dem von der Bevölkerung gewünschten oder erwarteten Standard auch wirklich entspricht. Auch im Rahmen der Raumordnung verlor Weyer, wie alle anderen Markt orte auch, an Zentralität und Bedeutung. Die Stellung als kleinregionaler Zentralort wird zwar theoretisch anerkannt und beschrieben, die praktischen Maßnahmen sichern diese Stellung aber nicht ab. Dazu ein Beispiel: Für Weyer und in allen Ent wicklungsprogrammen für kleinregionale Zentralorte wird die vorhandene Struktur samt Pendlerbewegungen mehr oder weniger offen oder stillschweigend zur Kenntnis genommen und akzeptiert. Es gibt in ganz Oberösterreich kein Konzept, das diese Umstände wenigstens hinterfragen würde, vom Versuch einer Änderung ganz abgesehen. Immer noch werden die Ballungsräume überproportional gefördert, früher zur Verdichtung und Vergrößerung, heute zur Sanierung der vielen aus der Entwicklung entstandenen Schäden und Probleme. Damit bleiben auch zuwenig Mittel für die peripheren Räume, die dadurch nicht attraktiver werden und weiter die jüngere Bevölkerung und eine ausgewogene soziale Schichtung verlieren. Daraus lassen sich folgende Kreisläufe verdeutlichen: einmal für den Bereich der qualitätsvollen Bedarfsdeckung zwischen Angebot und Nachfrage, dann für den Bereich Arbeitsplatz und Einkommen und damit auch in Verbindung Arbeitsplatz und Bedarfsdeckung, wobei die individuelle Mobilität für den einzelnen zwar Zeit beansprucht, aber (noch?) weitgehend kostenneutral ist (Preisdifferenzen, Verfügbar keit, Pendler- und Kfz-Pauschale usw.) In zwei Studien wurde nachgewiesen, daß eine Siedlungseinheit von 5.000 bis 6.000 Einwohnern für ein theoretisches, kreisförmiges Siedlungsgebilde mit einem Zentrum im Mittelpunkt (als Ideal einer Siedlung in bezug auf Wirtschafts und Gesellschaftsstruktur) eine Maximalgröße von 80 ha aufweisen darf unter Berücksichtigung des „Schwellenwertes" für bequeme Fußgängerentfernungen von
höchstens 500 Metern von der Wohnung ins Zentrum. Gefordert wurde eine Bruttodichte von ca. 100 Einwohnern je Hektar. Da Weyer keinen im Sinn der Planungstheorie idealen Grundriß aulweist und auch mit seiner Kleinregion kaum mehr als 6.000 Einwohner zählt, wird die Maximalfläche geringer sein müssen. Tatsächlich beträgt die Bruttodichte des Marktes Weyer nur etwa 20 Einwohner je Hektar, das ist ein Fünftel des Sollwertes. Wenn man diese Zahlen mit der Gründungssituahon vergleicht, ergibt sich folgendes Bild: Die Anzahl der Burgrechtsgründe betrug 35 (Marktorte hatten 30 bis 50 Burgrechtsgründe), die Haushaltsgröße wird mit 6 bis 8 Personen angegeben, die Grundfläche umfaßt etwa 3 Hektar. Mit dem ermittelten Dichtewert von 90 ist man sehr nahe am auch heute gülhgen Wert. (Dies gilt übrigens für alle gegründeten Marktorte, sie weisen einen Dichtewert von 90 bis 110 auf.) Eine Tabelle soll dies verdeutlichen. Jahr 14. Jh. 1576 1750 1869 1900 1951 1981 Häuser 35 93 100 144 Einwohner ca. 250 ca. 650 ca. 700 1.295 1.793 2.512 2.512 beanspruchte Bodenfläche pro Person 200 m^ / Einwohner beanspruchte Bodenfläche pro Person 500 m^ / Einwohner vorhandene Wohnfläche pro Familie vorhandene Wohnfläche pro Familie 100-120 m^ 100-120 m^ vorhandene Wohnfläche pro Person vorhandene Wohnfläche pro Person 12-15 m^ 30-40 m^ Ortskern Wohnsiedlung (Beispiel) 35 Häuser 35 Häuser 250 Einwohner 105 Einwohner 42.000 m^ beanspruchte Fläche 90.000 m^ beanspruchte Fläche davon 6.250 m^ Verkehrsfläche davon 8.250 m^ Verkehrsfläche
Zukunftsaspekte Die Beschreibung und Erläuterung der Entwicklung des Marktes Weyer zeigte viele negative Erscheinungen in Struktur und Gestalt, läßt aber auch erkennen, welche unschätzbaren Werte noch vorhanden sind. Das wachsende Bewußtsein für die Grenzen des menschlichen Einflusses und der Abhängigkeit der Entfaltungsmöglichkeiten von einer intakten Umwelt lassen die Marktorte allmählich in einem neuen Licht erscheinen. Die genaue Erforschung ihrer Entwicklungsgrundlagen ist bei Überlegungen zur räumlichen Neuordnung zu empfehlen. Von seiner Idee her ist ein gut strukturierter und gestalteter Marktort als Aus weg aus der Bipolarität zwischen Stadt und Dorf gut geeignet, denn er kann die Vor stellungen und Wünsche aus dem Bereich Wohnen und Umweltqualität mit den hohen Anforderungen an Infrastruktur, Dienstleistung und Arbeitsplatzangebot weitgehend kombinieren. Außerdem ist ein Marktort kostengünstig und überschau bar zu administrieren, noch klein genug für Bürgernähe, aber doch schon so groß, daß unerwünschte Nähe vermieden werden kann. Die Größe von Marktort und zugeordneter Kleinregion von etwa 6.000 Ein wohnern genügt zur Lebensfähigkeit der meisten Betriebe bzw. Dienste für zentrale Orte der Rangstufe 6 und innerhalb des Marktortes bei ordnungsgemäßer Planung den Kriterien der fußläufigen Erreichbarkeit. Eine positive Einstellung zu diesen Aspekten sichert dem Marktort Weyer eine günstige Zukunft. Literaturverzeichnis Amt der o.ö. Landesregierung, Raumordnungskataster, Teilbereich C. Umfassender Kultur- und Orts bildkataster, Stand 1981. Bauaufnahmen Lueginger. Bobek, Hans, und Maria Fesl: Das System der zentralen Orte Österreichs. Wien - Köln 1978. Breitling, Peter: Zur Ordnung der Siedlungsstruktur. In: Akademie für Raumforschung und Landes planung, Forschungs- und Sitzungsberichte 85, Stadtplanung 1, Hannover 1974. Oers.: Die Untergliederung von Stadtteilen nach planerischen Gesichtspunkten. In: Akad. f. Raumf. u. Landespl., Forschungs-und Sitzungsberichte 42, Hannover 1968. Frey, Josef Gabriel: Aquarelle, Lithographien, Zeichnungen (1812 bis 1876). Ausstellungskatalog, Linz 1984. Gebhard, Helmut: Umweltgestaltung im ländlichen Raum, Darmstadt 1974. Geschäfts-, Volks- und Amtskalender. „Der Oberösterreicher", 1855,1899 (46. Jg.) für 1900,1912 (59. Jg.) für 1913,1918 (62. Jg.) für 1919. Grüll, Georg: Der Markt Weyer und sein Archiv. Weyer 1937. Hamm, Berthold: Einführung in die Siedlungssoziologie. München 1982. Hoffmann, Alfred: Die oberösterreichischen Städte und Märkte, eine Übersicht ihrer Entstehungs- und Rechtsgrundlagen. In: Jb. des OÖMV, Band 84, Linz 1932. Katzinger, Willibald: Die Anfänge der Marktsiedlungen in Oberösterreich. In: Österreich in Geschichte und Literatur. Hrsg.: Inst. f. Österreichkunde, Heft 3, 24. Jg., 1980. Klaar, Adalbert: Baualtersplan von Weyer-Markt. O. J. (ca. 1950/60).
Lueginger, Stefan: Struktur und Gestalt von Marktorten, Linz 1990. Marktarchiv der Marktgemeinde Weyer. Merian, Matthäus: Topographia Provinciarum Austriacarum 1649. Monographie zur Geschichte des Mittelalters, Band 21, Stuttgart 1980. Norberg-Schulz, Christian: Genius loci. Stuttgart 1982. Perndl, Josef: Weyer an der Enns, eine kunstgeschichtliche Studie. In; Jahresbericht des Koll. Petrinum. Linz 1959/60. Pillwein, Benedikt: Geschichte, Geographie und Staüstik des Erzherzogtums Österreich ob der Enns. 2. Teil, Der Traunkreis, Linz 1828. Reslfeld, Johann Carl von: Topographische Ansichten der Garstner Pfarren. Augsburg 1693. Stanek, Norbert: Die sozioökonomische Struktur im mittleren Ennstal und Beiträge zur Wirtschaftsgeo graphie. 2. Teil, Wien 1976. Statistisches Zentralamt Wien. Vermessungsamt des Bezirkes Steyr-Land. Textpassagen sind entnommen dem Buch: Stefan Lueginger, Struktur und Gestalt von Marktorten. Dar gestellt an Beispielen aus Oberösterreich und der Steiermark, Linz: Universitätsverlag Rudolf Trauner 1990, 258 Seiten mit Plänen, ISBN 3 85320 470 8. In diesem Buch sind auch weitere Literaturhinweise zu finden. Das Planmaterial stammt ausschließlich von Stefan Lueginger.
Zwei neu aufgedeckte Erdställe in Oberösterreich Von Josef Weichenberger Der Erdstall am Schlosserhügel in Rohrbach Nahe der Dreifaltigkeitssäule am Stadtplatz von Rohrbach führt die Hanriederstraße in südwestlicher Richtung vom Ortszentrum weg. 300 Schritte vom Stadtplatz entfernt zweigt von der Hanriederstraße nach rechts die Gabesstraße ab. Dieser folgt man 140 Schritte weit, bis nach rechts die Straße mit der Bezeich nung „Am Schlosserhügel" abzweigt. Diese gabelt sich nach 50 Schritten, man wendet sich wieder nach rechts und folgt dem Straßenverlauf (50 Schritte bis zur Linkskurve, 100 Schritte bis zum Haus), bis man das Ende der Straße erreicht, wo rechts das Haus mit dem Erdstall liegt (siehe auch den Plan aus der Katastralmappe M 1:1.000). Fundumstände Auf dem Grundstück Parzelle 69/2 stand früher eine Scheune. Im Jahre 1970 brannte sie ab. Bei den Aushubarbeiten für den Keller des geplanten Wohnhau ses stieß der Bagger am 25. Septem ber 1989 etwa zwei Meter unter dem ur sprünglichen Niveau auf insgesamt vier Öffnungen von Hohlräumen. Ein Teil des Erdstalls wurde vom Bagger unbe merkt zerstört. Der Bagger hatte von der obersten Etage zwei Öffnungen freige legt, dann die senkrechte Schlupfröhre (bei Vermessungspunkt 8 am Plan) ange schnitten und den First vom nordwest lichen Gang der mittleren Etage aufgeris sen. Die aufgeschlossenen und interes sierten Besitzer, Herr und Frau Walter, verständigten das Stadtamt von der Auf deckung des unterirdischen Ganges. Über die beiden Heimatforscher Hofrat Sonnleitner und Herrn Aumüller ging die Meldung an das Bundesdenkmalamt (Herrn Arch. Dipl.-Ing. Kleinhanns) und an den Verfasser weiter. Der Erdstall konnte somit unverzüglich untersucht und dokumentiert werden. Die Außen aufnahme wurde vom Leiter des Ver messungsamtes Rohrbach durchge führt.^ Bei den Grabungsarbeiten für den Neubau fand man auch einige Scherben von mittelalterlicher Gebrauchskeramik, die nun im öö. Landesmuseum ver wahrt werden. Bemerkenswert ist, daß der Erdstall knapp außerhalb der mittel alterlichen örtsbefestigung von Rohr bach liegt. ' Besonderer Dank gilt dem Besitzer, Herrn Wal ter, der die Erhaltung des Erdstalls tatkräftig un terstützte. Zu danken ist weiters Herrn Dipl.-Ing. Arnold, der die Außenvermessung durchführte und eine ausgezeichnete FotodokumentaHon des Erdstalls erstellte, sowie den beiden Heimat forschern, Herrn Aumüller und Herrn Hofrat Sonnleitner. Das Stadtamt von Rohrbach kün digte finanzielle Mittel für die mustergültigen Erhaltungsmaßnahmen an - besten Dank dafür.
ERDSTALL WALTER Am Schlosserhügel KG Rohrboch, Porz. 69/2 , Bezirk Rohrbach, O.Ö. Seehöhe: 5 9 5 m GesomMönge: ursprünglich cq. 36m noch erhaUen 27,2 m ^chacM^.21 EINSTIEG 2 X'xEINSTIEG 1 // 3 1 2 3 4 5 Vermessung: J. Weichenberger , F. Wimmer, 26,/ 27.9.1989 Zeichnung: J. Weichenberger Landesverein für Höhlenkunde in Oberösterreich
LÄNGSSCHNITTE Erdstall Walter Einstieg 2 Fußboden .595,0^ . Schlupfröhre »^Icm ^ A Kellerf üß boden \j Sitznische ; A^AxV; /CA Kellerdecke . . Fuflbod en Einstieg 1 .\V j, W Trockenm quer des B Q y h i I fsschach tes Schlupfröhre 42 cm
ulxcTtliynet^': /' " -y^^^TT), "■ »S//( \ •:: K'f^Rjw ■[r^^^^''rsdor/'\., II -'^ ^^i«'"'''i<''.rj\i^m r^'j '■y cn /w?«^' Lfl^e f/es Erdstalls Schlosserhügel. M 1:50.000, Auszug aus OK 50 Nr. 14, vervielfältigtmit Geneh migung des Bundesamtes für Eich- und Vermes sungswesen (Landesaufnahme) in Vfien, ZI. L 71 964/90. Beschreibung Heute ist der Erdstall vom Keller des Hauses durch zwei Einstiege zugänglich. Die unterirdische Anlage ist geprägt von einer stockwerkartigen Anordnung der Gänge, die sich um einen zentralen Bau hilfsschacht gruppieren. Die insgesamt vier Sitzgelegenheiten (drei Sitznischen, eine Sitzbank) konnten acht Personen Platz bieten. Interessante Baudetails sind auch die 20 Licht- bzw. Lampennischen. Der Zustieg an der südwestlichen Kellermauer führt in den erhaltengeblie benen Rest der obersten Etage. Der Gang knickt nach Süden und biegt dann weiter nach links ab, bis er in der Folge wieder die Kellermauer bzw. die Abmauerung davor erreicht. Die südliche Wand ist mit neun schönen Lampennischen bestückt. Der First hat ein Rundbogenprofil. Dieser sieben Meter lange und 1,05 Meter hohe Gang ist nur auf allen vieren kriechend begehbar. Das Einstiegsloch im Kellerboden führt als Schlupfröhre senkrecht nach unten und mündet in einem niedrigen Kriechgang, der in eine winzige Kammer übergeht. Hier sieht man hinter einem Absatz die Trockenmauer des verfüllten Bauhilfsschachtes. Von der kleinen Kammer, in der man aufrecht stehen kann, robbt man auf allen vieren durch einen Kriechgang weiter bis zu einer Schlupfröhre, die senkrecht nach oben führt. Eine Trittstufe erleichtert das Hochklettern. Oben ist gleich neben der Schlupfröhre eine Lampennische beson derer Art. Üblicherweise sind Licht- bzw. Lampennischen in die Wand eingetieft, diese eine steht aber erhaben hervor, sitzt also auf einem kleinen Sockel auf. Der Gang mündet in einen Querstollen, der Erdstall Schlosserhügel mit Sitznischen. Foto: Weichenherger
links (südlich) bei einer Trockenmauer endet. Der nördliche Gangabschnitt er weitert sich aber zu einer kleinen Kammer mit einer Sitzbank. Durch einen niedrigen Kriechgang geht es weiter, und eine senkrecht nach oben führende Schlupfröhre schließt an. Dieser kreis runde Durchschlupf hat einen Durch messer von 43 Zentimetern. Oben führt ein 90 Zentimeter hoher Gang weiter, der wieder auf einen Querstollen stößt. Links ist noch einmal die Trockenmauer des zentralen Bauhilfsschachtes zu sehen. Den Schluß bildet eine Gangerweiterung mit drei Sitznischen, in denen jeweils zwei Personen nebeneinander sitzen können. Erdstall Schlosserhügel. Blick von den Sitznischen aus. Im Hintergrund eine Trockenmauer, links die Einmündung des Kriechganges. Foto: XNeichenherger Erdstall Schlosserhügel. Gleich oberhalb der zweiten Schlupfröhre gibt es eine seltene Sonderform von einer Lichtnische. Sie sitzt auf einem kleinen Sockel und ist nur wenig in die Wand eingetieft. Foto: Weichenberger Der Erdstall in KleinmoUsberg Nr. 2, Gemeinde Neustift im Mühlkreis Die Gemeinde Neustift liegt an der bayrisch-österreichischen Grenze. Die Ortschaft KleinmoUsberg erhebt sich auf dem Rücken oberhalb der Donau. 200 Meter nach der Donaubrücke in Niederranna zweigt man auf die Straße nach Neustift ab und folgt nun dem Straßen verlauf. Erst nach der Ortsdurchfahrt von „Dorf" zweigt man beim Wegweiser „Führet, Mollsberg" von dieser Straße ab.
EKOSTÄLL KLEINMOLLSBEKG I Gemeinde und KG NeusHfl- im Mühikreis Seehöhe; 580 m Gesamt lange: 14,3 m Darg est eil ter Hausgrundr i(3 vor dem Umbou Vermessung; J. Weichenberger . F. Wimmer, 11.B.1988 Zeichnung; J Weichenberger Landesverein für Höhlenkunde in OberÖsterreich
2,3 Kilometer von dieser Abzweigung entfernt erreicht man den Hof Kleinmollsberg Nr. 2 (rechts der Straße) der Familie Stadler. Sa Vv:,,./;j*-S^V/'A;- Ii. i n'-i--/.' '^fcytim,.-.}* _ ''iii<illsln:r<i. ^ ha^zSiiSV' «AllXfePl Lage des Erdstalls Kleinmollsberg. M 1:50.000, Auszug aus ÖK 50 Nr. 13, vervielfältigt mit Geneh migung des Bundesamtes für Eich- und Vermes sungswesen (Landesaufnahme) in Alien, ZI. L 71 964,790. Fundumstände Durch einen besonderen Zufall stieß der Besitzer im August 1988 bei den Er neuerungsarbeiten für den Fußboden in der Stube auf den Erdstall. Der alte Fuß boden war bereits herausgerissen, und für den neuen Boden sollte noch eine iso lierende Rollierung aufgebracht werden. Um diese gleichmäßig und waagrecht verteilen zu können, schlug Herr Stadler einen kleinen Pflock neben dem Türstock in den Boden, um mit der Waaglatte ni vellieren zu können. Der Pflock entglitt beim letzten Schlag aber seinen Händen und versank im Boden. Sofort erweiterte Herr Stadler das entstandene Loch und blickte dann staunend in einen mehrere Meter tiefen Schacht. Diesen befreite er in der Folge noch vom Einfüllmaterial und legte schließlich mit seiner Familie auch die halb verschüttete östliche Kam mer frei. Die Entdeckung des Erdstalls wurde in einer österreichischen Tages zeitung veröffentlicht, was einen großen Besucheransturm zur Folge hatte. Vom Keller aus wurde ein neuer Einstieg in den Erdstall hergestellt und der Schacht mit Pfosten verschlossen.^ Beschreibung Der Einsheg im Keller mündet nach einem kurzen Gangstück in den Schacht, der ursprünglich der Zugang oder aber ein Bauhilfsschacht gewesen sein dürfte. Man steigt auf den Grund des Schachtes hinunter und hat nun drei Fortsetzungen vor sich. Zwei niedrige Kriechgänge zweigen ab, und über einen Absatz er reicht man eine 1,1 Meter hohe Kammer. Diese besitzt fünf regelmäßig angeord nete Nischen, die der Kammer geradezu ein sakrales Gepräge geben. In den Ni schen können nur Kinder sitzen, für einen Erwachsenen sind sie zu klein. Sie sind 40 bis 47 Zenhmeter breit und 11 bis 20 Zenhmeter hef. Von der Kammer zweigen zwei Seitengänge ab, die in eine senkrechte Schlupfröhre nach unten münden. Der westliche Durchschlupf führt mit einem Kriechgang in eine nied rige Raumerweiterung (Höhe 1,0 Me ter). Von hier geht ein kurzer Kriechgang zum Schacht zurück, durch den anderen Kriechgang steigt man zu einer Schlupf röhre hoch, die oben aber direkt vor der Kellermauer endet. Vom Schacht führt ein Kriechgang in eine zwei Meter lange Es würden die besten denkmalrechtlichen Vor schriften nichts nützen, wenn nicht die Besitzer selbst Achtung vor den Kulturgütern empfän den. Deshalb ist flerrn Stadler für die vorbild liche Erhaltung des Erdstalls besonders zu dan ken.
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