OÖ. Heimatblätter 1990, 44. Jahrgang, Heft 3

Peter Dormann: Franz Joseph Aumann (17281797). Ein Meister in St. Florian vor Anton Bruck ner. Mit thematischem Katalog der Werke, f— Studien zur Landes- und Sozialgeschichie der Musik, Bd. 6, hrsg. v. F. W. Riedel.) München - Salzburg: Musikverlag Emil Katzbichler 7985. 4SI Seiten, 9 Abbildungen, zahlreiche Notenbei spiele. DM 88,-. ISBN 3-87397-505-X Obwohl sich das Interesse der Musikfor schung (wie auch der gesamten Kunstforschung) viel zu oft den Spitzenwerken der großen Meister zuwendet, ist es doch von großer Wichtigkeit, das Schaffen der sogenannten kleinen, weniger be rühmten Meister - sozusagen als breite Basis - im Hinblick auf ein reales (nicht idealisiertes) Gesamt bild zu erforschen. Im oberösterreichischen Raum nahmen gerade die alten Ordensstifte eine hervor ragende Stellung im Kulturleben ein, da weder Adelssitze noch eine geistliche oder weltliche Resi denz oder eine Stadt besondere Bedeutung hatten. Das Schaffen des St. Florianer Klosterkompo nisten Franz Joseph Aumann fällt in eine Zeit der Hochblüte barocker Klosterkultur und umfaßt Werke für den Gottesdienst, Repräsentation, Mu sikdrama und Unterhaltung, kurz die Vielfalt des klösterlichen Musikbedarfs dieser Zeit. Als Zeitge nosse der Wiener Klassiker - sein Stil ist noch spürbar an den Vorklassikern geschult - paßte er sich allmählich immer mehr dem neuen Ge schmack an. Seine ausgereifte kontrapunktische Satztechnik fand allseits Beachtung, und so konnte es vorkommen, daß seine Werke mit Namen der großen Meister und deren Werke auch unter sei nem Namen überliefert wurden. Zu seinen Lebzei ten fanden seine Kompositionen weite Verbrei tung und sie wurden auch im 19. Jahrhundert noch abgeschrieben und musiziert. Seine Wert schätzung in jüngster Zeit ist durch den Druck einiger Werke bewiesen. Sein beinahe klassischer Ausbildungsweg begann im Elternhaus, wo sein Vater als Schulmeister von Traismauer, Nieder österreich, die erste Grundlage schuf; es folgten Schul- und Sängerknabenjahre im Stift Herzogen burg und im Jesuitengymnasium in Krems. Von großer Bedeutung war schließlich die Studienzeit im Wiener Jesuitenseminar, das seinerzeit eine bei spielgebende Musikpflege und -bildung bot. Das Maria-Theresianische Wien - Aumann hatte Kon takte zu Michael Haydn und zu Johann Georg Albrechtsberger - scheint ebenfalls Wichtiges zu seinem musikalischen Werdegang beigetragen zu haben. Relativ spät trat er 1753 in das AugustinerChorherrenstift St. Florian ein, wo ihm bereits zwei Jahre später die Leitung der Stiftsmusik anvertraut wurde; diese Aufgabe erfüllte er ununterbrochen bis zu seinem Lebensende. Dem Autor kommt das Verdienst zu, das Schaffen Aumanns mit dem beachtlichen Umfang von derzeit 358 nachweisbaren Werken (zusätz lich sieben zweifelhafte) und Aumanns Wirken und Bedeutung über sein Kloster hinaus darge stellt zu haben. Mit großer Ausdauer und Sorgfalt hat sich Dormann dieser zeitraubenden und jahre langen Arbeit gewidmet und Werke auch in geo graphisch weit entfernten Archiven ausfindig gemacht. Bis kurz vor der Drucklegung hat er noch gemeldete Belege nachgetragen. (Nicht unbedeu tend wäre für ihn die Kenntnis des Musikalienkata logs des Stiftes Wilhering gewesen, der bereits 1979 erschienen ist.) Da die systematische Er schließung alter (vor allem privater) Musiksamm lungen in Österreich wie auch im benachbarten Ausland derzeit im Gange ist (ein Abschluß ist heute noch kaum abzusehen), ist damit zu rechnen, daß in diesem Zuge noch weitere Werke in Ab schriften oder zumindest in alten thematischen Verzeichnissen eingetragen aufgefunden werden; daher sind in Zukunft noch Ergänzungen zum the matischen Katalog zu erwarten. Diesem umfang reichen Teil stellt Dormann auch eine möglichst ausführliche Biographie und Untersuchungen zu seinem Personalstil, die allerdings nur auf die for malen Strukturprinzipien seiner Werke be schränkt sind, voraus. Der Untertitel „Ein Meister in St. Florian vor Anton Bruckner" scheint nicht ganz ideal zu sein, da zwischen Aumanns und Bruckners Wirken die relativ große Zeitspanne von einem halben Jahrhundert liegt und auch kein künstlerisches Abhängigkeitsverhältnis oder ir gendwelche besonderen Elemente im Schaffen beider festzustellen wären. Das künstlerische Niveau, die Formenvielfalt, die weite geographische Verbreitung und die An zahl der Werke Aumanns weisen ihn als den be deutendsten Klosterkomponisten Oberösterreichs und mitunter auch Österreichs zur Zeit der Wiener Klassik aus. Dormann tat mit seiner Wahl einen guten Griff; es gelang ihm ein wertvoller Beitrag zum St. Florianer Musikleben, zur Musikgeschich te Österreichs und darüber hinaus. Karl Mitterschiffthaler

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