OÖ. Heimatblätter 1990, 44. Jahrgang, Heft 3

mark und Österreich im bisherigen Umfang auch nach 1192 selbständig weiter, wur den aber von ein und demselben babenbergischen Herzog in Personalunion regiert. Der otakarisch-steirische Adel des oberösterreichischen Raumes schloß sich erst im dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts unter besonderen politischen Umständen mit dem babenbergisch-österreichischen Adel zusammen und trennte sich damit vom Land Steiermark. Dadurch reichte das Herzogtum Österreich nun im Westen bis zum Hausruck, der die Grenze gegenüber dem Herzogtum Bayern bildete. Im Süden formte sich bald die Pyhrngrenze gegenüber dem Herzogtum Steiermark heraus. In dieser Epoche des wachsenden babenbergischen Einflusses und der österreichischen Landeshoheit westlich der Enns erfuhren die größeren Siedlungen Enns, Linz und Wels - die beiden letzteren waren kurz nach 1200 von den Babenbergern erworben worden - aus politischen und wirtschaftlichen Gründen eine bewußte und zielstre bige Förderung durch die österreichischen Herzöge und wurden z. B., wie man weiß, systematisch und militärisch ausgebaut. In diesem Prozeß ist nicht zuletzt die Verlei hung eines Stadtrechtes an die Ennser Bürger im Jahre 1212 ein bezeichnender Schritt, der allerdings auch der schon seit längerem führenden Rolle dieser Stadt Rechnung getragen haben dürfte. Enns scheint überhaupt unter der Herrschaft der Babenberger die Rolle einer Hauptstadt in ihrem westlichsten Machtbereich gespielt zu haben. Dafür scheint mir allerdings weniger der Umstand zu sprechen, daß dieser ört als einzige Marktsied lung mit einem Stadtrecht ausgezeichnet wurde, als vielmehr, daß Enns schon seit dem Ende des 12. Jahrhunderts als Sitz des Verwalters der landesherrlichen Besitzun gen, Rechte und Hnkünfte in dem Bereich westlich der Ybbs und westlich der Enns bestimmt worden war. Der später sogenannte „Schreiber von Enns" (scriba Anasi und ähnlich) stellte als Landschreiber eine ganz wichtige Frühform der landesfürst lichen Finanzverwaltung und Behördenorganisation in unserem Raum dar. Für einen quasi offiziellen Vorrang der Stadt Enns scheint mir auch zu sprechen, daß 1228 den Bürgern von Öttensheim dieselben Maut- und Zollfreiheiten wie den Bürgern von Enns und Linz gewährt wurden - man beachte, daß in dem betreffenden Dokument Enns vor Linz genannt ist! Was sich übrigens im Jahre 1269 in einer Urkunde für den Markt Perg noch einmal wiederholt. Im sogenannten österreichischen Interregnum nach dem Aussterben der Babenberger (1246) dürfte aber Enns diese Vorrangstellung wieder verloren haben, während die größeren Städte ob der Enns insgesamt als wehrhafte und geschützte Siedlungen an Bedeutung zunahmen - „munitiones Austrie superioris" werden sie bezeichnenderweise in den Lambacher Annalen genannt. Als in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts das „obere Österreich" ungefähr zwischen Ybbs und Hausruck innerhalb des Herzogtums Österreich gewisse Verselbständigungstendenzen ent wickelte, zählte Enns im Gegensatz zu Linz, Wels und Sieyr nicht zu jenen örten, an denen die politisch führenden Schichten, vor allem Adel, Geistlichkeit und vereinzelt auch Bürger, zu den gemeinsamen, von einem Vertreter des Landesfürsten geleiteten

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2