OÖ. Heimatblätter 1989, 43. Jahrgang, Heft 4

gen, und ich wurde beglückwünscht. Am Abend versammelten sich die, die die Prü fung absolviert hatten, im Kasinogarten (hinterm Theater). Am Samstag fand die Zusammenkunft aller Maturanten im ,Kaufmännischen Vereinshaus' statt. Die Sache dauerte bis zum Morgengrauen, dann zerstreuten wir uns. Ich war etwas übernächtig, wenn auch leidlich nüchtern. Um uns zu erfrischen, zogen wir zum nahen Markt- (heute FIessen-)Platz und badeten im damals erst kürzlich aufgestellten Neptunbrunnen.'^ Als wir uns einigerma(?en erfrischt ankleideten, kamen gerade die ersten Kirchenbesucherinnen des Weges. Von den Großeltern bekam ich ein Geschenk von 100 Gulden (!). Dafür tauschte ich später mein altes Fahrrad beim Mechaniker Oberrather in Steyr gegen ein neues Rad mit Freilauf, damals etwas ganz Neues, und mit Acetylenlaterne (früher Rüböllaterne). Es blieben mir ganze fünf Gulden. Anfang Oktober fuhr ich zu Rad über Pregarten, Schwertberg nach Wallsee und über die Strengberge nach St. Valentin. Es war der letzte schöne Tag in diesem Herbst. Tags darauf kamen Kälte, Regen, Laubfall, und drei Tage später bestieg ich um 8 Uhr früh den Zug nach Prag, um die Universität Leipzig zu beziehen. Wenn ich aus den acht Jahren humanistischem Gymnasium das Resümee ziehe, möchte ich sagen, daß man denken gelernt hat. Und das ist immerhin etwas, was man bei den Realschülern und Realgymnasiasten leider vermißt. Trotzdem sich diese mit der Mathematik mehr beschäftigen als die ,Humanisten'. Es ist doch auffal lend, daß die großen Mathematiker, Philosophen, Astronomen, kurzum die großen Denker fast ohne Ausnahme aus dem humanistischen Gymnasium hervorgegangen sind. Es ist vielleicht der ,andere Geist', der diese Anstalten durchzieht. Freilich, Nie ten sind auch aus dem Gymnasium hervorgegangen, aber aus den anderen Mittel schulen doch noch mehr." Dr. Fritz Reiß^^ Friedrich Georg Eduard Reiß, wie sein vollständiger Name lautet, kam am 26. Juli 1882 in Linz im Eckhaus Klammstraße-Promenade zur Welt. Seine dort woh nenden Eltern waren der Arzt Dr. Hermann Reiß und Marianne, geborene Würzbur ger, eine aus Wien stammende Bankierstochter. Auch sein Großvater Simon Reiß war bereits als Arzt in Linz tätig. Er kam im Jahre 1842 gemeinsam mit den Barmher zigen Schwestern aus Wien, als diese ihr Linzer Krankenhaus einrichteten und wurde Der Neptunbrunnen stand ursprünglich im unteren Bereich des Hauptplatzes, wurde aber, wohl im Zusammenhang mit dem Bau der Donaubrücke und der Anhebung des Platzniveaus zur besseren Auffahrt zur Brücke, im Jahre 1872 entfernt. 1894 wurde er auf dem Marktplatz aufgestellt und vom Bildhauer Franz Stark mit einer neuen Neptunfigur versehen. Außer den Angaben in den Lebenserinnerungen selbst wurden für die Biographie noch folgende Un terlagen benützt: Edmund Guggenberger, Oberösterreichische Arztechronik, Linz 1962, S. 303 f.; Mittei lungen der Ärztekammer für Oberösterreich 1966, Nr. 9/10, S. 36 f.; Oö. Nachrichten 1957, Nr. 6 und 1966, Nr. 236, 239; Linzer Volksblatt 1966, Nr. 239.

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