OÖ. Heimatblätter 1989, 43. Jahrgang, Heft 4

liehen Spaziergang mit ihm in die Villa zur Großmutter, frage er mich ab, was wir gelernt hätten. Ich mußte ihm genau berichten, was wir für Aufgaben - auch oft von Vormittag auf Nachmittag - aufbekommen hätten. Es waren ja acht Lateinstunden in den beiden ersten Jahrgängen vorgesehen. Und dann prüfte mich der Vater streng, arbeitete Konjugation und Deklination usw. und alle die unregelmäßigen Zeitwörter, deren es ja in der lateinischen Sprache genug gibt, durch, es gab, besonders am Anfang, viel Schelte und reichlich Ohrfeigen bei dieser Art Nachhilfe. Zu allem Überfluß begann in dieser Zeit auch noch der Klavierunterricht beim Chormeister der Liedertafel Frohsinn, Wilhelm Floderer,^^ einem kleinen, untersetzten, ruhigen Mann mit gewelltem, dunklem Haar und Bartkoteletten, der eine große Ähnlichkeit mit Franz Schubert, nur ein wenig älter, gehabt haben muß, soweit ich sein Bild in Erinnerung habe. Mein Vater spielte gut Klavier, wenn auch nicht so gut, wie sein Vater gespielt haben soll, und setzte vom Anfänger zu viel voraus. Auch beim Üben - der Vater spielte besonders gern mit mir vierhändig, um mich zum Notenlesen und Takthalten zu erziehen - gab's Schimpfen und Ohrfeigen in reichlicher Menge. Ich ging natür lich schon mit Zittern und Zagen an den Flügel heran, daher meine Sicherheit auch schon beeinträchtigt war, auch wenn ich meinen Part geübt hatte. Ein Griff daneben oder ein Stocken, und schon hatte ich eine mit der verkehrten Hand im Gesicht sitzen. Folge: Tränen, weitere Folge: die Noten nicht sehen, weitere Folge (lawinenartig) danebengreifen, und endlich kam die Watschen, und das wiederholte sich, bis ich heulend nicht mehr in die Tasten griff, sondern die Hände zur Abwehr vors Gesicht hielt. Einmal war mein Vetter Alfons bei uns zu Gast. Nach dem Essen wollte Vater mit mir vierhändig spielen. Der Erfolg war der, daß sich wie auch sonst die Sache in der beschriebenen Art abspielte. Das Stück wurde schlecht und recht, mehr das erstere, zu Ende gespielt. Alfons lobte! höflicherweise sehr unser Klavierspiel und fragte mich: ,Wie heißt denn das Stück, was ihr gespielt habt?' Mit tränenerstickter Stimme antwortete ich ihm: ,Frohe Empfindungen.' Ich glaube, Alfons ist vor Lachen vom Sessel gefallen. Nun, andere wären es wohl auch! Und ich selber lachte unter Tränen mit. Diese qualvollen Jahre meiner Kindheit zogen sich bis gut in die dritte Gym nasialklasse hinein und nahmen erst ein Ende, als der Vater mit seinen Kenntnissen des Griechischen und Lateinischen doch nicht mehr ganz Schritt halten konnte. Immerhin gaben die Erziehungsmethoden, die der Vater anwandte, ihm insofern einen Schein von Berechtigung, als ich in der ersten Klasse unter den drei ersten Vor zugsschülern, in der zweiten auch noch als Vorzugsschüler, allerdings ohne Preisträ ger zu sein, figurierte. ' Wilhelm Floderer (1843-1917) besuchte in seinem Geburtsort Brünn das Gymnasium und studierte dann in Wien Musik. An zahlreichen Theatern war er als Kapellmeister tätig (Bukarest, Temesvar, Lai bach, Linz, Brünn, Wien) und ließ sich schließlich am Linzer Theater nieder, wo er sich Verdienste um die Aufführung bedeutender Opern erwarb. Chormeister der Liedertafel Frohsinn und Lehrer im Mu sikverein. Er komponierte zahlreiche Lieder, Chöre und Klavierstücke. Krackowizer - Berger, S. 68. - österreichisches Biographisches Lexikon, Bd. 1, S. 330.

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