In der dritten Klasse trug der Besuch einer Kindertanzstunde nicht wenig zur Erhöhung meiner ,Zerstreutheit' in der Schule bei, zumal eine Tanzstundenliebe mein ganzes Sinnen und Trachten gefangennahm. Daß ich in der 2. Klasse nicht mehr so weit vorn war wie in der ersten, ist wohl darauf zurückzuführen, daß ich im Jänner 1894 an einem mittelschweren Typhus erkrankte. Auch der damals neue Karl May dürfte mit seinen Indianergeschichten einen nicht kleinen Anteil an meiner Ablenkbarkeit gehabt haben. In dieser Zeit schloß ich mich an den gleichaltrigen, aber eine Klasse tiefer sit zenden entfernten Vetter Edi Kränzl an, dessen Eltern in die Sommerhubervilla an der oberen Römerstraße übersiedelt waren, was besonders in den Sommermonaten einen regen Verkehr abgab. Obenauf war das Indianerspiel, durch die Lektüre von Karl May gefördert. Mein Vater hielt allerdings nicht viel von Indianerbüchern, er nahm sie mir weg, wo er sie erwischte. Man las dann eben am Klo oder bei anderen. Am Indianerspiel beteiligte sich auch Edis Schwester Frieda als Nscho-Tschi, Winne tous Schwester. In der Sommerhubervilla, zu der auch der obere Teil des Urlaub steins gehörte, war es in unseren Augen natürlich viel schöner als in unserer Villa. Es gab da Felswände, Bänder, Staudenwildnisse, es gab auch feindliche Indianerstämme in den Buben der Oberen Donaulände und des Römerberges. Da ich nicht schwindel frei war, war mir das Herumsteigen im Gefels nicht recht geheuer, aber die Orts kenntnis half bald darüber hinweg. Im Sommer gingen wir oft gemeinsam vom Gymnasium heim, ich allerdings mit einem kleinen Umweg anstatt direkt durch die Mariahilfgasse. Mitunter benütz ten wir als Abkürzung den Weg Lessinggasse - Tiefer Graben, wobei uns die dort wohnenden Prostituierten manchmal anstänkerten, wenn wir sie, die meist stark dekollebert im Fenster lagen, angafften. Wir wußten damals noch nichts von sexuel len Dingen, aber ein wenig merkwürdig kam uns die Sache doch vor. Ein Schul freund, dem wir davon Mitteilung machten, erzählte es pünktlich daheim - und das hatte eine entsprechende häusliche Strafe zur Folge. Und dabei wurden wir erst auf geklärt. * * * Von den übrigen ,Professoren' möchte ich nur noch Prof. Josef StrigP® erwäh nen. Er war, wie schon der Name andeutet, aus Obernberg im Innviertel. Er war groß, breitschultrig und von landesüblicher Grobheit. Seine Spezialität war, daß er ,Sauschneiderhüte' nicht mochte. So nannte er oder man damals weiche, dunkelgrüne oder graue Jägerhüte mit Gams-, Dachs- oder Hirschbart oder Spielhahnfeder. Solche Hüte trugen manche meiner Mitschüler, u. a. auch mein Mitschüler - und in den letzten Grazer Studienjahren Freund - Fröhlich, ein Notarssohn aus Ottensheim. Als wir Strigl in der 8. als IClassenvorstand bekamen, stellte er sich gleich in der ersten Josef Strigl, 1850 in Obernberg am Inn geboren, besuchte das Gymnasium am Freinberg und studierte an der Universität Wien. Ab 1876 Mittelschullehrer in Kremsier, von 1882 bis 1912 in Linz. Verfasser von Lehr- und Übungsbüchern der lateinischen Sprache und erhielt 1929 das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich. Er starb am 7. 2. 1934 in Linz. Krackowizer - Berger, S. 334.
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