Kleinkinder zu entwickeln, die in ihrer Qualität möglichst nahe an jene der Mutter milch heranreichen sollten. Er setzte diese Arbeit am Linzer Kinderspital fort, und seine Nährmittel bewährten sich auch in der Praxis: Die nach seinen Anweisungen ernährten kleinen Patienten gediehen auffallend gut. Nach diesen offenkundig bewährtenRezeptenbegann die Linzer Firma Neuhauser & Obermeyr(Ringbrot werke) unter dem Markenzeichen „Primarius Dr. Fritz Reiß" diverse Kindernährmittel zu erzeugen. Der Markenschutz für diese Fabrikate wurde am 6. 7. 1923 offiziell erteilt und erstreckte sich nicht nur auf den Namensschriftzug, sondern auch auf die Form und Farbe (braungestreift) der Verpackung. Die Kindernährpräparate, Kinder nährmehl und Säuglingszwieback waren weithin bekannt und wurden von mehre ren Müttergenerationen bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg zum Wohl ihrer Kin der verwendet. Erst als die vielen Fertiggerichte für Kleinkinder auf den Markt kamen, wurde die Erzeugung der Reiß-Kindernährmittel nach und nach eingestellt - doch der seinerzeit gewährte Markenschutz ist heute noch aufrecht. 1938 wurde durch die neuen Machthaber das Isabellen-Kinderspital, dessen Gründer und Betreiber ein Verein gewesen war, der Stadt Linz übergeben, Dr. Reiß blieb weiter Leiter dieser Anstalt, zählte aber nunmehr zu den städtischen Bedienste ten. Als im Verlauf des Krieges die Bombengefahr immer größer wurde, mußte das Kinderspital in ein weniger gefährdetes Gebiet verlegt werden, zuerst nach Bad fiall, später nach fiaid-Ansfelden. Tatsächlich wurde das alte Kinderspitalgebäude kurz vor Kriegsende von Fliegerbomben getroffen und total zerstört. So mußten die Kinder auch nach Kriegsende in Haid verbleiben, bis im Jahre 1958 das anstelle des zerstör ten Kinderspitales errichtete neue Landeskinderkrankenhaus fertiggestellt war und die Kinder dorthin verlegt werden konnten. Zu Jahresende 1953 ging Dr. Reiß als Primarius in Pension, doch seine Praxis im Hause Auerspergstraße 19 führte er noch weiter, bis er sich im Juli 1955 endgültig zur Ruhe setzte. Angesichts seiner vielfältigen Verdienste wurde ihm im Jahre 1931 der Berufstitel „Medizinalrat" und im Jahre 1954 der Berufstitel „Obermedizinalrat" verliehen. Seinen letzten Lebensabschnitt verbrachte er in seinem Familienbesitz, der ihm sehr ans Herz gewachsen war, der am Rücken des Freinberges gelegenen soge nannten „Reiß-Villa". Dr. Reiß hatte jedoch nicht nur berufliche Interessen; er hatte beispielsweise auch sehr viel für Heimat und Natur übrig und liebte Berge über alles. Seine Urlaube verbrachte er vornehmlich in den Alpen, unternahm viele Wanderungen und bestieg so manchen Berg. Er ging stets mit offenen Augen durch die Welt, und es blieben ihm auch viele kleine, unwichtig erscheinende Einzelheiten im Gedächtnis haften. Er war ein geselliger und humorvoller Mensch, und diese Eigenschaften bewahrte er sich bis ins hohe Alter. Als hochgebildeter und allseitig interessierter Humanist nahm er Anteil sowohl an den lokalen Geschehnissen als auch den weltweiten politischen und sozialen Umwälzungen, an denen es in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts wahrlich nicht mangelte. Dr. Fritz Reiß verstarb im Alter von fast 85 Jahren am 10. Oktober 1966. Eine große Zahl von Trauergästen nahm an seiner Beisetzung am Linzer Barbara-Friedhof teil - ein Zeichen dafür, wie beliebt er zeitlebens gewesen ist.
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