OÖ. Heimatblätter 1990, 44. Jahrgang, Heft 3

enthalte des Herrschers und seines Gefolges erforderliche Anlagen verfügten. Die sogenannten Itinerare, die quellenmäßig belegbaren Reisewege der Köruge, zeigen uns, welche dieser Orte häufiger und für längere Zeit aufgesucht wurden. Insgesamt ersehen wir daraus, daß verschiedene Orte für die einzelnen Herrscher unterschied liche Bedeutung gehabt haben oder, anders ausgedrückt; Es gab in diesem Regie rungssystem mit Ausnahme von Regensburg keine „Hauptstädte", sondern nur einige bevorzugt aufgesuchte Orte. In diesem Zusammenhang erscheint eines bedeutsam: Da Herrscherauf enthalte in unserem oberösterreichischen Raum wohl in Pfalzorten, nicht aber in den (im Vergleich zu diesen) größeren Siedlungen nachzuweisen sind, muß daraus geschlossen werden, daß als „politische Zentren" die Pfalzen, als wirtschaftliche und bevölkerungsmäßige Zentralorte aber die Siedlungen Wels und Linz anzusprechen sind. Und dennoch verdient ein innerhalb der Grenzen des heutigen Oberöster reich gelegener Ort meiner Meinung nach die Bezeichnung „Hauptstadt", nämlich Lorch. Es trifft zwar nur für rund drei Jahrzehnte und für einen großteils außerhalb der Grenzen unseres jetzigen Bundeslandes gelegenen Raum zu, aber seit zirka 800 war Lorch, vermutlich die ehemalige Herzogspfalz, Sitz des karolingischen Präfekten für das sogenannte bairische Ostland. Dieser bairische Ostlandpräfekt vertrat grund sätzlich den fränkischen König, war jedoch dem in Regensburg residierenden Präfek ten von Baiern untergeordnet. Sein Machtbereich, das bairische Ostland, dessen Vorort Lorch war, umfaßte im Westen den oberösterreichischen Traungau und im Süden Karantanien und reichte im Südosten ungefähr bis zur Drau, wohin die karolingische Herrschaft im Verlauf der Awarenkriege Karls des Großen vorgesto ßen war. Als Kaiser Ludwig der Fromme 828 eine neuerliche Umorganisation der öst lichen Herrschaftssphäre vornahm, ging allerdings Lorchs Bedeutung wieder ver loren; in der bekannten Zollordnung von Raffelstetten aus der Zeit kurz nach 900 wird sein Name gar nicht erwähnt. Anders verhält es sich dagegen mit Linz, das im 9. Jahrhundert als königliche Siedlung (locus publicus, 840/60) mit einer Befestigung (Castrum) und einer (bischöflich-passauischen) Kirche einen solchen Aufschwung genommen hat, daß es zum Marktort (mercatum legittimum), zur Zollstätte und damit wahrscheinlich auch zum Sitz eines den Handel zwischen Passauer Wald und Lnns überwachenden fränkischen Amtsträgers mit dem Titel eines Vikars geworden ist. Augenscheinlicher Beweis für diese Entwicklung ist der erst vor wenigen Jahren in Form und Ausmaß erkannte stattliche karolingerzeitliche Zentralkirchenbau von St. Martin. Für das späte 9. und das 10. Jahrhundert ist es wegen der schlechten Quellen lage überhaupt schwierig, Herrschaftsschwerpunkte im oberösterreichischen Raum auszumachen. Wir wissen zwar, daß um 900 die Ennshurg zum Schutz gegen die aus dem Osten eindringenden Ungarn - in welcher Form auch immer - errichtet wurde; man muß sich aber diese Anlage eher als eine Art Fliehburg für die umwohnende

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