OÖ. Heimatblätter 1989, 43. Jahrgang, Heft 4

Die Freiheit, die der Türmer tatsächlich auskosten konnte, kann nur der nachempfinden, der den Turm hinaufsteigt, begleitet vom gleichmäßigen Pendel schlag der Uhr und dem Ticken des Uhrwerks, und, in der Turmstube angelangt, hin austritt auf die Galerie, über sich den freien Himmel mit dem weithin beherrschen den Blick über das Land bis zu den Alpen, hinein über das Mühlviertel nach Böhmen, und unter sich das Gewirr von Gassen und Gäßchen. Unter ihm brandete täglich die Hast des Kleinbürgers. Es gab Zeiten, zu denen die Tore der Bürgerhäuser mit weißen Kreuzen gekennzeichnet waren, und des Nachts ratterten die Karren mit den Toten in Richtung Pestgrube am Rande der Stadt. Über die Dächer des östlichen Teils des Hauptplatzes drang der Schrei des Pöbels von der Richtstätte am Pranger hinauf zur Behausung des Türmers der Stadtpfarrkirche. Unter ihm zogen die Prozessionen an den kirchlichen Festtagen des Jahres, und im 19. Jahrhundert scharten sich um den Turm die Offiziere und Soldaten zum Defilee patriotischer Veranstaltungen. Er sah 1626 die aufständischenBauern weithin in der Niederung gegen Ebelsberg, und rundum auf den Hügeln beobachtete er die Belagerer und bemerkte, wie sie einen Zugang in die Stadtmauer zu schlagen versuchten. Weithin sah er die Franzosen 1805 und 1809 gegen Ebelsberg ziehen. Das Verhältnis der Stadtbevölkerung zum Türmer im Mittelalter dürfte ähn lich dem gewesen sein, das wir heute zu unserer Feuerwehr haben; er war da, und das genügte. Daher auch der Mangel an Berichten, die sich mit dem Türmer als Mensch, als Familienvater beschäftigen. Außer einigen Anekdoten und den Verordnungen über die Arbeit des Türmers ist über sein Privatleben wenig in Erfahrung zu bringen. Linz hatte 1714 unter der Pest zu leiden. Schon 1348 soll die erste Seuche Linz betroffen haben. Pest, Flecktyphus und Cholera, die Beulenpest und andere „schröck liche Contagionen" kennzeichneten die Zeit zwischen 1516 und 1713 als Jahrhun derte des Schreckens. Auch da wurden der Türmer und seine Gesellen zu Hilfelei stungen herangezogen, öffentliche Gebete wurden angestellt und alle Glocken auf den Türmen der Stadt geläutet, die infizierten Häuser zuerst bezeichnet, sodann gesperrt, und ein Joch der hölzernen Donaubrücke trug man ab, um die Verbindung mit Urfahr zu unterbrechen, um die Weiterverbreitung der Pest zu verhindern. Ein Schnellgalgen wurde errichtet und für diejenigen bestimmt, die es wagen sollten, sich heimlich in die Stadt einzuschleichen. Schon Maximilian I. mußte noch 1506 dem Linzer Magistrat einen Verweis erteilen, weil Mist und Unrat nicht weggeschafft wurden und die Schweine bei den Häusern aus und ein liefen. Der Mangel an gutem Wasser und richtiger Kanalisation tat das übrige. Die Donau, sonst so segensreich für den Handel, denn die Wasserwege waren zu diesen Zeiten sicherer als die Straßen, um die es von Wegelagerern und Räubern nur so wimmelte, wurde immer wieder zur Plage, wenn Überschwemmungen die Stadt bedrohten. Das älteste bekannte Hochwasser wurde 1012 verzeichnet. Weitere schreckliche Hochwässer waren 1572, 1786, 1862, 1899 und 1954. Im Jahre 1809 - vom 27. auf den28. Jänner - schreckten des Nachts die Warn rufe der Türmer die Bürger der Stadt aus den Betten. Der Eisstoß hatte zwei Joche der Brücke abgerissen. Pillwein zählt für Linz 26 Überschwemmungen auf. Die Berichte

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