OÖ. Heimatblätter 1990, 44. Jahrgang, Heft 3

träumte, zu einem solchen der Bürger zu kommen, wie es einer seiner Nachfolger, Miiierrand, vor kurzem formulierte. Dabei dachte der wortgewandte französische Staatspräsident sicher nicht allein an eine formale Gleichstellung, sondern an den Abbruch aller jener trennenden Wände im gemeinsamen Bau, die den Blick auf das Ganze verstellen, das es zu bewahren gilt im verantwortungsbewußten Ausgleich zwischen dem zügellosen Fortschritt des Westens und der lähmenden Tradition des Ostens. Europa - ein Kontinent? Soll es nicht bei leeren Bekenntnissen und Appellen an zutiefst in uns schlum mernde Gefühle bleiben, dann ist es wohl nötig zu wissen, was dieses Europa aus macht, von dem wir träumen und das uns als Leitbild dienen soll. Mit anderen Wor ten, worin ist sein eigentliches Wesen zu suchen, warum ist es so? Vor rund 40 Jahren, als die Wunden noch offen waren, die sich die Völker Europas in einer sinnlosen Selbstzerfleischung beigebracht hatten, ist ein Buch erschienen, das diese Frage im Titel trug,^ und EJistoriker, Soziologen, Philosophen, Literaturwissenschaftler sowie andere Gelehrte und Schriftsteller der verschiedensten Provenienz haben sich red lich um eine Antwort bemüht. Die meisten sind weitläufig und vage ausgefallen, was erhellt, wie schwer es ist, eine befriedigende dafür zu finden. Dies gilt in gleicher Weise auch für die folgenden Ausführungen, die somit keine perfekte Lösung anbieten können, sondern nur als Vorschlag und als Versuch zu werten sind. Ereb, Sonnenuntergang, lautet die aus dem Assyrischen kommende Sprach wurzel von Europa. Es ist somit eine astronomische Bezeichnung, eine Himmelsrich tung, der es seinen Namen verdankt. Die Geographie ist folglich dabei Pate gestan den. Sie ist demnach zuständig, zu seiner Klärung, Abgrenzung und inhaltlichen Bestimmung beizutragen. Die Schwierigkeiten beginnen schon im Grundsätzlichen. In breiter Front setzt Europa die im Norden so geschlossene Festlandsmasse Asiens fort. Es lag daher nahe, ihm den Rang eines selbständigen Kontinents abzusprechen und lediglich den einer Halbinsel Asiens zuzubilligen, wie es schon Alexander von Humboldt getan hatte. Kontinent heißt Zusammenhang, der nicht durch die Weite des Ozeans oder zumin dest itefeingreifende Nebenmeere unterbrochen wird. Beides trifft in den Beziehun gen zwischen Europa und Asien nicht und in denen zu Afrika nur sehr beschränkt zu. Ein eigener Kontinent ist es demnach nicht. So bleibt die Frage, die nun zu prüfen ist, ob es zu Recht den Namen eines Erd teils trägt. Damit verbindet sich nicht die schon im Wort enthaltene Vorstellung einer durch den Verlauf der Küsten vorgezeichneten Trennung. Vielmehr wird die Erde als menschlicher Lebensraum angesprochen, dessen jeweils besondere Eigenarten kei neswegs auf die natürliche Umwelt beschränkt sind. Aber auch bei dieser begrifflichen Einschränkung bleibt das Problem der Grenze, vor allem im Osten gegenüber Asien, was schon aus ihrer im Laufe der Kossmann, 1950.

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