OÖ. Heimatblätter 1990, 44. Jahrgang, Heft 3

ein abendländischer und ein russischer ausgeschieden wurden. Dem ist jedoch ent gegenzuhalten, daß Kulturlandschaften, deren Shl dem Konzept des Kulturerdteils zugrunde liegt, dem Wandel der Zeiten unterliegen, und daher manches, was uns heute hüben und drüben so anders erscheinen mag, allmählich hinter das Gemein same zurücktritt. So hat die Flurbereinigung auch im Westen vielerorts das traditio nelle Gefüge der feingliedrigen Agrarlandschaft beseitigt, und im Osten fühlt sich die Stadtplanung nicht mehr an jene rigiden Vorschriften gebunden, die unter Stalin für sie verbindlich waren. Schließlich tritt uns Europa, wie wir schon hörten, als selbstän diger Kulturerdteil durch die große, weitflächig ausgebreitete Bevölkerungsdichte entgegen. Der Osten bildet hierbei keine Ausnahme, denn das noch um die Jahr hundertwende im westlichen Rußland endende Verdichtungsgebiet hat inzwischen in einem mehrere 100 km breiten Streifen Sibirien bis zum Jennisei erreicht. Polarität zwischen Nord und Süd Wenn immer wieder der Osten dem Westen gegenübergestellt wird, so sollte man darüber nicht jene Polarität übersehen, die zwischen dem Norden und dem Süden besteht. Tief eingesenkte Fjorde mit malerischen Fischerhütten an ihren schmalen Ufern, endlose Wälder, in denen sich die Spuren des Menschen verlieren, und das Land der 1.000 Seen bilden das Klischee, mit dem die Touristikbranche für die Nord landreisen wirbt. Wenig hört man vom steilen Gefälle des hier so offensichtlichen Wohlstandes, das zwischen Zentrum und Peripherie besteht. In den küstennahen Landschaften des südlichen Schweden und Finnland ist von der Ursprünglichkeit wenig übriggeblieben. Die Grenzen zwischen Stadt und Land haben sich verwischt. Die meisten Dörfer im großstädtischen Umfeld erfüllen nur mehr die Funktion einer Wohngemeinde im dichten Netz des täglichen Berufsverkehrs, vor allem in Schweden, wo ein Drittel der Berufstätigen Pendler sind. Fast ein Fünftel des Acker landes sind hier in den letzten 40 Jahren zwar nicht ausschließlich, aber überwiegend den expandierenden Siedlungs- und Verkehrsflächen zum Opfer gefallen. Der Sog, den die Zentren der Wirtschaft und der Verwaltung im Süden ausüben, hat das Dasein in der so viel gepriesenen unberührten Natur des Nordens noch weniger attraktiv als bisher gemacht. Leerstehende Häuser, von den Besitzern nur mehr wäh rend der Ferien bewohnt, gehören entlang der auf schwedischer Seite von Finnland nach Norwegen führenden Straße zum üblichen Bild. Nicht das Wald-, sondern das Dorfsterben ist hier das Problem. In Nordfinnland hat zwar später, dann aber ebenfalls im großen Umfang der Zug nach dem Süden eingesetzt. Um gut die Hälfte ist die Bevölkerungszahl im Umland von Helsinki zwischen 1970 und 1976 angestiegen, während Karelien in der gleichen Zeit 25.000 Menschen verloren hat. An sich keine überwältigende Summe, die aber auf dem Hintergrund der dort schütteren Besiedlung gesehen werden muß. Auch Finnland, von dem man es nicht erwarten würde, zerbricht sich den Kopf wegen der Überproduktion seiner Landwirtschaft. Im Norden, wo nur mehr das

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