und mit Hilfe der Wissenschaft entstanden so die Daseinsapparate der modernen Gesellschaft, de ren ständige Ausgestaltung als Durchsetzung der letztlich legitimen Ordnung betrieben worden ist. Als Quelle der Anweisungen auf legitime Ordnun gen ist Wissenschaft entstanden. In dieser Eigen schaft hat sie unsere heutige Welt geschaffen." (S. 132) Nach drei Jahrhunderten ist die Wissen schaft bescheiden geworden. Sie läßt es bei dem Versuch bewenden, nur einzelne Aspekte des Gan zen zu erkennen, und sie verzichtet auf die Aufstel lung letzter Werte, legitimer Ordnungen. Wo sie das bis zuletzt versucht hat wie im wissenschaft lichen Marxismus - Leninismus, sehen wir diesen Versuch vor unseren Augen offenbar endgültig scheitern. Die Orientierungslosigkeit ist im Gegen satz zu den allgemein akzeptierten Wahrheiten der Religion bis zu Beginn der Neuzeit das Signum un serer Tage, ist „der Fall der Moderne", der Unter titel dieses äußerst lesenswerten Buches, dessen In halt wegen seines breiten Spektrums hier nur ange deutet werden konnte. Josef Demmelbauer Gerd-Klaus Kaltenbrunnier: Vom Geist Europas. Bd. II. Mutterland Abendland. Asendorf: Mut-Verlag 1989. 522 Seiten. Leinen. S 465,-. Im Heft 4/1988, S. 303 f., habe ich den Band I des Buches „Vom Geist Europas" vorgestellt. Nun liegt Band II vor. Er ist fast um 100 Seiten umfang reicher als der erste Band und stellt unter der gro ßen Signatur des Abendlandes Gestalten vor, die es entscheidend geprägt haben. In den 30 Essays zur europäischen Geistesgeschichte sind drei Jahr tausende eingefangen, beginnend mit Hesiod und Piaton und mit Cicero und Vergil die Antike abrundend. Die Philosphie der Renaissance ist mit Pico della Mirandola (1463-1494) und seiner Rede über die Würde des Menschen vertreten, die Ger trud Fussenegger als Leitmotiv für ihren gleich namigen Essay in dem Sammelband „Echolot" fast ein halbes Jahrtausend später wieder hat aufleuch ten lassen. Thematisch gegliederte Abhandlungen sind Baruch Spinoza und aus dem 19. Jahrhundert Joseph Görres gewidmet. In unseren Tagen, in de nen ein bislang unerschütterlich geschienenes Im perium im Osten voller Risse und teilweise im Zer fallen ist, gewinnt das Werk von Edward Gibbon über Niedergang und Fall des römischen Impe riums beklemmende Aktualität. Den Freund der Romantik werden die Betrachtungen über Cle mens Brentano und Joseph von Eichendorff an sprechen, während der an der Organisation von Staat und Gesellschaft Interessierte mit Gewinn die Studien über Donoso Cortfe und Robert Mi chels und dessen ehernes Gesetz der Oligarchie le sen wird. Wer wie der Rezensent vor kurzem im Kloster Beuron im oberen Donautal war, wird aus dem Essay über den radikalkonservativen MalerMönch Desiderius Lenz erhellende Kenntnisse über die „Beuroner Schule" gewinnen. Alles in allem ist die Belesenheit des Autors, eines gebürtigen Wieners und promovierten Juri sten, uneingeschränkt zu bewundern. Es wird kaum jemand geben, dem aus dieser Essay-Samm lung nicht reichlich Bildung zuflösse. Josef Demmelbauer Eric J. Hobsbawm: Das imperiale Zeitalter 1875-1914. Frankfurt am Main/New York: Campus-Verlag 1989. 459 Seiten. DM 78,-. Der Autor, Jahrgang 1917, britischer Histori ker, dessen Mutter eine Wienerin war, hielt 1989 die Eröffnungsrede beim Brucknerfest in Linz. 1987 war in London die von Udo Rennert ins Deut sche übersetzte englische Originalausgabe des hier anzuzeigenden Geschichtswerkes unter dem Titel „The Age of Empire 1875-1914" erschienen. Mit den ihm vorausgegangenen zwei Bänden, nämlich „Europäische Revolutionen 1789-1848" und „Die Blütezeit des Kapitals", stellt es den - ge lungenen - Versuch des Autors dar, das 19. Jahr hundert „und seinen Ort in der Geschichte zu ver stehen und zu erklären, eine Welt, die einem um wälzenden Wandel unterworfen war...". Der deutsche Historiker Wolfgang J. Mommsen hat diesem letzten Werk der Trilogie über die letzten 200 Jahre eine umfassende Würdigung in der „Frankfurter Allgemeinen" vom 10. Oktober 1989, Seite L 24, gewidmet, auf die der historisch Interessierte hiemit aufmerksam gemacht sei. Mommsen sieht in Hobsbawms Werk wegen des von ihm konstatierten langsamen, aber unaufhalt samen Niedergangs der Bourgeoisie als der herr schenden Klasse der Belle epoque den „Altweiber sommer des Bürgertums". Der Landadel war, so wie von Fontane in „Der Stechlin" (1895), „jener großartigen Elegie auf die alten Werte der bran denburgischen Junker" (Hobsbawm, S. 223) darge stellt, bereits an den provinziellen Rand gedränkt worden. Weil Hobsbawm als einer der wenigen be deutenden marxistischen Historiker unserer Zeit
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2