Mitteleuropas von Svevo bis Kafka, von Musil bis Canetti" (S. 254) steht. (Canetti ist im Klappentext falsch geschrieben.) Neben den Genannten - Svevo wird nicht allen Literaturfreunden bekannt sein, obwohl er es verdienen würde, man lese sei nen „Zeno Cosini" - passen zu „Mitteleuropa" in herausragendem Maße Hofmannsthal und Heimito V. Doderer, auch Franz Blei - auch der leider weithin vergessen -, wegen seiner Herkunft aus dem Ostjudentum noch Isaac Bashevis Singer, während sich das Werk des Schweizers Robert Walser dem bezeichneten Mittelpunkt nur mit Schwierigkeiten einfügen läßt. Völlig frei von die sem Bezug sind die Essays über die Skandinavier Ibsen, Jacobsen und Hamsun. (Für den dieser letz ten Reihe zugehörigen, aber nicht behandelten Au gust Strindberg gäbe es einige Oberösterreich-Be züge.) Das Leitmotiv gibt Magris mit einem Nietz sche-Zitat aus dem „Fall Wagner" vor: „Das Leben wohnt nicht mehr im Ganzen." Damit will er sagen - und das hält er auf über 400 Seiten durch daß dem denkenden Ich die „Mitte des Lebens" zerfal len ist; der von Magris häufig angeführte Hermann Broch hat vom „Wertvakuum", das bezeichnend für „Hofmannsthal und seine Zeit" gewesen sei, ge sprochen. Dazu kommt die Krise der Sprache, in die Hofmannsthal stürzt und der er im „Brief des Lord Chandos" (1901-1902) berühmt geworde nen Ausdruck verleiht, und schließlich spricht die schon zitierte große Literatur Mitteleuropas „von der Angst vor dem unmittelbaren Leben, das im Augenblick des Vergehens zuschlägt und verletzt, und versucht, mit dem Schreiben einen Schutzwall gegen jene Grausamkeit zu errichten" (S. 254). Die se Schutzwallfunktionen gegen das robuste Leben sieht Magris geradezu exemplarisch in Stifters „Mappe meines Urgroßvaters" vorgezeichnet. Be sonders hiefür leuchtet das frühe Habsburg-Buch durch. Sosehr man die geradezu schwindelerre gende Belesenheit des Autors und seine Fähigkeit, scheinbar Auseinanderliegendes mit den Fäden seines Intellekts aneinanderzuheften, bewundern muß, so wenig kommt sein sich oft in schwindeln de Höhen erhebender Stil, geistreich, mit Wissen funkelnd, dem Leser entgegen, ihm manches ver dunkelnd statt erhellend. Damit werden die Essays - in unterschiedlichem Maße - zu einer schwieri gen Lektüre. Noch ein Wort zum Titel der Essay-Samm lung: Ciarisse ist eine Figur aus Musils „Mann ohne Eigenschaften". Dieses Meister- und Monsterwerk will, so schreibt Magris, „die gesamte Wirklichkeit in ihrem wechselhaften Werden darstellen und muß deshalb vielleicht ein Fragment ohne Zen trum und Ende bleiben, so wie der Ring kein Zen trum hat, den sich die Nietzsche nachgestaltete Ciarisse vom Finger zieht...". Josef Demmelbauer Thomas Morus: Trostgespräch im Leid. (— Thomas Morus' Werke, Bd. 6.) Düsseldorf: DrosteVerlag 1988. 478 Seiten. Efalin mit Schutzumschlag. DM 39,80. Rainer Schmitz (Hrsg.): Detm es will Abend werden. Briefe des Abschieds. Düsseldorf: Droste-Verlag 1988. 324 Seiten. Efalin mit Schutzumschlag. DM 39,80. Thomas Morus, geboren 1477 oder 1478, glänzender Jurist, Theologe, Politiker, von 1529 bis 1532 Lordkanzler des englischen Königs Heinrich VIII., der 1532 den Bruch mit Rom vollzog, des sentwegen Morus von seinem Amt zurücktrat, wurde als Hochverräter zum Tode verurteilt und 1535 hingerichtet. Während seiner mehr als ein jährigen Haft schrieb er u. a. das „Trostgespräch im Leid", das als herausragendes Beispiel spätmittel alterlicher Erbauungsliteratur und als Klassiker des Trostschrifttums jener Zeit gilt. Der Grundzug des umfangreichen Werkes liegt in der christlichen Anschauung, daß geduldig ertragenes Leid im Jen seits belohnt wird und daß die Heilige Schrift als das wahre Wort Gottes notwendiges Fundament jeglichen Trostes ist. Nur wer tiefgläubig ist, wird Zugang zu diesem Werk des 1935 heiliggespro chenen Morus finden. Zu sehr spürt man, daß auf dem Werk fast ein halbes Jahrtausend lastet. Trost und Ergebung werden einem aber mehr aus der Bi bel selbst oder aus den alttestamentarischen Psal men zuwachsen, zu traktathaft sind dem heutigen Menschen die oft langatmigen Argumentations ketten des Trostes. Wie frisch kommt einem da die „Utopia" des Thomas Morus vor, wenngleich seine Konzeption einer egalitären kommunistischen Ge sellschaft keine reale Existenzmöglichkeit darstellt, sondern lediglich als Folie gesehen werden kann, vor der die Defekte der damaligen europäischen Staaten sichtbar werden. Von dieser Einschätzung des „Trostgespräches" bleibt aber unangetastet die bewundernswerte Haltung des Thomas Morus, mit der er für seine Überzeugung in den Tod ging. Der Herausgeber der „Briefe des Abschieds" hat diese chronologisch angeordnet, „um eine Ant wort auf die Frage zu geben, wie sich im Laufe der Jahrhunderte das Nachdenken über Tod und Ster ben wandelte". Er hat das Werk in folgende Ab-
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