OÖ. Heimatblätter 1990, 44. Jahrgang, Heft 1

6. Band: Steffen Lieberwirth: Anton Bruckner und Leipzig. Die Jahre 1884-1902. Graz 1988. 143 Seiten, 62 Abbildungen. S 380,-. Mit der Eröffnung des Linzer Brucknerhauses (1974) begann auch die Tradition des jährlich im September stattfindenden Brucknerfestes. Als im Jahr 1977 im Rahmen dieser Konzertveranstaltun gen gemeinsam von der Linzer Veranstaltungsge sellschaft (LIVA) und der Kommission für Musik forschung der österreichischen Akademie der Wissenschaften ein wissenschaftliches Sympo sion und gemeinsam mit der österreichischen Na tionalbibliothek Wien eine Ausstellung zum The ma „Anton Bruckner zwischen Wagnis und Si cherheit" veranstaltet wurden, traten gegenüber dem bisherigen Bruckner-Bild unerwartet neue Er kenntnisse zutage. Das ließ bei den Veranstaltern die Überzeugung reifen, daß wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Leben und Werk des Meisters für Interpretation, Programmgestaltung und andere Belange des heutigen Konzertbetriebes wertvolle neue Impulse zu geben vermag. So konn te schließlich im Juli 1978 das Anton-Bruckner-Institut Linz (ABIL), mittlerweile ein international anerkanntes Forschungsinstitut, gemeinsam von LIVA und österreichischer Akademie der Wissen schaften mit dem Ziel, Leben und Werk Anton Bruckners mit den heutigen wissenschaftlichen Methoden umfassend zu erforschen und die Er gebnisse in verschiedenen Publikationen der Öf fentlichkeit zu präsentieren, gegründet werden. Die materielle Basis dazu schufen Bankinstitute, indem sie ihre finanzielle Unterstützung zusicher ten (vgl. dazu: Anton Bruckner in Österreich. ABIL-lnformationen 1. Linz 1981). Eine Publika tionsreihe, Anton Bruckner - Dokumente & Stu dien, soll hier mit bis jetzt sechs erschienenen Bän den vorgestellt werden. Der 1. Band bringt eine aus verschiedenen Ar chivbeständen kompilierte, umfassende Doku mentation und Kommentierung des Schriftwech sels zwischen A. Bruckner und der Verwaltung der Wiener Hofmusikkapelle. Neben bekannten Schriftstücken begegnen einem auch solche, die in älteren Biografien ungenau zitiert und daher unzu reichend interpretiert wurden. Dieses und das hier erstmals gebotene Material lassen vieles in einem neuen Licht erscheinen und werden für die zukünf tige Bruckner-Forschung ein unumgängliches In strumentarium sein. Die Apperzeption und Rezeption Bruckners in Wien, die für einen Sinfoniker bedeutsamen ge sellschaftlichen Gegebenheiten der Hauptstadt der Monarchie der Musikmetropole Wien, Bruck ners Arbeitswelt und seine Frömmigkeit werden im 2. Band erörtert. Die Bedeutung seines Lehrers Leopold v. Zenetti, dessen musikalische Leistungen und musik theoretische Kenntnisse Bruckner auch noch in seinen Universitätsvorlesungen anerkennend her vorhob, wird im 3. Band ausführlich untersucht. Darüber hinaus ist hier viel Wissenswertes über das Musikleben der Stadt Enns im 19. Jahrhundert zu erfahren. Nach einem Anton-Bruckner-Werkverzeichnis (WAB) erfüllt dieselbe Autorin mit dem 4. Band den nächsten oft geäußerten Wunsch nach einer systematischen ördnung des umfangreichen wis senschaftlichen Bruckner-Schrifttums, wobei der Anspruch auf Vollständigkeit bewußt auf Wesent liches beschränkt wurde. Diesem vorläufig bis zum Erscheinungsjahr 1974 reichenden Verzeichnis sollen in Zukunft entsprechende aktuelle Ergän zungen folgen. Die bislang als etwas geheimnisumwittert gel tenden Aktivitäten des von den nationalsozialisti schen Machthabern im „Brucknerstift St. Florian" gegründeten „Musikwerks des Großdeutschen Rundfunks" werden im 5. Band mit wissenschaft licher Akribie, öbjektivität und Sachkenntnis auf gehellt. Der bekannte Linzer Historiker Hans Kreczi spürte ein reiches Dokumentenmaterial auf und zeichnet mit Hilfe zahlreicher Gedächtnispro tokolle ein lebendiges Bild über Pläne des Reichs rundfunksenders, des aus Musikern der renomiertesten Orchestern des Reiches zusammengestell ten Linzer Reichs-Bruckner-Örchesters und des Bruckner-Chores. Diese Institutionen bildeten zu sammen das Musikwerk des Großdeutschen Rundfunks mit Sitz in St. Florian und Linz und soll ten entsprechend dem nationalsozialistischen Neuordnungsplan im Nachkriegseuropa eine Spitzenposition einnehmen. Nun zum 6. Band: Bruckners Kampf um Aner kennung seines Werkes war mühsam und oftmals enttäuschend. Den Weg in die traditionsreiche Musikmetropole Leipzig hat ihm sein ehemaliger Schüler Arthur Nikisch geebnet, der sich dort als junger Theaterkapellmeister schon beachtliche Anerkennung erobert hatte und Bruckners 7. Sin fonie am 30. Dezember 1884 nach intensiver Vor bereitung zur Uraufführung brachte und später noch weitere Werke in Leipzig aufführte bzw. sich für deren Aufführung erfolgreich einsetzte. Lieberwirth zeigt anhand seiner umfassenden Kenntnis der Leipziger Musikgeschichte und ein-

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