OÖ. Heimatblätter 1990, 44. Jahrgang, Heft 3

folgenden Jahrhunderte charakteristische Staatsform war der sozial und rechtlich abgestufte Personenverbandsstaat auf der Grundlage persönlicher Bindungen und Verpflichtungen zwischen jeweils höhergestellten und bevorrechteten Herren und ihnen untergeordneten Personen bzw. Untertanen. Das betraf im wesentlichen auf der unteren Ebene das Rechtsverhältnis der Grundherrschaft und im Bereich der politischen Führungsschichten das Lehenswesen. Die Basis von Macht und Herr schaft bildete der Besitz an Land und Leuten, und dieser Besitz war wiederum im all gemeinen durch extreme Streulage charakterisiert, allerdings mit gewissen Verdich tungen und Konzentrationen, die im Laufe der Zeit mit der zunehmenden Siedlungs und Kolonisationstätigkeit immer mehr verstärkt wurden. Mittelpunkte solcher Besitzzentren waren die grundherrschaftlichen Fronhöfe (curtes), die dem jeweiligen weltlichen oder geistlichen Grundherrn bzw. Machthaber als Stützpunkte und eher kurzfristige Aufenthaltsorte dienten. Denn die für das frühe und hohe Mittelalter bezeichnende Organisationsform war die „Reiseherrschaft" der Könige, Fürsten und Adeligen, die nicht zuletzt durch die unterschiedliche und vor allem zeitlich begrenzte Wirtschaftskraft, sprich Versorgungsmöglichkeit, der einzelnen Höfe bedingt war. Der Bereich des heutigen Oberösterreich war bekanntlich in agilolfingischer Zeit Bestandteil des bairischen Stammesherzogtums, das mit Regensburg über eine traditionelle Hauptstadt verfügte, östlich des Inn fungierten die Herzogshöfe Ranshofen, Ostermiething, Mattighofen, Alkoven und vielleicht auch Atterhofen als Stützpunkte der Agilolfinger und ihrer Herrschaft. Im Rahmen dieses Systems könnte allerdings das frühere Lauriacum und nunmehrige bairische Lorch als möglicherweise bevor zugte Herzogspfalz und östlichster Vorposten eine besondere Rolle gespielt haben. Sicher gilt dies aber für die durch Befestigungen geschützten Siedlungen We/s und Linz. Die Frage, welchem dieser beiden „castra" mehr Bedeutung zugekommen sei, war von der älteren Forschung zugunsten von Wels beantwortet worden. Allerdings dürfte der Umstand, daß der bekannte und mächtige Graf Machelm im Jahre 776 in Wels eine Schenkungsurkunde ausstellen ließ, keineswegs ausreichen, Wels deshalb zu einem agilolfingischen Verwaltungszentrum oder gar zu einem Vorort des Gebie tes zwischen Inn und Traun bzw. Lnns hochzustilisieren. Nach dem Sturz Herzog Tassilos III. wurde das bairische Stammesherzog tum 788 als Provinz in das fränkische Großreich König Karls des Großen eingeglie dert. Die bisherigen agilolfingischen Herzogshöfe in unserem Raum wurden dadurch karolingische Königshöfe, behielten aber ihre grundsätzliche Funktion für das karolingische Reisekönigtum bei. Seit dem zweiten Drittel des 9. Jahrhunderts, als Baiern ein weitgehend selbständiges karolingisches Teilkönigtum wurde, gewan nen diese königlichen Stützpunkte - außer den schon in agilolfingischer Zeit bekann ten Höfen sind jetzt auch Mining, Hochburg, Kronstorf und Neuhofen an der Krems als Königshöfe bezeugt - durch die größere räumliche Nähe zum Herrscher sogar eine neue Qualität. Einige von ihnen wie Ranshofen und wahrscheinlich auch Mattighofen und Atterhofen wurden zu komfortableren Pfalzen ausgebaut, die über Repräsen tationsbauten, sogenannte „palaha", Hauskirchen und sonstige für längere Auf-

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